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       # taz.de -- Neuer Kiel-„Tatort“: Liebe, Lust und Sex
       
       > Wieder einmal ein besonderer Tatort aus Kiel – und der vorletzte mit
       > Kommissar Borowski. Eine Tote gibt es auch. Und sechs Männer, die süchtig
       > sind.
       
   IMG Bild: Kommissar Borowski (Axel Milberg) mit seiner Kollegin Mila Sahin (Amila Bagriacik)
       
       Ich bin in einer dieser Familien aufgewachsen, in der gemeinsames
       „Tatort“-Gucken sonntägliches Pflichtprogramm war. Fast jedes Wochenende in
       meiner Teenagerzeit endete damit, dass ich mich mit meinen Eltern und
       Geschwistern pünktlich vor dem Fernseher einfand.
       
       Als ich mit 18 von zu Hause auszog, nahm ich das Ritual mit: Statt auf
       bequemen Sofas und mit überbackenen Fladenbroten auf dem Tisch, traf ich
       mich nun auf eine Kippe und Bier mit Kommiliton*innen in Dresdens
       Studi-Bars, um den Krimi zu gucken. Ich habe also unzählige Folgen gesehen,
       erinnern kann ich mich nur an die wenigsten. Der Rest verschwimmt zu einer
       grauen Masse aus toten Frauen und mordenden Männern.
       
       Doch es gibt Krimis, die mir bis heute nicht mehr aus dem Kopf gehen. Wie
       die Folge, in der [1][Lars Eidinger] als Stalker sich heimlich in Wohnungen
       von jungen Frauen einrichtet.
       
       Oder die, in der an Tollwut erkrankte Männer ums Leben kommen. Was diese
       „Tatorte“ eint, ist, dass es alles Folgen [2][aus Kiel mit Kommissar
       Borowski] (Axel Milberg) sind. Denn obwohl die Drehbücher aus der Feder
       verschiedener Autor_innen (drei Filme sind von dem schwedischen
       Bestsellerautor Henning Mankell geschrieben) stammen, haben sie allesamt
       eine andere Erzählweise als die übrigen „Tatorte“. Sie sind irgendwie
       mysteriöser und düsterer, arbeiten mit Thriller- und Horrorelementen und
       nicht selten spielt Sex bei den Mordfällen eine relevante Rolle.
       
       ## Wenn sechs Männer kommen
       
       Auch in dem aktuellen Film finden sich diese typischen Borowski-Elemente
       wieder. Der zugegeben etwas wilde Soundtrack von Haiyti über Blümchen bis
       zu Andrea Berg gibt die Themen für den Film vor: Liebe, Lust und Sex.
       
       Passend dazu beginnt der Kriminalfall auf einer Sexparty: Die 40 Jahre alte
       Versicherungsangestellte Andrea Gonzor hat zum Gangbang geladen, sechs
       Männer sind gekommen. Der Sex verläuft einvernehmlich, doch am Ende des
       Abends liegt Andrea tot auf ihrem Bett.
       
       Borowski und seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) beginnen zu
       ermitteln und sind schnell umgeben von Menschen, die liebes- und
       [3][sexsüchtig] sind. Menschen, die sich auf Parkplätzen mit Unbekannten
       zum Sex verabreden, die andere bestrafen, wenn sie in einer glücklichen
       Liebesbeziehung sind, die wegen der Sucht die Kontrolle über ihr Leben
       verlieren. Wie realistisch die Darstellung der Süchtigen ist, sei an dieser
       Stelle einmal außen vor gelassen, schließlich geht es im „Tatort“ nicht
       darum, Realität abzubilden, sondern eine spannende Geschichte zu erzählen.
       
       Und Spannung gibt es auf jeden Fall. Sie entsteht nicht durch die Frage,
       wer eigentlich Andrea getötet hat (wer die Regeln von „Tatort“ kennt, hat
       es schnell durchschaut), sondern durch die Stalkerin, die während der
       Ermittlungen in Borowskis Leben tritt.
       
       ## Die vorletzte mit Borowski
       
       Nele (Laura Balzer) ist auch suchterkrankt und versucht auf perfide Weise,
       Zugang zu Borowskis Leben zu finden. Auch wenn ihr Schauspiel stellenweise
       etwas zu übertrieben daherkommt, erschrecke ich doch jedes Mal, wenn sie
       unangekündigt vor einer Terrassentür auftaucht oder bedrängende Nachrichten
       schreibt.
       
       Auch, wenn „Tatort“-Gucken schon lange kein Ritual mehr in meinem Leben
       ist, hat sich das Einschalten bei dieser Folge gelohnt. Allein deswegen,
       weil es die vorletzte mit Borowski ist. Ein langsamer Abschied von einem
       Kommissar, der nicht mit merkwürdigen Spleens, sondern mit seiner
       unerschütterlich ruhigen Art in Erinnerung bleiben wird.
       
       12 Jan 2025
       
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