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       # taz.de -- Gemeinsam unabhängiger von Peking: Malaysia und Singapur planen neue Sonderwirtschaftszone
       
       > Eine gemeinsame Sonderwirtschaftszone soll Malaysia und Singapur
       > unabhängiger von China machen. Die beiden Staaten sind zwei ungleiche
       > Partner.
       
   IMG Bild: Singapurs Premier Lawrence Wong (links) und sein malaysischer Kollege Anwar Ibrahim wollen in dieselbe Richtung: weg von China
       
       Berlin taz | Singapur und Malaysia haben die Gründung einer
       Sonderwirtschaftszone vereinbart. Die bringe selbstverständlich beiden
       Seiten nur Vorteile, wie Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim und sein
       Amtskollege [1][Lawrence Wong] freudig vergangene Woche in Singapur
       verkündeten. Beide haben, was dem anderen fehlt: Singapur will Investoren,
       Finanzierung und Expertise einbringen. Malaysia will in Johor, einem der
       neun Sultanate des Landes, für die „Sonderwirtschaftszone Johor-Singapur“
       (JS-SEZ) 3.500 Quadratkilometer Land und günstige Arbeitskräfte zur
       Verfügung stellen. Zudem lockt Malaysia mit niedrigen Steuern für
       Unternehmen und Fachkräfte.
       
       Johor am südlichen Ende der malaiischen Halbinsel und die Insel Singapur
       sind nur durch die einen Kilometer breite Meerenge getrennt. Über einen
       Damm fahren täglich in beiden Richtungen Zehntausende Menschen, die
       Malaysier zum Arbeiten in Singapur, Singapurer zum Shoppen ins billigere
       Malaysia. Die Inselrepublik Singapur als Finanzzentrum Südostasiens hat
       vieles im Überfluss, aber eines nicht: Platz. Mit einer Fläche von 718
       Quadratkilometern ist der Stadtstadt kleiner als Hamburg.
       
       Mit der JS-SEZ wollen sich die beiden Volkswirtschaften stärken, etwa indem
       sie sich als angesichts der verschärfenden [2][Spannungen zwischen China
       und den USA] sich als alternativer Standort für Investoren ins Spiel
       bringen wollen. Gleichzeitig sind die beiden Länder, die einen hohen
       chinesischstämmigen Bevölkerungsanteil aufweisen mit ihrem Streben, sich
       ein Stück weit von China zu emanzipieren in der Region Spätkommer.
       Internationale Investoren setzen schon seit längerem auf Vietnam und Indien
       als Alternativstandorte zu China.
       
       Schon jetzt haben sich Firmen aus Singapur im malaysischen Johor
       angesiedelt. Ein Beispiel ist das Unternehmen Archisen, das Lösungen für
       den Anbau frischer landwirtschaftlicher Produkte in Städten konzipiert,
       baut und betreibt. Zusammen mit den malaysischen Partner FarmByte baut die
       Firma in Johor eine der größten Indoor-Urban-Farmen für Salat und Gemüse
       auf, während der Firmensitz samt den Bereichen Forschung und Innovation in
       Singapur bleiben.
       
       ## Länder sind sehr unterschiedlich
       
       Ob und wann die Sonderwirtschaftszone Realität wird, ist noch ungewiss. Die
       beiden Länder sind trotz vieler kultureller und historischer
       Gemeinsamkeiten sehr unterschiedlich. Singapur ist politisch stabil;
       Malaysia nicht. In Malaysia genießt die ethnisch-religiöse
       Bevölkerungsmehrheit der islamischen Malaien wirtschaftliche Privilegien,
       während islamisch-nationalistische Parteien und ihre Medien immer wieder
       rassistische Hetze gegen die chinesischstämmige Bevölkerung betreiben.
       
       Anders als in Singapur ist Religion in Malaysia ein zentraler politischer
       Faktor. Seit der Wahl 2022 ist die islamistische PAS die größte
       Oppositionspartei. Als Folge verzeichnet Malaysia seit Jahrzehnten einen im
       globalen Vergleich überdurchschnittliche hohe Zahl von gut ausgebildeten
       Bürgern, die das Land in Richtung USA, EU und Singapur verlassen.
       
       Unter Premierminister Anwar hat sich Malaysia auf dem Korruptionsindex von
       Transparency International um drei Plätze auf Rang 50 verbessert; Singapur
       ist seit Jahren als einziges Land Asiens unter den zehn am wenigsten
       korrupten Ländern der Welt. Während in Singapur Wirtschaftsprojekte zügig
       und effizient umgesetzt werden, stehen Großprojekte in Malaysia unter
       keinem guten Stern. Ex-Premier Najib Razak sitzt derzeit im Gefängnis, weil
       Milliarden Dollar aus dem von ihm initiierten staatliche Investitionsfonds
       1MDB in dunklen Kanälen verschwanden. Die jahrelangen Verhandlungen über
       den Bau einer Schnellzugstrecke zwischen Singapur und Malaysias Hauptstadt
       Kuala Lumpur sind durch die politischen Turbulenzen in Malaysia zum
       Stillstand gekommen.
       
       Kein gutes Omen für die SEZ ist auch das gescheiterte Megaprojekt Forest
       City in Johor des größten chinesischen Immobilienentwicklers Country Garden
       als moderne, grüne und preiswerte Alternative zum hochpreisigen Singapur.
       Die zahlreichen Hochhäuser aus Beton und Glas stehen leer und das
       Unternehmen verhandelt derzeit mit seinen Gläubigern über die
       Restrukturierung seiner Auslandsschulden in Höhe von 10,3 Milliarden
       Dollar.
       
       ## Singapur hofft auf mehr Investitionen
       
       Singapurs Premierminister Wong verspricht sich mit der SJ-SEZ einen
       Wettbewerbsvorteil um „mehr Investitionen in unser Gebiet zu ziehen“.
       Malaysias Wirtschaftsminister Rafizi Ramli betonte im Wirtschaftsmagazin
       Fortune: „Kleinere Länder müssen ihre Bemühungen um Offenheit und
       Neutralität verdoppeln, um in einer [3][multipolaren Zukunft] zu
       überleben.“ Als Nebenwirkung soll die SJ-SEZ auch Forest City neuen Schwung
       geben.
       
       12 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Machtwechsel-in-Singapur/!6010728
   DIR [2] /Beziehungen-zwischen-USA-und-China/!6033174
   DIR [3] /Neue-Afrikapolitik-der-Bundesregierung/!6060984
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Lenz
       
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