# taz.de -- Nach über 1.500 Tagen Geiselhaft: Nahid Taghavi aus iranischer Haft frei
> Die deutsche Staatsbürgerin wurde 2020 von der iranischen
> Revolutionsgarde festgenommen. Sie verbrachte über sieben Monate in
> Isolationshaft.
IMG Bild: Nahid Taghavi mit ihrer Tochter Mariam Claren nach ihrer Ankunft am Flughafen Köln-Bonn am 12. Januar
Nach mehr als 1.500 Tagen in Geiselhaft der Islamischen Republik Iran ist
die 70-jährige deutsche Staatsbürgerin Nahid Taghavi wieder bei ihrer
Familie in Köln. Ihre Tochter Mariam Claren, die sich seit der Inhaftierung
ihrer Mutter für sie einsetzt, empfing sie am Sonntagnachmittag am
Flughafen Köln/Bonn.
Taghavis politische Arbeit beginnt bereits in den 1970er Jahren, und ihre
Überzeugungen bleiben auch unter widrigsten Umständen unerschütterlich. Der
Kampf gegen Korruption, die Förderung von Menschenrechten und die
Unterstützung marginalisierter Gruppen ziehen sich wie ein roter Faden
durch ihr Leben.
In Italien studiert sie Architektur und lebt seit den 1980er Jahren in
Köln. Im Oktober 2020 wird sie von der iranischen Revolutionsgarde
festgenommen und in das berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht. Nach einem
Schauprozess unter dem Richter Iman Afshari wird sie zu 10 Jahren und 8
Monaten Haft verurteilt. In ihrer Verteidigung vor Gericht sagt sie
unerschrocken: „Wenn das Reden über Korruption und Armut ‚Propaganda gegen
den Staat‘ ist, dann bin ich schuldig.“ Die sieben Monate Isolationshaft
scheinen ihren Geist nicht gebrochen zu haben.
Die körperlichen Folgen sind jedoch enorm: Mehrere Bandscheibenvorfälle,
Bluthochdruck und Diabetes unter mangelhafter medizinischer Versorgung
verschlechtern ihren Gesundheitszustand lebensbedrohlich, sodass die
ebenfalls inhaftierte [1][Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi] im
Juni 2023 via Instagram-Post Alarm schlägt.
Hinter den Gefängnismauern setzt sie ihren Kampf gegen Ungerechtigkeiten
fort, beteiligt sich an Hungerstreiks, fordert das Ende von Hinrichtungen.
Nach ihrer Ankunft in Deutschland setzt sie noch am Flughafen ein Zeichen
und solidarisiert sich mit ihren ehemaligen Mitgefangenen Pakhshan Azizi
und Verisheh Moradi, die zum Tode verurteilt worden sind.
Die Bundesregierung forderte Taghavis Freilassung öffentlich nie, die
stille Diplomatie war bis zuletzt die bevorzugte Strategie. Doch ihre
Tochter Mariam Claren setzte auf Öffentlichkeitsarbeit und mobilisierte
durch ihre Kampagnen weltweit Unterstützung. Es scheint, dass dieser Druck,
verbunden mit geopolitischen Überlegungen des iranischen Regimes, letztlich
zur Freilassung führte.
Iran ist international isoliert. Die Unterstützer des Regimes sind durch
den Tod wichtiger Hamas- und Hisbollah-Kader in den vergangenen Monaten
geschwächt. Der Fall des Diktators Assad in Syrien schwächte das Regime
weiter. In den USA steht eine Trump-Präsidentschaft bevor. Die Mullahs in
Teheran brauchen neue Verbündete. Die Freilassung von Nahid Taghavi könnte
ein Versuch des Regimes sein, sich über Deutschland wieder der EU
anzunähern.
Trotz der Freude über Taghavis Heimkehr bleibt die Geiseldiplomatie des
iranischen Regimes eine bittere Realität. Laut Reuters sind derzeit
mindestens 20 europäische Staatsbürger:innen in iranischer Haft –
darunter der schwedische Arzt Ahmad Reza Jalali, der sogar zum Tode
verurteilt wurde. Der [2][Fall des deutschen Staatsbürgers Jamshid
Sharmahd,] der nach vier Jahren Geiselhaft ermordet wurde, zeigt das
Versagen der Bundesregierung auf schmerzhafte Weise. Eine europäische
Strategie zur Bekämpfung dieser Praxis ist dringender denn je.
Die Freilassung Taghavis ist in erster Linie ein Erfolg der unermüdlichen
Öffentlichkeitsarbeit ihrer Tochter. Die stille Diplomatie ist gescheitert.
13 Jan 2025
## LINKS
DIR [1] /Inhaftierte-Friedensnobelpreistraegerin/!6054851
DIR [2] /Iran-ermordet-Deutschiraner/!6047349
## AUTOREN
DIR Daniela Sepehri
## TAGS
DIR Schwerpunkt Iran
DIR Iranische Revolutionsgarden
DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
DIR Menschenrechte
DIR GNS
DIR Schwerpunkt Iran
DIR Schwerpunkt Iran
DIR Schwerpunkt Iran
DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
DIR wochentaz
DIR Schwerpunkt Iran
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Hinrichtung im Iran: Trauerfeier für Deutsch-Iraner Sharmahd in Berlin
2024 gab Iran die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Sharmahds bekannt. Nun
nehmen Angehörige und Freund*innen Abschied. Trotz Autopsie bleibt die
Todesursache unklar.
DIR Verfolgung im Iran: Bundesamt spielt Inquisition
Als Christin droht Roza Moheb im Iran Verfolgung, auch ihr Vater bedroht
sie mit dem Tod. Dem BAMF reicht das nicht als Asylgrund.
DIR Geopolitik unter Paria-Staaten: Irans neue Achse führt nach Moskau
Lange stützten Iran und Russland Assad in Syrien – und nun sich
gegenseitig. Die „strategische Partnerschaft“ tritt an die Stelle der
„Achse des Widerstands“.
DIR Italienische Journalistin wieder frei: Sala war eine Geisel Irans
Vor drei Wochen wurde sie in Teheran verhaftet, vergangene Woche kam die
Journalistin Cecilia Sala frei. Ihr Fall zeigt: Pressefreiheit zählt nichts
im Iran.
DIR Mohammad Rasoulof über seinen neuen Film: „All diese Drehbücher halten mich am Leben“
Der Regisseur von „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ floh vor der
Repression des iranischen Regimes nach Deutschland. Ein Gespräch über die
Arbeit unter totalitären Systemen.
DIR Protest mit Konzert ohne Kopftuch: Mutige Sängerin nach Konzert in Iran festgenommen
Parastoo Ahmadi performte ein Konzert ohne Kopftuch. Für sie spiegelt es
die Sehnsucht nach Freiheit und die Kraft des künstlerischen Widerstands
wider.