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       # taz.de -- Konjunktur in Deutschland: Es wurde wieder nicht in die Hände gespuckt
       
       > Die deutsche Wirtschaft schrumpfte 2024 das zweite Jahr in Folge. Auch
       > für 2025 ist keine Trendwende in Sicht.
       
   IMG Bild: Ist dieser Arbeitsplatz wirklich sicher? Ein VW ID3 in einer Montagehalle von Volkswagen in Zwickau
       
       Berlin taz | Robert Habeck hat beim BIP ins Schwarze getroffen. Doch ob er
       damit als Bundeswirtschaftsminister im Wahlkampf angeben sollte, ist
       fraglich. „Der Aufschwung verzögerte sich ein weiteres Mal“, sagte der
       Grünen-Politiker nämlich vergangenen Oktober bei der Vorstellung der
       Herbstprojektion der Bundesregierung. Diese korrigierte die Aussichten für
       das Jahr 2024 nach unten. Statt leicht um 0,3 Prozent zu wachsen, werde das
       Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent schrumpfen.
       
       Dieses Minus von 0,2 Prozent bestätigte das Statistische Bundesamt nun am
       Mittwoch. Damit ist die deutsche Wirtschaftsleistung vorläufigen
       Berechnungen zufolge das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Bereits 2023
       ging sie um 0,3 Prozent zurück. Zuletzt schrumpfte die Wirtschaftsleistung
       2002 und 2003 zwei Jahre nacheinander. Damals war die Rede von Deutschland
       als „kranker Mann Europas“.
       
       Und auch jetzt hinkt das Land im internationalen Vergleich hinterher. Das
       BIP stieg seit 2019 insgesamt um lediglich 0,3 Prozent. Zum Vergleich: Für
       die gesamte EU geht die EU-Kommission im selben Zeitraum von einem Wachstum
       von 5,3 Prozent aus; in den USA waren es 11,4 Prozent und in China 25,8
       Prozent.
       
       Besonders die Industrie kriselt. Deren Bruttowertschöpfung verringerte sich
       vergangenes Jahr um 3 Prozent. Vor allem die Auto- und Maschinenbauer
       produzierten weniger. So verkaufte der Volkswagen-Konzern 2024 insgesamt
       9,027 Millionen Fahrzeuge, ein Minus von 2,3 Prozent verglichen mit 2023.
       
       ## Verzicht und Kürzungen
       
       [1][Der Konzern handelte deswegen kurz vor Weihnachten mit der IG Metall
       ein hartes Sparprogramm für seine Stammmarke aus.] Zwar konnte die
       Gewerkschaft Massenentlassungen und Betriebsschließungen verhindern. Dafür
       müssen Beschäftigte aber vorerst auf Lohnerhöhungen und teilweise auch
       Sonderzahlungen verzichten.
       
       Die schlechte Lage machte sich auch sonst bereits bemerkbar. Zwar gab es
       2024 einen Beschäftigungsrekord von im Schnitt 46,1 Millionen
       Erwerbstätigen, allerdings kam der Anstieg Ende des Jahres zum Erliegen. In
       der Industrie und auf dem Bau ging die Zahl der Erwerbstätigen bereits
       zurück. Auch für 2025 sind Experten pessimistisch. „Weil die belastenden
       Faktoren weiter bestehen, ist keine schnelle Trendwende zu erwarten“, sagt
       Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung
       (IMK).
       
       „Auch zum Jahresbeginn 2025 sind keine Lichtblicke erkennbar. Neben der
       ausgeprägten konjunkturellen Schwäche lastet der strukturelle Wandel auf
       der deutschen Wirtschaft“, schätzt Jan-Christopher Scherer vom Deutschen
       Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
       
       Die Union versucht die schlechte Konjunktur im Wahlkampf zu nutzen: „Jeder
       kann sich am 23. 02. für den Politikwechsel entscheiden und so dazu
       beitragen, dass diese wirtschaftliche Abwärtsspirale endlich gestoppt
       wird“, schrieb die stellvertretende CDU-Generalsekretärin Christina Stumpp
       auf X. Für Konjunkturforscher Dullien ist die Ampel allerdings nur zum Teil
       verantwortlich für die Situation.
       
       Ihm zufolge drücken vier Faktoren auf die Wirtschaft: Erstens zunehmender
       Protektionismus und geopolitische Spannungen, zweitens die nach wie vor
       hohen Energiepreise, drittens die hohen Zinsen und erst an vierter Stelle
       die auseinander gebrochene Ampelregierung, die nach dem Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse im Herbst 2023 auf
       Ausgabenkürzungen gesetzt hat und so Unsicherheit bei Unternehmen und
       privaten Haushalte erzeugte.
       
       Immerhin eine gute Nachricht gibt es laut Statistischem Bundesamt: 2024
       stiegen die Löhne und Gehälter so stark, dass ihre Kaufkraftverluste im
       Zuge der Coronapandemie und Energiepreiskrise endlich kompensiert wurden.
       Allerdings gaben die Menschen es nicht aus: Die Sparquote, die angibt, wie
       viel die Menschen von ihrem Einkommen zur Seite legen, stieg auf 11,6
       Prozent. Für Ökonom*innen ein Zeichen, dass Menschen der Situation nicht
       trauen und Angst um ihren Job haben.
       
       15 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tarifeinigung-bei-Volkswagen/!6055415
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simon Poelchau
       
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