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       # taz.de -- Zugeschüttete Goldmine in Südafrika: Todesfalle Schacht 11
       
       > Hunderte illegale Goldschürfer sitzen monatelang in einer Mine fest.
       > Jetzt werden sie gerettet. Für viele ist es zu spät.
       
       KAMPALA taz | Auf den Videos, aufgenommen von örtlichen Journalisten, sieht
       man im Hintergrund ein imposantes rotes Rettungsfahrzeug zwischen dem
       Geröll stehen. Es ist spezialisiert auf Minenunglücke: An einer langen
       Seilwinde wird ein roter Aufzug in den Schacht hinabgelassen. Fast 30
       Minuten dauert es, bis der Aufzug die Tunnelsysteme in über 2 Kilometern
       Tiefe erreicht. Nach weiteren 30 Minuten kehrt er an die Oberfläche zurück:
       mit einer Handvoll verdreckter und erschöpfter junger Männer in warmen
       Jacken und Gummistiefeln, einige tragen Taschen und Werkzeug. Von Zeit zu
       Zeit wuchten Rettungskräfte blaue Leichensäcke aus der Kabine.
       
       166 lebende Bergwerksleute und 78 Leichen wurden [1][laut offiziellen
       Angaben] in der südafrikanischen Bergwerksstadt Stilfontein seit Montag von
       der Polizei und den Rettungskräften aus den stillgelegten Minen geholt. Sie
       waren dort jedoch nicht durch einen Einsturz eingeschlossen, sondern hatten
       die Stollen illegal besetzt.
       
       Im vergangenen August hatte Südafrikas frisch gewählte Regierung unter
       Präsident Cyril Ramaphosa beschlossen, gegen den illegalen Rohstoffabbau
       durch Kleinbergwerksleute vorzugehen. In dem rohstoffreichen Land gibt es
       schätzungsweise über 6.000 stillgelegte Bergwerke, wo kein industrieller
       Abbau mit Maschinen durch lizenzierte Firmen mehr stattfindet, sondern die
       Minen offiziell geschlossen sind.
       
       Doch in diesen stillgelegten Minen schürfen überall junge Männer, zum Teil
       Kinder – illegal. Mit Spitzhacken und Taschenlampen klettern sie ohne
       nötige Sicherheitsausrüstung in die Schächte hinein, um per Hand nach
       Mineralien zu suchen. Südafrika verfügt über die [2][fünftgrößten
       Diamantvorkommen] weltweit und [3][mit über 90 Goldminen belegt es derzeit
       Platz elf] hinsichtlich des Goldabbaus.
       
       ## 2024 begann die Polizeioperation „Schließt das Loch“
       
       Vor dem Hintergrund des jüngsten Rekordanstiegs [4][des weltweiten
       Goldpreises] gepaart mit der enorm hohen [5][Arbeitslosenquote von
       offiziell 33 Prozent] der südafrikanischen Bevölkerung – vor allem bei
       Jugendlichen in den ländlichen Gebieten und unter den schwarzen Gemeinden –
       zieht es viele junge Männer in die Minen, um dort nach verbliebenen
       Goldvorkommen zu suchen. Viele von ihnen sind ehemalige Bergwerksleute, die
       einst bei Minengesellschaften angestellt waren und ihren Job verloren.
       
       Südafrikas Goldrauschzeiten sind vorbei. In den vergangenen Jahren schauen
       sich internationale Rohstoffgesellschaften zunehmend in anderen Ländern um,
       die über Mineralienvorkommen verfügen. Der Grund: „Eine Fülle von
       Vorschriften und Richtlinien, die es zu beachten gilt, um ein
       Explorationsprojekt zu starten“, so [6][eine aktuelle Studie des Institutes
       für Sicherheitsstudien] mit Sitz in Südafrikas Hauptstadt Pretoria,
       „gepaart mit gravierenden Engpässen bei der Stromversorgung und
       Transportlogistik.“
       
       Meist verkaufen die illegalen Schürfer ihre Funde an kriminelle Netzwerke,
       die mit diesem Gold illegale Geschäfte machen oder Bargeld waschen. Um
       diesen Syndikaten den Geldhahn abzudrehen, schickte Präsident Ramaphosa im
       November 2023 über 3.000 Soldaten los, um die Schürfer in den Minen
       dingfest zu machen. Im August 2024, kurz nach den Wahlen, begann dann die
       Polizei- und Militäroperation „Vala Umgodi“ (übersetzt: Schließt das Loch)
       in den Stollen von „Schacht 11“, wie die Minen rund um die Stadt
       Stilfontein, 150 Kilometer südwestlich von Johannesburg, genannt werden.
       Dabei kam ein Schürfer ums Leben, als er vor den Sicherheitskräften fliehen
       wollte.
       
       ## Wohl noch 400 Arbeiter in der Mine
       
       Laut Polizeiangaben wurden seit August 1.576 illegale Bergwerksleute
       verhaftet. Davon wurden 121 nicht südafrikanische Schürfer in ihre
       Heimatländer ausgeliefert. 46 wurden bereits von einem Gericht für schuldig
       befunden, illegal Ressourcen abgebaut oder gegen das Immigrationsgesetz
       verstoßen zu haben.
       
       Doch immer noch weigern sich Hunderte Schürfer, Schacht 11 freiwillig zu
       räumen. Sie haben sich quasi in den Tunnelsystemen verschanzt. „Wir werden
       sie ausräuchern“, hatte die Ministerin im Präsidialamt, Khumbudzo
       Ntshavheni, im November erklärt, als die Regierung die Wasser- und
       Stromleitungen in den Minen stilllegte. Nahrungsmittellieferungen wurden
       unterbunden. Auch die Aufzugsschächte und Treppensysteme wurden von
       Sicherheitskräften absichtlich demoliert, sodass die Schürfer nicht mehr
       selbst herausklettern konnten. Sie wurden quasi dort unten eingesperrt.
       
       Der südafrikanische Gewerkschaftsverbund Saftu schätzte zu jener Zeit, dass
       sich insgesamt über 4.000 Schürfer in den Stollen befanden. Nach [7][einer
       Polizeioperation im November] und der daraus resultierenden Verhaftung
       Tausender Schürfer wird die aktuelle Zahl der verschanzten Schürfer auf
       rund 400 geschätzt.
       
       Die [8][südafrikanische Anwaltsgruppe Society for the Protection of our
       Constitution] zog bereits im November vor Gericht, um die Rechte der
       Schürfer einzuklagen. Südafrikas Menschenrechtskommission (SAHRC) erhielt
       verzweifelte Schreiben von Angehörigen, die um das Leben ihrer Verwandten
       in Schacht 11 fürchteten, und unterstützte die Klage. Das Hohe Gericht in
       Pretoria hatte bereits in einer einstweiligen Verfügung im November
       angeordnet, dass ein Rettungsteam in die Stollen vordringen solle, um die
       Schürfer ärztlich zu versorgen. In einer erneuten Entscheidung vergangene
       Woche ordnete das Gericht letztlich die Regierung an, die Operation zügig
       zu beenden, um Menschenleben zu retten.
       
       Einige Schürfer sind bereits an Mangelernährung gestorben. Dies zeigten
       nicht zuletzt [9][verstörende Videos], die vergangene Woche in den Tunneln
       aufgenommen worden waren und mithilfe der südafrikanischen
       [10][Menschenrechtsgruppe Macua (Mining Affected Communities United in
       Action)] am Montag zutage gefördert wurden. Darauf zu sehen: Zahlreiche in
       Stoffe und Schlafsäcken eingepackte Leichen, die im schlammigen Wasser
       schwimmen, sowie bis auf die Knochen abgemagerte Männer, die in den dunklen
       Stollen auf dem Boden hocken. Macau schätzt, dass die Todeszahl
       mittlerweile mehr als 100 beträgt.
       
       Eine Gerichtsentscheidung hat vergangene Woche angeordnet, dass die
       Regierung eine Rettungsoperation starten müsse, um weitere Todesfälle zu
       vermeiden. Insgesamt zehn Tage will die Polizei nun nach den Schürfern
       suchen – und sie letztlich verhaften, weil sie in illegale Aktivitäten
       verwickelt seien.
       
       In der Gegend lebt ein Großteil der Bevölkerung von den Einkommen aus
       Schacht 11. Dementsprechend groß war die Frustration der Leute in den
       umliegenden Dörfern und Siedlungen. Als der zuständige Minister für
       Mineralien und Rohstoffe, Samson Gwede Mantashe, am Dienstag mit einer
       Regierungsdelegation aus Pretoria die Mine besuchte, protestierten die
       Angehörigen der Schürfer. Viele befürchten, dass ihre Angehörigen nur als
       Leichen geborgen würden. Sie fragten Minister Mantashe, wer die
       Verantwortung für die Toten übernehme. Da schickte der Minister die Polizei
       los, um die Demonstrierenden zu vertreiben.
       
       15 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.reuters.com/world/africa/body-count-south-african-mine-rescue-operation-rises-60-2025-01-15/
   DIR [2] https://www.mining-technology.com/data-insights/diamond-in-south-africa/?cf-view
   DIR [3] https://www.mining-technology.com/data-insights/gold-in-south-africa
   DIR [4] https://moneyweek.com/investments/commodities/gold/gold-price
   DIR [5] https://www.statssa.gov.za/publications/P0211/Presentation%20QLFS%20Q1%202024.pdf
   DIR [6] https://issafrica.org/iss-today/south-africa-is-falling-behind-in-africas-new-gold-rush
   DIR [7] /Tausende-Arbeiter-versteckt-in-Tunneln/!6049528
   DIR [8] https://www.facebook.com/p/Society-for-The-Protection-of-Our-Constitution-100057409489814
   DIR [9] https://www.youtube.com/watch?v=fzi7NayFRx0
   DIR [10] https://x.com/macua_sa/status/1878778140442648768
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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