URI: 
       # taz.de -- Rechtsextreme in Bremen vor Gericht: Nazis wollen Brandanschlag auf linkes Zentrum gestehen
       
       > Drei Bremer aus der Naziszene sollen das Jugendzentrum „Friese“
       > angezündet haben. Zum Prozessauftakt kündigen sie eine Einlassung an.
       
   IMG Bild: Die drei Angeklagten legen Wert auf Anonymität. In der rechtsextremen Szene sind sie fest verankert
       
       Bremen taz | In Saal 218 des Bremer Landgerichts nimmt in der Mitte der
       Anklagebank Jan Henrik E. Platz, bekennender Rechtsextremist. Seine Glatze
       und den kurzen Bart verbirgt er hinter einem Aktendeckel. Nico J. und Dave
       S., rechts und links von ihm, schützen sich mit medizinischen Masken vor
       den Fotografen. Hinter ihnen sitzen ihre Verteidiger, keine bekannten
       Szeneanwälte. Seit Donnerstagvormittag müssen sich die Männer im Alter von
       29 bis 41 Jahren wegen [1][schwerer Brandstiftung und gefährlicher
       Körperverletzung in 33 Fällen verantworten].
       
       Nach einer Viertelstunde ist die Anklage verlesen. Die Staatsanwaltschaft
       hält den Angeklagten vor, in der Nacht auf den 16. Februar 2020 gegen
       Mitternacht im alternativen Jugendzentrum „Friese“ im Bremer
       Steintor-Viertel [2][einen Brand gelegt] zu haben, der das Leben von 33
       Menschen gefährdet habe. Das hätten die drei mit ihrer Tat gemeinschaftlich
       billigend in Kauf genommen.
       
       Im offenen Café im ersten Stock der „Friese“ hätten sie mit einem Feuerzeug
       Bekleidung angezündet, das Feuer habe auf den rund 50 Quadratmeter großen
       Raum übergegriffen. Drei Menschen erlitten Rauchvergiftungen, zwei von
       ihnen kämpften bis heute mit den psychischen Folgen. Eine der Geschädigten
       tritt als Nebenklägerin auf. Sie möchte wegen möglicher weiterer
       Bedrohungen nicht namentlich erwähnt werden.
       
       Die Zahl der Betroffenen will eine Mitarbeiterin der Betroffenenberatung
       Soliport so nicht stehen lassen. Der Anschlag habe nicht nur die ärztlich
       Attestierten im alltäglichen Leben beeinträchtigt. Denn alle, die in jener
       Nacht in der „Friese“ waren, hätten sterben können. Bis heute ist eine
       Pressemitteilung der Bremer Polizei anlässlich einer Durchsuchung bei den
       Angeklagten 2021 abrufbar, nach der bei dem Anschlag niemand verletzt
       worden sei.
       
       Am Abend des Anschlags bemerkten Besucher eines Konzerts der
       Veranstaltungsgruppe „Sissi und Die Chinesische Wäscherei“ zunächst einen
       Rauchgeruch. Wenig später schlug dem Leiter des Jugendzentrums „beißender,
       grünlich-bräunlicher Qualm“ entgegen, als er die Brandschutztür zum
       Backstagebereich im ersten Stock einen Spalt weit öffnete. „Sofort alle
       raus!“, brüllte er nach unten zu den Gästen des experimentellen Konzerts,
       so berichtete er es Anfang Januar der taz. Die gerufene Feuerwehr konnte
       den Brand löschen. Ein Sachschaden von 180.000 Euro entstand.
       
       In der Brandnacht entdeckte der Leiter am Eingang der „Friese“ Aufkleber
       der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ und von weiteren Szene-Gruppen. Das
       Tatmotiv lag nahe, [3][auch der Täter*innen-Kreis]. „Dennoch wurden die
       Ermittlungen in der wichtigen Phase unmittelbar nach der Tat mit wenig
       Eifer geführt“, sagt die Nebenklage-Vertreterin Lea Voigt. Die konkreten
       Hinweise hätten zunächst keinerlei Konsequenzen gehabt, so die
       Rechtsanwältin.
       
       Erst anderthalb Jahre später habe es bei den Anklagten, die dem 2019
       verbotene Verein „Phanlanx18“ nahestanden, Durchsuchungen gegeben. Bei Jan
       Henrik E. soll die Polizei in der Wohnung auch auf Hakenkreuzfahnen und
       Adolf-Hitler-Bilder gestoßen sein. Die Polizei soll aber auch Utensilien
       des verbotenen Netzwerks „Blood & Honour“ und Szeneschriften gefunden
       haben, die zum bewaffneten Kampf aufrufen.
       
       ## Blendeten Ermittler rechtsterroristisches Motiv aus?
       
       „Angesichts der Funde in der Wohnung des Mannes muss man davon ausgehen,
       dass er mit dem Prinzip des,führerlosen Widerstands' sympathisiert, das die
       ideologische Grundlage der Mord- und Anschlagsserie des NSU-Netzwerks
       bildet“, sagt Voigt. Sie könne aber nicht erkennen, dass die
       Ermittlungsbehörden „jemals ein rechtsterroristisches Motiv für den
       Brandanschlag in Betracht gezogen“ hätten – obwohl die Fachdienststelle des
       Landeskriminalamts für politische Straftaten ermittelt habe, die diese
       Expertise haben müsste. Ihre Mandantin sagt: „Fünf Jahre mussten wir dafür
       kämpfen, dass wir ernst genommen werden, was unglaublich viel Zeit und
       Energie gekostet hat.“
       
       Im Saal 218 kündigen die Verteidiger an, die Angeklagten wollten sich zur
       Tat äußern. Der Vorsitzende Richter weist darauf hin, dass auch der Vorwurf
       der Beihilfe zur Brandstiftung überprüft werden müsse.
       
       Dave S. muss sich in diesem Verfahren wegen einer weiteren Straftat
       verantworten: Im August 2024 soll er in einer Straßenbahn der Linie 3 die
       Glastür der Fahrerkabine zertrümmert und auf den Fahrer mit nicht deutschem
       Namen eingeschlagen haben. Erst zwei Männer konnten S. wegziehen. Den
       Angeklagten drohen mehr als vier Jahre Haft.
       
       16 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Anschlag-auf-Bremer-Jugendzentrum/!6057171
   DIR [2] /Doppelbrand-in-Bremer-Jugendzentrum/!5663885
   DIR [3] /Ermittlungen-nach-Brandanschlag/!5815819
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
       ## TAGS
       
   DIR Rechte Gewalt
   DIR Brandanschlag
   DIR Staatsanwaltschaft Bremen
   DIR Landgericht Bremen
   DIR Kriminalität
   DIR Landgericht Bremen
   DIR Jugendzentrum
   DIR Anti-Rassismus
   DIR Brandanschlag
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Anschlag auf Jugendzentrum in Bremen: Antifa überführt Nazi-Brandstifter
       
       Wegen Brandstiftung im Bremer Jugendzentrum „Friese“ wird am Donnerstag das
       Urteil erwartet. Dass es dazu kommt, ist Antifa-Recherchen zu verdanken.
       
   DIR Nach Anschlag auf Bremer Jugendzentrum: Braune Brandstifter vor Gericht
       
       Drei Rechte müssen sich nach dem Anschlag auf die Bremer „Friese“ 2020
       wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung
       verantworten.
       
   DIR Verordnung zur Rassismusbekämpfung: Neuer Versuch mit alten Normen
       
       Die Bremer Justizsenatorin will Rassismus und Antisemitismus in der
       Strafverfolgung bekämpfen. Aber ihre Verordnung bringt wenig Neues.
       
   DIR Erneuter Brandanschlag im Bremer Umland: Jedes Mal Hakenkreuz-Schmierereien
       
       Schon wieder brennt ein syrisches Restaurant in der Nähe von Bremen. Und
       wieder schmieren die Brandstifter*innen ein Hakenkreuz an die Wand.