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       # taz.de -- Gedenken an den Magdeburger Anschlag: Trauer und Anspannung
       
       > Im Landtag hat die Aufarbeitung begonnen. Ein Polizeiauto hat offenbar
       > einen relevanten Zugang zum Weihnachtsmarkt nicht geschützt. Die AfD
       > instrumentalisiert Gedenken für ihren Wahlkampf.
       
   IMG Bild: Menschenkette zum Gedenken an die Opfer und Betroffenen des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt
       
       Magdeburg taz | Der Ältestenrat des Landtags in Sachsen-Anhalt hat die
       zuständigen Minister über den [1][Anschlag auf den Weihnachtsmarkt]
       befragt. Dabei ging es unter anderem darum, was die Behörden [2][zuvor über
       den Mann gewusst hatten], der mit einem Leihwagen am Freitag durch den
       Markt gefahren ist und dabei fünf Menschen getötet sowie mehr als 200
       verletzt hat.
       
       In der einberufenen Sondersitzung am Montagnachmittag sagte Innenministerin
       Tamara Zieschang (CDU), dass die Polizei beim Täter im September 2023 und
       Oktober 2024 eine Gefährderansprache durchgeführt habe. Warum? Das ließ sie
       in der öffentlichen Sitzung offen. Ebenso blieb in der öffentlichen Sitzung
       unbeantwortet, weshalb die mobilen Einsatzkräfte, die den Zugang laut Ronni
       Krug, dem Beigeordneten der Stadt für Ordnung hätten schützen sollen, nicht
       geschützt haben. Das sei noch Teil der Aufarbeitung und nicht für die
       Öffentlichkeit bestimmt.
       
       Allerdings bestätigten mehrere Quellen der taz, Tamara Zieschang habe in
       der vertraulichen Sitzung eingeräumt, dass das fragliche Polizeiauto 30
       Meter weiter weg als am vorgesehenen Standort stand und damit de facto
       nicht an der Zufahrt. Das berichtete auch der MDR am Montagabend. Auf
       taz-Nachfrage im Innenministerium und bei der Stadt Magdeburg wurde sich
       nicht geäußert, da es sich um laufende Ermittlungen handle.
       
       ## AfD verpasste relevante Information
       
       Wer das nicht mehr live mitbekam, waren die zuständigen Abgeordneten der
       AfD-Fraktion. Denn pünktlich um 17 Uhr ging die Sitzung in den
       nicht-öffentlichen Teil über, und beinahe genauso pünktlich um kurz nach 17
       Uhr begann die AfD Kundgebung vor dem gegenübergelegenen Magdeburger Dom.
       Darum verließen etwa die Fraktionsvorsitzenden Ulrich Siegmund und Oliver
       Kirchner sowie der Sprecher für Innenpolitik, Matthias Büttner, den
       Landtag, um auf die Bühne zu treten.
       
       Die AfD hatte eine Gedenkveranstaltung und einen Trauerzug angemeldet. Laut
       Polizei versammelten sich etwa 3.500 AfD-Anhänger:innen auf dem Domplatz.
       Einige waren vermummt, andere trugen rechte Szenekleidung. Die Reden auf
       der Bühne beschäftigten sich weniger mit dem Leid der Opfer und
       Hinterbliebenen, mehr mit klassischen AfD-Thesen: Migration sei die
       eigentliche Ursache für Anschläge, die Regierenden sollten zurücktreten und
       die Medien berichteten nicht die Wahrheit. „Wir möchten unser altes Land
       zurück“, beendete etwa Ulrich Siegmund seine Ansprache. Statt
       Gedenkveranstaltung wirkte es eher wie der Auftakt zur Bundestagswahl.
       
       Ebenfalls für die Kundgebung angekündigt: Kanzlerkandidatin Alice Weidel.
       Als sie nach etwa zwanzig Minuten die Bühne betrat, forderte Matthias
       Büttner als Moderator die Menge auf, vorab ausgeteilte Knicklichter zu
       zeigen, „denn die Knicklichter sind der richtige Empfang für unsere
       Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag“. Ein
       Teil der Menge skandierte zudem ihren Vornamen, während Weidel sich hinter
       das Redepult stellte. Auf dessen Vorderfront zu sehen: eine schwarze Kerze,
       flankiert vom AfD-Logo rechts und links.
       
       ## Alice Weidel macht rechten Wahlkampf
       
       Weidel betonte gleich zu Beginn, der Täter sei ein Islamist, der aus Hass
       „auf uns Menschen, auf uns Deutsche, auf uns Christen“ gehandelt habe. Dass
       der Täter sich über Jahre gegen den Islam engagierte und auch die AfD dabei
       lobend erwähnte, ließ sie aus. Stattdessen forderte Weidel eine „echte
       Aufklärung“ der Tat. „Dabei geht es nicht dumpfe Schuldzuweisung, unsere
       Polizisten leisten großartige Arbeit.“
       
       Die AfD-Fans vor der Bühne bestätigten ihre Rede mit kurzen Sprechchören:
       „Abschieben! Abschieben!“ Oder auch: „Wer Deutschland nicht liebt, soll
       Deutschland verlassen!“ Nach fast einer Stunde zog die AfD mit ihren
       Anhänger:innen für einen kurzen „Trauermarsch“ durch die Stadt. Von der
       Bühne kam noch der Hinweis, dabei auf Parolen zu verzichten, „auch wenn es
       einigen von euch schwerfällt. Aber wir müssen natürlich angemessen
       agieren“. Weil die ursprüngliche Route abgekürzt wurde, ging der Marsch
       schnell wieder zu Ende. Eigentlich wollte die AfD am Anschlagsort
       vorbeimarschieren.
       
       ## Zivile Akteure gedenken mit einer Lichterkette an Opfer des Anschlags
       
       Ein Bündnis ziviler Akteure hatte gleichzeitig zu einer Lichterkette um den
       leeren Weihnachtsmarkt aufgerufen. Mehrere Tausend Menschen kamen und
       umringten den kompletten Altmarkt. Dort bleiben auch nach der Aktion noch
       viele Menschen weiterhin mit den leuchtenden Kerzen in ihren Händen. Manche
       betrachteten still den Weihnachtsmarkt, andere unterhielten sich ruhig,
       wieder, andere weinten.
       
       Beim Dom lösten sich derweil aus der beendeten AfD-Kundgebung vereinzelte
       Gruppen heraus und liefen in Richtung des Weihnachtmarkts. Beobachtet von
       der Polizei grölten sie dabei Schmähgesänge über Linke und
       Antifaschist:innen.
       
       Die Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt und der Dachverband der
       fachspezifischen Opferberatungsstellen VBRG hatten vor rassistischen
       Angriffen und Bedrohungen gewarnt. Es drohe eine Eskalation „in Folge der
       Instrumentalisierung des Terroranschlags vom 20. Dezember durch die extreme
       Rechte und die AfD – sowohl in Magdeburg als auch darüber hinaus“, heißt es
       in einer gemeinsamen Pressemitteilung
       
       Nach gut 500 Metern stoppte die Polizei sie nahe der Straßenbahnhaltestelle
       Goldschmiedbrücke. Zwei schwarz gekleidete Personen nutzen den Moment, um
       auf das flache Dach des Wartehäuschens zu klettern und ein kleines Banner
       zu entrollen, mit der Aufschrift: „Keine Bühne für Faschismus“.
       
       Auf den Bürgersteigen vor und hinter ihnen sammelten sich offenbar
       Rechtsextreme und sangen „Antifa raus!“, was die beiden auf dem Dach mit
       „Nazis raus!“ beantworteten. Sie stiegen erst wieder herunter, nachdem die
       Polizei die rechten Gruppen zur Seite gedrängt hatte. Dann führte die
       Polizei allerdings auch sie weg. Neben Trauer war an diesem Abend in
       Magdeburgs Innenstadt vor allem Anspannung zu spüren.
       
       24 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR David Muschenich
       
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