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       # taz.de -- Inhaftierter Kurdenführer Öcalan: Frieden mit der Türkei ist möglich
       
       > Nach der türkischen Regierung stimmt der inhaftierte PKK-Chef Öcalan
       > einem neuen Friedensprozess zu. Zwei kurdische Politiker durften ihn
       > besuchen.
       
   IMG Bild: Bisher wurde PKK-Chef Ocalan auf Kundgebungen der Partei DEM nur als Flagge geschwenkt. Jetzt durften DEM-Politiker ihn besuchen
       
       Istanbul taz | Es ist noch ein langer Weg zum Frieden, aber ein erster
       Schritt scheint gemacht. Der Gründer und historische Chef der kurdischen
       Guerilla PKK (Kurdische Arbeiterpartei) in der Türkei, [1][Abdullah
       Öcalan], will sich an einem Friedensprozess mit der türkischen Regierung
       beteiligen. Das sagte er am Samstag den beiden Vertretern der prokurdischen
       Partei DEM (Partei für Emanzipation und Demokratie der Völker), Pervin
       Buldan und Sirri Süreyya Önder auf der [2][Gefängnisinsel Imrali]. Öcalan
       sitzt seit 1999 auf Imrali in weitestgehender Isolation in Haft.
       
       Buldan und Önder waren schon einmal zwischen 2013 und 2015 an einem Versuch
       beteiligt, einen Frieden zwischen der PKK und dem türkischen Staat
       auszuhandeln. Das scheiterte, einmal, weil der türkische Präsident Recep
       Tayyip Erdoğan das Interesse verlor, nachdem seine AKP (Partei für
       Gerechtigkeit und Aufschwung) bei Wahlen 2015 viele Stimmen an die
       ultranationalistische MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) verlor,
       aber auch weil die PKK damals angesichts ihrer Erfolge in Syrien mit der
       Gründung eines autonomen kurdischen Staates ihre Waffen nicht mehr abgeben
       wollte und stattdessen eine neue blutige Offensive im Südosten der Türkei
       startete.
       
       Jetzt gibt es eine völlig veränderte Lage. Außenpolitisch ist Erdoğan durch
       den Umsturz in Syrien gestärkt und bis zu den nächsten Wahlen hat er noch
       vier Jahre Zeit. Und dieses Mal hat er Ultranationalisten von Beginn an
       eingebunden. Nicht Erdoğan, sondern MHP-Chef Devlet Bahceli forderte im
       Oktober im türkischen Parlament Öcalan dazu auf, die PKK zur Niederlegung
       der Waffen aufzufordern, wofür er freigelassen werden könnte. Im November
       durfte ihn dann ein Neffe besuchen, dem Öcalan andeutete, er könne sich
       vorstellen mitzumachen, wenn die Bedingungen stimmen. Daraufhin beantragte
       die DEM eine Besuchserlaubnis. Am Samstag erfolgte dann das zweistündige
       Treffen von Buldan und Önder mit dem PKK-Chef.
       
       Am Sonntagvormittag veröffentlichten die beiden ein kurzes Statement, in
       dem es heißt, Öcalan sei bereit, einen positiven Beitrag zum „neuen
       Paradigma“ von Präsident Erdoğan und dessen Koalitionspartner Devlet
       Bahceli zu leisten. Damit ist ein erster Schritt zu einem neuen, möglichen
       Friedensprozess getan.
       
       ## Die PKK ist heute in der Defensive
       
       Anders als 2015, wo die PKK als Teil der internationalen Koalition gegen
       den „Islamischen Staat“ Reputation und Einfluss gewonnen hatte, ist sie
       jetzt in der Defensive. In der Türkei tritt sie als bewaffnete Gruppe kaum
       noch in Erscheinung und auch im Nordirak, wo sich seit Langem ihr
       Hauptquartier befindet, wird sie von türkischen Truppen immer häufiger
       angegriffen. Durch ihre Drohnen hat die türkische Armee in den Bergen die
       Oberhand gewonnen.
       
       Seit dem [3][Umsturz in Syrien] geraten auch der syrische PKK-Zweig PYD
       (Partei der Demokratischen Union) und ihre Miliz YPG
       (Volksverteidigungseinheiten) unter Druck. Die von der Türkei finanzierte
       Miliz SNA (Syrische Nationale Armee) [4][greift das YPG-Gebiet an], die
       türkische Armee zieht Truppen zusammen und die neue Regierung in Damaskus
       fordert von allen Milizen, also auch von der YPG, ihre Waffen abzugeben und
       sich in einer neuen gemeinsamen syrischen Armee zu integrieren.
       
       Wie regierungsnahe Journalisten in Ankara am Samstagabend in Talkshows
       verkündeten, muss Öcalan nun zeigen, welchen Einfluss er nach 25 Jahren
       Haft tatsächlich noch hat. Auf der anderen Seite dürfte Erdoğan und Bahceli
       klar sein, dass es für Frieden mehr bedarf als nur die Freilassung des
       nunmehr 76-jährigen Öcalan.
       
       29 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Abdullah_%C3%96calan
   DIR [2] https://en.wikipedia.org/wiki/%C4%B0mral%C4%B1_prison
   DIR [3] /Ende-des-Assad-Regimes/!6051443
   DIR [4] /Tuerkische-Besatzung/!6057608
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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