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       # taz.de -- Polen übernimmt EU-Ratspräsidentschaft: Sicherheit als Leitthema
       
       > Premierminister Donald Tusk strebt nach militärischer Sicherheit durch
       > Aufrüstung. Die dafür nötige Neuverschuldung stößt in der EU auf
       > Widerstand.
       
   IMG Bild: Polens Regierungschef Donald Tusk will den Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft auf das Thema Sicherheit legen
       
       Warschau taz | Polen übernimmt am 1. Januar 2025 turnusgemäß die
       EU-Ratspräsidentschaft vom Vorgänger Ungarn. Dem polnischen Leitthema
       „Sicherheit“ sollen in den nächsten sechs Monaten alle anderen EU-Themen
       untergeordnet werden. Donald Tusk, der liberal-konservative Premier Polens,
       strebt eine verstärkte militärische Sicherheit und Zusammenarbeit der
       EU-Staaten an.
       
       An zweiter Stelle soll die europäische Energiesicherheit stehen, die zwar
       den Klimawandel berücksichtigen, dabei aber die Kosten der Strom- und
       Wärmegestellung stärker gewichten soll. An dritter Stelle soll die
       Sicherheit des Wirtschaftsstandorts EU stehen, die Tusk durch die Stärkung
       der Marktkonkurrenz von EU-Produkten insbesondere gegenüber
       Nicht-EU-Staaten gewährleisten will.
       
       [1][Anders als der ungarische Premier Viktor Orban] wird Tusk die EU nicht
       mit eigenwilligen „Friedensmissionen“ und überraschenden Besuchen bei den
       Machthabern Russlands und Chinas irritieren. Aber schon seine Idee einer
       EU-Neuverschuldung, um die Aufrüstung an der Ostgrenze von Nato und EU zu
       finanzieren, stößt in nicht wenigen Mitgliedsstaaten auf Widerstand.
       
       ## Polen will Asylrecht begrenzt aufheben können
       
       Schwierig wird es auch bei der Asyl- und Migrationspolitik: Polen will den
       in der EU mühsam ausgehandelten Migrationspakt nicht mittragen und sogar
       das Asylrecht per Dekret „zeitlich und räumlich begrenzt“ aufheben können.
       Auch beim gerade erst ausgehandelten [2][EU-Mercosur-Freihandelsabkommen
       mit lateinamerikanischen Staaten stellt sich Polen quer].
       
       Tusk vertritt öffentlich die Position der polnischen Geflügelzüchter, die
       befürchten, ihre dominierende Rolle als größte Geflügelexporteure in der EU
       zu verlieren, sollte demnächst mehr Geflügel aus Lateinamerika in die EU
       importiert werden. Auf seiner Seite weiß der polnische Premier den
       Präsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron, der ebenfalls Nachverhandlungen
       fordert.
       
       Die französischen Rinderzüchter fürchten einen erheblichen Gewinneinbruch
       in der Hochpreis-Qualitätsklasse, sollten demnächst mehr argentinische
       Rindersteaks in den Kühlregalen der EU landen. Tusk wird das Abkommen zwar
       kaum verhindern können, doch bis zu dessen endgültiger Ratifizierung durch
       alle 27 Mitgliedsstaaten kann er das ganze Procedere noch erheblich
       verlangsamen,
       
       ## Vorbereitet sein auf außenpolitische Turbulenzen
       
       Anders als 2011, als Polen nach nur sieben Jahren Mitgliedschaft in der EU
       sehr viel Geld in die Vorbereitung der ersten polnischen
       EU-Ratspräsidentschaft steckte und alle Gipfel und Konferenzen minutiös
       plante, ist die Situation Anfang 2025 eine völlig andere. Polens
       Spitzenpolitiker und –beamten konnten in den letzten Jahren viel Erfahrung
       sammeln.
       
       Donald Tusk war sogar von 2014 bis 2019 Präsident des Europäischen Rates
       und gilt seitdem als einer der weltweit am besten vernetzten Politiker.
       Gelernt haben alle, dass eine gute Vorbereitung der EU-Gipfel zwar die
       halbe Miete ist, aber außenpolitische Turbulenzen das ganze Programm
       umwerfen können. Dann zählen vor allem starke Nerven und
       Improvisationstalent.
       
       Realistisch stellt sich Polen daher auf schwierige Zeiten ein: der
       russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht ins vierte Jahr, in den USA
       [3][droht der wiedergewählte republikanische Präsident Donald Trump mit
       einem schnellen Diktatfrieden] gegen die Ukraine und will selbst einen
       Zollkrieg gegen China und die EU ausrufen.
       
       Niemand kann zur Zeit vorhersehen, was für Folgen dies für die Sicherheit
       Europas und insbesondere der EU- und Nato-Frontstaaten im Osten für Folgen
       haben wird. Zudem schwächeln die beiden großen EU-Staaten Deutschland und
       Frankreich politisch und können derzeit ihre Führungsrolle nicht
       wahrnehmen.
       
       Dies ist für Polen sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung. Sollte
       Präsident Trump die Ukraine tatsächlich Putin überlassen, wäre das nicht
       nur fatal für die Ukraine, sondern auch brandgefährlich für Polen und die
       ganze EU. Immerhin könnte hier Polens Noch-Präsident Andrzej Duda – [4][im
       Mai 2025 wird sein Nachfolger gewählt] – all seinen Einfluss bei seinem
       „guten Freund Donald Trump“ geltend machen.
       
       1 Jan 2025
       
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