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       # taz.de -- Elon Musk und die Start-up-Szene: Idol oder Igitt?
       
       > Lange bevor rechte Politiker der Welt um ihn buhlten, hatte Elon Musk
       > seine ersten Fans in der Start-up-Szene. Sind dort noch welche übrig?
       
   IMG Bild: Kann man Musk bewundern und gleichzeitig verachten? Gäste mit einer Musk-Pappe bei der Eröffnung der Teslafabrik in Grünheide 2022
       
       Anton hat den ganzen Tag programmiert, jetzt musste er mal raus und unter
       Leute, sagt er. Deshalb ist er zum Founders Meetup gekommen, in eine
       Berliner Bar mit neonfarbenen Leuchtbuchstaben und Billardtisch. „Diese
       Gruppe ist für alle Start-up-Lover, die sich die Hände schmutzig machen und
       fantastische, skalierbare Unternehmen aufbauen wollen“ hieß es in der
       Einladung im Internet.
       
       Es ist Freitagabend, 19.30 Uhr. Einen Tag zuvor um dieselbe Uhrzeit
       [1][redeten Elon Musk und AfD-Chefin Alice Weidel auf X] darüber, dass man
       in deutschen Schulen nur Gender-Studies lerne und Hitler ein Kommunist war.
       Nun sitzen hier um den Billardtisch viele junge Menschen, die werden
       wollen, was Musk ist: Gründer. Sie tragen Sneaker, Beenies und Caps,
       sprechen Englisch und stellen sich nur mit Vornamen vor.
       
       In der Start-up-Szene war Musk lange ein Idol. Als CEO von Tesla, von Space
       X, als reichster Mensch der Welt. Hält dieser Ruf noch, jetzt, wo er sich
       über Jahre mehr und mehr [2][zur Hauptfigur einer transnationalen
       faschistischen Bewegung macht]?
       
       Anton arbeitet als Softwareentwickler bei einer Ärzteplattform, er ist zum
       Networken hier. Er will selbst gründen, irgendwas mit AI, künstlicher
       Intelligenz. Anton hat kurze blonde Haare und trägt ein weites Jackett mit
       drei goldgesäumten Broschen auf der linken Brust. Er ist Russe, vor knapp
       drei Jahren zog er mit Frau und Kind nach Berlin, als Russland die Ukraine
       überfiel.
       
       ## „Er verarbeitet Dinge viel schneller als normale Menschen“
       
       Ihm gegenüber sitzt Viany, blauer Pullunder und dichte Koteletten. Er
       arbeitet bei einer US-amerikanischen Plattform für Coaching und
       Selbstoptimierung. Viany hält Musk für superintelligent. „Er verarbeitet
       Dinge viel schneller als normale Menschen, schneller als du und ich.“ Einen
       leistungsfähigen Supercomputer habe Musk mit seiner KI-Forschungsfirma in
       nur 19 Tagen aufgebaut, andere Unternehmer bräuchten dafür Jahre.
       
       Ein Hocker ist noch frei, ein Mann mit schwarzem Pullover, weißem Bart und
       Halbglatze setzt sich dazu. „Hi, ich bin David, tagsüber Berater bei
       McKinsey, nachts Gründer.“ Viany nickt anerkennend. Auch David kann dem
       Unternehmer Musk etwas abgewinnen. Er findet es toll, dass Musk in seinem
       Unternehmen Arbeitssitzungen quasi abgeschafft hat. „Bei ihm gibt es keine
       Meetings, weil sie ineffizient sind.“ Aber politisch, tja, da sei er eben
       verrückt.
       
       Viany widerspricht. Gestern, im Gespräch mit Alice Weidel, hätten beide
       kluge Dinge gesagt, etwa dass Unternehmen wegen der hohen Energiepreise und
       der Bürokratie abwandern würden. Anton spielt am Handy und gähnt.
       „Milliardäre beeinflussen die Politik schon immer, er macht es halt offen.
       Er wird schon nichts Böses tun, das schafft niemand alleine“, endet Viany.
       
       ## Musk steht für eine Kultur der Männer, der Macher, der Egos
       
       Der Satz hängt in der Luft über dem Billardtisch, einen Moment ist es
       still. Viany schaut sich um. Er sieht viele kleine Grüppchen, die sich
       angeregt unterhalten. Es ist schwer zu sagen, ob er gerade lieber woanders
       sein würde. „Ich hasse Musk. Ich würde nie Tesla fahren“, sagt David, der
       McKinsey-Berater, der in der Nacht Gründer ist. Abrupt verabschiedet er
       sich und läuft zur Theke. Bier holen.
       
       Anton, der russische Programmierer, der die meiste Zeit aufs Smartphone
       geschaut hat, würde das Wort Hass nicht benutzen. Aber leiden kann er Musk
       eigentlich auch nicht. Er möge keine Chefs, die sich wichtiger nehmen als
       das Team. Musk hat immer wieder Mitarbeitende seiner Firmen beschimpft und
       beleidigt. Ein Unternehmen, sagt Anton, gründe und führe man aber nicht
       alleine.
       
       Das Hin und Her der Argumente ist so widersprüchlich wie die Werte der
       Start-up-Szene selbst. Eigentlich feiern viele Ratgeber echte Teamarbeit
       und flache Hierarchien als Voraussetzung für Erfolg. In der Öffentlichkeit
       ist vom Team Spirit dann aber oft nur noch ein einzelner Mann und seine
       Idee übrig.
       
       [3][Elon Musk steht für eine Kultur der Männer, der Macher, der Egos.] Die
       Zukunft? Machen wir. Die Regeln? Egal. Bei Musk hat das zu der
       rechtsextremen Dystopie geführt, dass reiche weiße Menschen einfach auf den
       Mars flüchten könnten. In der Start-up-Szene ist er schlicht zu einem
       Buzzword geworden. Eine Figur, zu der jeder und jede eine Meinung hat.
       
       Erin setzt sich auf den freigewordenen Hocker gegenüber von Viany beim
       Founders Meetup. Sie ist Produktdesignerin, schwarz gekleidet, deutscher
       Akzent, Weinglas in der Hand. Viany präsentiert die Themen: Musk, Coding,
       hohe Energiekosten für deutsche Unternehmen. Erin unterbricht ihn und legt
       sofort los: Musk sei böse, er unterstütze die Rechten, er wolle die
       Demokratie abschaffen.
       
       Viany sagt: „Jeder will seine Meinung mitteilen. Musk macht das auch, aber
       die Leute hören ihm zu, weil er Geld hat.“
       
       „Aber das, was er in die Welt setzt, ist falsch und schlecht“, erwidert
       Erin.
       
       „Hast recht, Lösungen für die Probleme unserer Zeit präsentiert auch er
       nicht“, stimmt Viany zu.
       
       ## Den Müll einfach ins Weltall schießen
       
       Wenn man die Menschen hier im Raum so reden hört, bekommt man den Eindruck,
       dass sie Musk als Gründer und Unternehmer respektieren, viele seine
       politische Haltung aber ablehnen. Was impliziert, dass sein Unternehmertum
       und seine politische Ideologie zwei getrennte Bereiche sind. Als sei er
       eine multiple Persönlichkeit, mal innovativer Unternehmer, mal rechter
       Verschwörungstheoretiker. Ja, der Musk ist ein bisschen durchgeknallt, aber
       wen kümmert’s? Das Narrativ vom besessenen Genie, vom egomanischen, aber
       erfolgreichen Unternehmer bleibt dabei immer noch ein gefährlich positives.
       
       Beim nächsten Getränk hat Viany sich endlich durchgesetzt, er will noch
       mehr über die hohen Energiekosten sprechen, die Unternehmen ins Ausland
       trieben. [4][Warum man nur hierzulande die Atomkraft abgeschaltet habe!]
       Anton schweigt.
       
       Erin sagt: „Atomkraft ist gefährlich und nicht nachhaltig.“
       
       „Gefährlich?“
       
       „Na, Tschernobyl zum Beispiel.“
       
       „Wo außer Tschernobyl?“
       
       „Fukushima.“
       
       „Okay, aber wo außer Tschernobyl und Fukushima?“
       
       „Und der Müll. Es gibt kein sicheres Endlager.“
       
       Da wird Anton wach. Den könne man doch ins Weltall schießen, sagt er.
       Atommüll im All – es ist am Ende des Abends noch eine dieser Ideen, die
       Musk wahrscheinlich gefallen würde.
       
       17 Jan 2025
       
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