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       # taz.de -- Prozess mit Comedy-Charakter: Gericht spricht Linken nur ein bisschen schuldig
       
       > Das Karlsruher Landgericht verurteilt den ehemaligen Linken-Abgeordneten
       > Michel Brandt wegen Führen verbotener kurdischer Symbole zu einer
       > Geldstrafe.
       
   IMG Bild: Michel Brandt bei einer Gegenkundgebung gegen einen von der Partei „Die Rechte“ organisierten Marsch durch Pforzheim
       
       Karlsruhe taz | Der [1][ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Michel
       Brandt] ist vom Landgericht Karlsruhe wegen des Führens von Symbolen einer
       verbotener Vereinigung zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt worden.
       Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, 2019 als
       Solidaritätsbekundungen für die autonome syrische Kurdenregion Symbole der
       Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK) als Illustration genutzt zu haben
       – und fast das Vierfache gefordert. Das Gericht geht in seinem Urteil nun
       davon aus, dass die KCK mit der PKK identisch ist.
       
       Das Strafverfahren gegen den früheren Parlamentarier ist ein Prozess, an
       dem die Comedians von Monty Python sicherlich ihre Freude gehabt hätten.
       Das Landgericht Karlsruhe versuchte die komplizierte Frage, ob KCK und PKK
       identisch sind, an einem Prozesstag zu klären, hantierte dafür mit
       Wikipedia-Artikeln und Organigrammen der jeweiligen Exekutiv-Komitees. Der
       Sachverständige des Bundesamtes für Verfassungsschutz – mit Tarnnamen und
       Perücke ausgestattet – glänzte eher mit politischen Schlussfolgerungen zum
       totalitären Charakter beider Organisationen als mit Detailinformationen zu
       möglichen Abgrenzungen oder Ähnlichkeiten. Und so steht die Frage im Raum,
       ob so ein Verfahren in diesen Feinheiten noch verhältnismäßig ist?
       
       Nicht verurteilt wurde Brandt für seinen Auftritt auf Kundgebungen in
       Karlsruhe und Straßburg, auf denen er als Bundestagsabgeordneter gesprochen
       hatte. Dort standen Fahnen mit den fraglichen Symbolen im Hintergrund.
       Brandt hatte die Bilder im Netz verbreitet. Der Linkenpolitiker betonte vor
       Gericht, das seien angemeldete Demonstrationen, auf denen andere
       Parlamentsabgeordnete und Gewerkschaftsvertreter gesprochen hätten, die
       später nicht angeklagt worden seien.
       
       Ihm werde nicht vorgeworfen, zu Terror oder anderen verbotenen Taten
       aufgerufen zu haben, er habe allein gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe
       der Türkei auf die autonome Kurdenregion Rojava und gegen die deutschen
       Waffenlieferungen in die Region protestiert. „Warum sitze ich also hier?“,
       fragte Brandt empört. Über den Verfolgungsdruck, den die Staatsanwaltschaft
       über Jahre gegen ihn aufgebaut habe, könne er sich nur wundern.
       
       Das Verfahren gegen Brandt zieht sich bereits seit Jahren hin. Einen
       Strafbefehl der Staatsanwaltschaft über 14.000 Euro, der wegen der
       Internetveröffentlichung ergangen war, hatte Brandt nicht akzeptiert, und
       war schon nach dem Strafbefehl vor das Amtsgericht gezogen. Dort hatte er
       einen Teilfreispruch erzielt. Die Geldstrafe für Brandt wurde damals auf
       4.700 Euro reduziert.
       
       ## „Ball flach halten“
       
       Dagegen hatten der Politiker wie auch die Staatsanwaltschaft jedoch
       Berufung eingelegt. Bei einem ersten Termin vor dem Landgericht hatte der
       Richter eine Einstellung des Verfahrens angeregt, was die
       Staatsanwaltschaft aber ablehnte.
       
       In der Urteilsbegründung sagte Richter Arndt Zimmermann, die Kammer wolle
       „den Ball strafrechtlich flach halten“, man müsse aber von bedingtem
       Vorsatz ausgehen, weil jemand wie Brandt, der sich mit der Materie
       beschäftigt habe, die Bedeutung der Symbole kennen könnte. Gleichzeitig
       habe sich sein Anliegen, auf die Menschenrechtslage in Kurdistan aufmerksam
       zu machen, im Sinne der Meinungsfreiheit strafmildernd ausgewirkt.
       
       Brandt hatte schon früher Probleme wegen des Zeigens kurdischer Symbole.
       Während des Erdoğan-Staatsbesuchs 2018 entfernte die Bundestagspolizei
       eigenmächtig kurdische Embleme aus seinem Büro, ohne Brandt vorher zu
       kontaktieren. Das Bundesverfassungsgericht entschied, [2][dass dies nicht
       verhältnismäßig war und seine Abgeordnetenrechte verletzt wurden].
       
       Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes haben wir
       die Polizeibehörde, die Embleme aus dem Büro des Abgeordneten entfernt hat,
       falsch bezeichnet. Wir bitten, dies zu entschuldigen.
       
       23 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
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