URI: 
       # taz.de -- Tracking-Cookies: Die Agenten, die unser Internet zerstörten
       
       > Tracking-Cookies hatten ihren Anteil an der Zerstörung des freien Netzes.
       > Unser Kolumnist hat im Streit um sie auch einen Freund verloren.
       
   IMG Bild: „Das Netz war Ende der 1990er noch ziemlich anarchisch unsortiert“
       
       Man kann Scheiße die buntesten Namen geben, es wird doch keine Zuckerwatte
       draus. Als ich das erste Mal von Tracking-Cookies hörte, da nannte man die
       noch Agenten. Ich hatte meinen Freund Robert* gefragt, was er denn so
       machte zum Abschluss seines Informatikstudiums. Sehr stolz erzählte er von
       diesem völlig neuen Konzept der Agenten.
       
       Ganz kleine Anker sollten das sein, die Nutzerverhalten online beobachtbar
       und analysierbar machen würden. Die wären überall dabei, könnten jeden
       Klick registrieren und speichern. So ließen sich zum Beispiel Empfehlungen
       für bestimmte Inhalte im Internet geben, meinte Robert mit leuchtenden
       Augen.
       
       Unsere Freundschaft litt erheblich unter dem Gespräch, das dann folgen
       sollte. Das Netz war Ende der 1990er noch ziemlich anarchisch unsortiert
       und ich mochte das. Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen,
       wofür die Agenten benutzt werden könnten und dass da genug Potenzial zur
       Zerstörung des freien Netzes drin steckte.
       
       In jugendlicher Rigorosität war ich der festen Überzeugung, dass man sich
       unter gar keinen Umständen auf die Seite der kapitalistischen Überwachung
       schlagen dürfte und teilte das auch mit; wahrscheinlich ohne auf eine
       sonderlich zivile Wortwahl zu achten.
       
       ## Das Internet könnte ein Haufen Hippies sein
       
       „Aber du siehst einfach immer nur das Negative.“ Das stimmt wohl, aber ich
       verstehe bis heute nicht, warum das als Nachteil geführt wird. Es soll ja
       sogar Leute geben, die glauben, dass Kassandra ein Schimpfwort ist. Sie
       übersehen dabei, dass die Tochter des Priamos halt immer recht hatte mit
       ihren unschönen Visionen.
       
       Ich sag’s mal so: Troja könnte noch immer eine florierende Stadt sein. Und
       das Internet ein bunter Haufen Hippies. Grimmige Hippies, mit eher
       negativen Einstellungen zu allem Möglichen, ok, aber immerhin wäre Amazon
       nur das englische Wort für einen Wald in Brasilien, [1][Elon müsste sein
       Dasein mit den kümmerlichen Alimenten aus der väterlichen Diamantenmine
       fristen] und Google wäre eine Suchmaschine.
       
       Robert und ich jedenfalls sahen uns mit der Zeit seltener, beide mit kaum
       kompatiblen Missionen in der Weltgeschichte unterwegs. Wenn wir uns trafen,
       erzählte er von [2][Meetings mit Konzernbossen]. Wie er dort fünf Minuten
       hatte, um ein Projekt zu pitchen. Fünf Minuten, in denen über
       Hunderttausende Mark entschieden wurde.
       
       Ich erinnere mich nicht mehr, wer von uns beiden zuerst nicht mehr ans
       Telefon ging. Robert, hochintelligent und eloquent wie er schon immer war,
       verkaufte sich, [3][seine Agenten] und schließlich sein Start-up zu einem
       guten Preis.
       
       Beim Besuch jeder beliebigen Website ploppt ja regelmäßig die Frage auf
       nach der Zustimmung zur Verarbeitung meiner Daten durch 173 oder so
       Partner. Da muss ich häufig an meinen alten Freund Robert denken und mir
       kommen Tränen in die Augen.
       
       Den Cookie, der meine Präferenzen dann speichert, nenne ich Zuckerwatte.
       Klingt doch netter als fckrbrt1485consentx.
       
       *Name geändert
       
       19 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Elon-Musk-und-die-Start-up-Szene/!6059576
   DIR [2] /Mark-Zuckerberg-schafft-Faktenchecks-ab/!6058253
   DIR [3] /James-Bond/!6058134
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Autokorrektor
   DIR Internetnutzung
   DIR Elon Musk
   DIR Social-Auswahl
   DIR Kolumne Autokorrektor
   DIR Kolumne Autokorrektor
   DIR wochentaz
   DIR Mark Zuckerberg
   DIR Kolumne Autokorrektor
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Umgang mit digitaler Abhängigkeit: Nicht sicher, aber immerhin souverän
       
       Digitale Infrastrukturen sind fragiler, als wir denken. Zeit, sich
       unabhängig zu machen – für mehr digitale Souveränität in unsicheren Zeiten.
       
   DIR Auch wenn der Algorithmus anderes sagt: Du bist perfekt
       
       Dieser Satz sollte zu einem Mantra werden. Denn im Internet wird jeder
       Zweifel daran genutzt, um Profit aus deiner Unsicherheit zu schlagen.
       
   DIR Elon Musk und die Start-up-Szene: Idol oder Igitt?
       
       Lange bevor rechte Politiker der Welt um ihn buhlten, hatte Elon Musk seine
       ersten Fans in der Start-up-Szene. Sind dort noch welche übrig?
       
   DIR Mark Zuckerberg schafft Faktenchecks ab: Der reichste Bierpong-MC der Welt
       
       Er wolle zu den Wurzeln zurückkehren, begründet der Meta-Chef den scharfen
       Rechtsdreh auf seinen Plattformen. Warum das nicht einmal gelogen ist.
       
   DIR James Bond: Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
       
       Unser Autor wünscht sich einen neuen, klassischen Bond. Seit die
       Techno-Fascho-Milliardäre durchdrehen, wähnt er sich hier auf der richtigen
       Seite.