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       # taz.de -- Abschiebegefängnis in Baden-Württemberg: Afghanen protestieren mit Hungerstreik gegen Abschiebung
       
       > Mit einem Hungerstreik protestieren sieben Männer in Pforzheim gegen ihre
       > geplante Rückführung nach Afghanistan. Sie fürchten Strafen und
       > Verfolgung durch die Taliban.
       
   IMG Bild: Polizisten im Abschiebeflug von 45 abgelehnten Asylbewerbern von Leipzig nach Kabul, Juli 2019
       
       Berlin taz | Im Abschiebegefängnis in Pforzheim in Baden-Württemberg sitzen
       seit Anfang August sieben Männer, die nach Kabul abgeschoben werden sollen.
       Mit einem Hungerstreik protestieren sie seit der vergangenen Woche dagegen.
       
       Einer der Inhaftierten ist Zahidullah Kharotay. Außer Medikamenten nehme
       die Gruppe nichts zu sich, sagte er der taz am Telefon. Ärzte würden den
       Blutdruck der Streikenden täglich kontrollieren, ansonsten gebe es keinen
       Kontakt mit Vertretern der Behörden. „Bisher ist keiner zu uns gekommen.
       Wir haben Schmerzen, können kaum noch laufen, aber wir machen weiter,“ sagt
       er.
       
       Alle sieben lebten zuletzt in Baden-Württemberg. Es handele sich „um
       schwere Straftäter, die u.a. wegen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten
       rechtskräftig zu Freiheitstrafen verurteilt wurden“, sagte ein Sprecher des
       für Abschiebungen zuständigen Landesministeriums für Justiz und Migration
       in Stuttgart. Was sich eine Person mindestens zuschulden kommen lassen
       muss, bevor das Bundesland eine Abschiebung in das von den Taliban
       beherrschte Land in Betracht zieht, wollte der Sprecher nicht sagen.
       Allerdings gehe es „prioritär (um) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe
       verurteilte“ Personen.
       
       Nach Kharotays Angaben fürchten die Inhaftierten Strafen und Verfolgung
       durch die Taliban. In seinem Fall etwa habe seine Familie eine Nachricht
       erhalten, dass er gesucht werde. Zwei seiner Geschwister seien bereits von
       den Islamisten getötet worden. Kharotay kam im Dezember 2015 nach
       Deutschland, ein erster Asylantrag sei 2017 wegen Straffälligkeit abgelehnt
       worden, eine Arbeitserlaubnis habe er nie erhalten.
       
       ## „Nornalisierung des Taliban-Regimes“
       
       Kharotay sagt, er wurde nach einem Gerichtstermin in Tübingen am 3. Januar
       festgenommen und nach Pforzheim gebracht. Zuvor habe er in Reutlingen
       gelebt. Kharotay hat nach eigenen Angaben in den Jahren 2017 und 2021 zwei
       Haftstrafen wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung verbüßt, sei jedoch
       wegen guter Führung vorzeitig entlassen worden und habe in Haft eine
       Therapie gemacht. Am 16. Januar 2024 sei sein Sohn geboren worden, mit dem
       er weiter Umgang habe. Er wolle bei ihm leben, habe aber kein Geld, um
       einen Anwalt zu bezahlen, der ihm helfe, dies durchzusetzen.
       
       „Angesichts der dramatischen Situation vor Ort sind Abschiebungen nach
       Afghanistan unverantwortlich“, sagte Sadiq Zartila vom Flüchtlingsrat
       Baden-Württemberg. Es gebe eine „akute Bedrohung von Leib und Leben“.
       Selbst, wenn Menschen Straftaten begangen haben, müssten diese im Rahmen
       des Rechtssystems hier bestraft werden, so Zartila. Mit Abschiebungen in
       das Land leiste Deutschland einen „wesentlichen Beitrag zur Normalisierung
       des Taliban-Regimes auf internationaler Bühne“. Mit der neuen Abschiebung
       solle vor der Bundestagswahl „migrationspolitische Härte“ demonstriert
       werden.
       
       Einen für die sieben Männer in Pforzheim geplanten Abschiebetermin nannte
       die Landesregierung nicht. Zur operativen Durchführung der Abschiebung sei
       Baden-Württemberg – wie bei der letzten Abschiebung im Sommer 2024 – „auf
       die Durchführung der Maßnahme durch den Bund angewiesen“, hieß es.
       
       Im August 2024 hatte Deutschland erstmals seit Machtübernahme der Taliban
       im August 2021 wieder Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Damals waren
       28 Männer, die Straftaten begangen hatten, über den Flughafen Leipzig-Halle
       abgeschoben wurden. Das Golfemirat Katar hatte die Aktion vermittelt und
       auch den Flug übernommen. Bis heute ist unklar, welche Gegenleistung die
       Taliban für die Rücknahme bekommen hatten.
       
       Die CDU will dies nach einer Regierungsübernahme fortsetzen. „Wir sind in
       der Union ja schon seit längerer Zeit der Auffassung, dass man nach
       Afghanistan und nach Syrien grundsätzlich abschieben kann und sollte. Das
       würden wir machen“, sagte Kanzlerkandidat Friedrich Merz Ende Dezember.
       
       21 Jan 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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