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       # taz.de -- Verfolgung im Iran: Bundesamt spielt Inquisition
       
       > Als Christin droht Roza Moheb im Iran Verfolgung, auch ihr Vater bedroht
       > sie mit dem Tod. Dem BAMF reicht das nicht als Asylgrund.
       
   IMG Bild: Seit es keinen Abschiebestopp in den Iran mehr gibt, liegt es im Ermessen der Bundesländer, ob sie in den Iran abschieben
       
       Hamburg taz | Wie kann man einer Behörde gegenüber beweisen, dass man aus
       tiefstem Herzen gläubig ist? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
       (Bamf) glaubt der Iranerin Roza Moheb nicht, dass sie wirklich an den
       christlichen Gott glaubt. Auch andere Gründe, wie Todesdrohungen ihres
       Vaters, der Kopftuchzwang und die allgemeine Unfreiheit von Frauen im Iran
       reichen nach Ansicht der Behörde nicht aus, ihr einen Flüchtlingsstatus in
       Deutschland zu gewähren.
       
       „Der Antrag wird als offenkundig unbegründet abgelehnt“, steht in dem
       Entscheid, und: „Die Antragstellerin wird aufgefordert, die Bundesrepublik
       Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Sollte sie diese Frist
       nicht einhalten, wird sie abgeschoben.“
       
       Abgeschoben wurde Roza Moheb bislang nicht. Zwar gilt seit dem 1. Januar
       2024 kein bundesweiter Abschiebestopp mehr, sondern es liegt im Ermessen
       der Bundesländer, ob sie Abschiebungen in den Iran für zumutbar halten. Aus
       Hamburg wurde im vergangenen Jahr nur eine Person in den Iran abgeschoben –
       der Leiter des [1][seit Juni verbotenen Islamischen Zentrums Hamburg,
       Mohammad Hadi Mofatteh]. Allerdings war das keine klassische Abschiebung,
       sondern eine „Ausweisung aus sicherheitsrelevanten Gründen.“ Anfang 2024
       antwortete der Senat auf eine Anfrage der Linksfraktion, dass Abschiebungen
       in den Iran „derzeit nicht realistisch“ seien.
       
       Auf Nachfrage der taz, ob das immer noch gelte, sagte eine Sprecherin der
       Innenbehörde: „Nach wie vor sollen vollziehbar ausreisepflichtige Personen
       grundsätzlich zurückgeführt werden. Die Rückführbarkeit von Personen in den
       Iran ist allerdings weiterhin wenig realistisch.“
       
       ## Angst um ihre Tochter im Iran
       
       Roza Moheb will sich darauf nicht verlassen. Sie klagte gegen die Ablehnung
       ihres Asylantrags. Das Hamburger Verwaltungsgericht entscheidet am heutigen
       Mittwoch über ihren Fall. Doch Moheb geht es nicht nur um einen
       Abschiebestopp oder subsidiären Schutz, sondern um den Status als
       Flüchtling nach der Genfer Konvention – denn [2][nur dann ist eine
       Familienzusammenführung] mit ihrer 15-jährigen Tochter möglich.
       
       „Seit sechs Jahren konnte ich meine Tochter nicht sehen, ich mache mir
       große Sorgen um sie“, sagt Moheb. Einmal habe die iranische Polizei die
       Jugendliche schon aus der Schule geholt und verhaftet. Sie hatte „Jina
       Mahsa Amini“ an eine Wand geschrieben, deren gewaltsamer Tod Massenproteste
       im Iran auslösten. Roza Mohebs Ex-Mann sei ein zusätzliches
       Sicherheitsrisiko für die gemeinsame Tochter: Er arbeite für das
       Mullah-Regime.
       
       Moheb ist seit 2018 in Deutschland und kämpft seitdem für die Anerkennung
       nach der Genfer Flüchtlingskonvention. In Deutschland ließ sie sich taufen
       und engagierte sich in einer Kirchengemeinde. Sie kochte in einer
       Einrichtung für Menschen mit Behinderung, kümmerte sich um eine Dame im
       Rollstuhl, engagierte sich in einem Musiktheaterprojekt und beim
       Gemeindejubilläumsfest. Moheb hat sogar eine App auf dem Handy, die sie
       mehrfach täglich ans Bibellesen und Beten erinnert.
       
       Doch dem Bamf reicht das alles nicht. Ihr Christentum sei nicht
       „identitätsprägend“, argumentiert die Behörde. Die Anforderungen für eine
       Flüchtlingsanerkennung aus religiösen Gründen sind hoch – man muss frommer
       sein als durchschnittliche Christ*innen. Moheb versteht das nicht. „Wie
       soll ich meine innere Überzeugung beweisen? Ich kann ja nicht mein Herz
       zeigen“, sagt sie.
       
       ## Der Vater drohte, sie mit dem Auto zu überfahren
       
       Das Bamf legt Moheb außerdem negativ aus, dass sie bei einer Anhörung
       angegeben hatte, nicht nur religiös motivierte Verfolgung zu befürchten,
       sondern auch die sozialen Umstände im Iran insgesamt. Moheb hatte
       angegeben, dass ihr im Iran die Steinigung drohe: Als getrennte Frau, die
       in Deutschland mit einem neuen Partner zusammenlebt, gelte sie dort als
       Sünderin.
       
       Zudem wolle sie sich nicht immer nach strengen islamischen Vorgaben kleiden
       und in ständiger Angst leben, etwas falsch gemacht zu haben und dafür
       getötet zu werden. Ihr Vater, der bei den Revolutionsgarden arbeite, habe
       gedroht, sie mit dem Auto zu überfahren, um sie zu töten. Mohebs
       Psychotherapeutin bestätigte in einer früheren Gerichtsanhörung, dass die
       Drohungen des Vaters oft Thema in den Sitzungen seien und die Patientin
       sehr belasteten.
       
       Auch Mohebs Anwältin Mona Biglari versteht nicht, warum der Bundesbehörde
       die Asylgründe, die sie mit ihrer Mandantin angeführt hat, nicht
       ausreichen. „Wie kann man einer Mutter, die seit sechs Jahren verzweifelt
       versucht, ihre jugendliche Tochter aus der islamischen Republik Iran zu
       retten, so viele Steine in den Weg legen?“, fragt sie.
       
       Tarek Alaows, Sprecher von Pro Asyl, weist auf die Gefahr hin, die
       konvertierten Christ*innen und exilpolitisch engagierten Iraner*innen
       bei einer Rückkehr in die islamische Republik droht. „Wir sprechen hier
       über ein islamistisches Regime, das gnadenlos Menschen hinrichtet und
       keinerlei Freiheitsrechte gewährt“, sagt Alaows.
       
       22 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Islamisches-Zentrum-verboten/!6022771
   DIR [2] /Familiennachzug-fuer-Gefluechtete/!6037391
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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