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       # taz.de -- Mutmaßlich korrupter Staatsanwalt: Ein Staatsanwalt auf der Anklagebank
       
       > Ein Kokainkartell, ein Boxcoach, ein verhafteter Staatsanwalt und eine
       > dubiose IT-Firma – in Hannover nimmt ein Korruptionsskandal bizarre
       > Ausmaße an.
       
   IMG Bild: Da sind noch viele Fragen offen bei der Staatsanwaltschaft Hannover, findet nicht nur die CDU
       
       Hannover taz | Ein Staatsanwalt, der im Verdacht steht, Informationen an
       ein [1][Drogenkartell] verkauft zu haben. Eine IT-Firma, die von einem der
       beteiligten Drogenhändler gegründet wurde und jahrelang Polizei- und
       Justizbehörden beraten haben soll. In Niedersachsen nimmt ein
       Korruptionsskandal immer bizarrere Ausmaße an.
       
       [2][Schon zum zweiten Mal musste das Justizministerium nun den
       Rechtsausschuss unterrichten]. Denn – das ist die Neuigkeit in diesem
       Verfahren – die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat ihre Anklageschrift fertig
       gegen den 39-jährigen Staatsanwalt, der seit Ende Oktober in Haft sitzt.
       
       In 14 Fällen glauben die Ermittler ihm nachweisen zu können, dass er
       Informationen an die Drogendealer weitergegeben hat, sie vor
       Überwachungsmaßnahmen, Razzien und Haftbefehlen warnte. Ihm wird deshalb
       Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, Verletzung des
       Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen.
       
       Und zwar bei jenem Kartell, das schon einmal für Schlagzeilen gesorgt
       hatte. Nämlich mit dem [3][spektakulären Fund von 16 Tonnen Kokain im
       Hamburger Hafen]. Neben dem Staatsanwalt auf der Anklagebank: Sein
       Boxtrainer.
       
       ## Verdächtige IT-Firma beriet Justiz und Polizei
       
       Er soll der Vermittler zwischen dem Beamten und den Drogenhändlern gewesen
       sein, soll Informationen und Geld hin und her geschafft haben. „Cop“ und
       „Coach“ heißen die beiden in den verschlüsselten Chats der Ganoven, die
       Teil der Ermittlungsakten sind.
       
       Aber sind diese beiden wirklich die einzigen Maulwürfe? Schon in der
       vergangenen Woche hatte es eine großangelegte Durchsuchung bei einer
       IT-Firma in Celle gegeben. [4][Eine NDR-Recherche brachte ans Licht,] dass
       die in engem Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlich
       korrupten Staatsanwalt steht.
       
       Die Firma wurde von einem der verurteilten Drogenhändler gegründet, er
       schied dort erst 2021 aus, seither wird sie von Verwandten geführt. Und
       diese Firma ergatterte eine ganze Reihe von Beraterverträgen mit der
       Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) in Hannover und mit dem
       Zentralen IT-Betrieb der niedersächsischen Justiz (ZIB), wie
       Innenministerium und Justizministerium widerwillig einräumen mussten.
       
       Der NDR zitiert außerdem eine Zeugenaussage, die schon sehr früh im
       Ermittlungsverfahren gegen das Drogenkartell entstanden sein soll. Damals
       wollte einer der Inhaftierten auspacken – aber um jeden Preis verhindern,
       dass die Aussage im IT-System landete, weil er dort ein Leck befürchtete.
       
       Für die Opposition ist diese Geschichte natürlich ein gefundenes Fressen.
       Vor allem Carina Hermann (CDU), bis 2018 selbst Richterin am Landgericht
       Göttingen, dann Referatsleiterin im Justizministerium und deshalb mit
       Verfahrensfragen bestens vertraut, bohrt unnachgiebig in den
       offensichtlichen Lücken in der Darstellung des Ministeriums.
       
       ## Auch bei der Polizei problematische Fälle
       
       Warum wurde das Ermittlungsverfahren gegen diesen Staatsanwalt 2022
       eingeleitet, 2023 eingestellt und dann 2024 wieder aufgenommen? Wie konnte
       er so lange noch in führender Position in der Abteilung für
       Betäubungsmitteldelikte zuständig bleiben? Warum wurden die internen
       Ermittlungen nicht an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben? Hätte die
       IT-Firma vor der Auftragsvergabe gründlicher überprüft werden müssen? Auf
       welche Systeme und welche Daten hatte sie Zugriff?
       
       Hermann nimmt auch Bezug auf zwei Verfahren gegen Polizisten, die in den
       vergangenen Wochen öffentlich wurden. Am 17. Januar [5][gab die
       Staatsanwaltschaft Hannover bekannt, dass sie gegen zwei Polizisten
       ermittelt], die Bestechungsgelder von Drogendealern im Steintorviertel
       angenommen haben sollen.
       
       Ein Oberkommissar sitzt deshalb in U-Haft. In der Woche davor war [6][vor
       dem Landgericht Hannover ein ehemaliger Polizist verurteilt worden], der
       Informationsabfragen aus polizeilichen Auskunftssystemen im Darknet gegen
       Bitcoin verkauft hatte.
       
       Diese Fälle sollen zwar inhaltlich gar nicht im Zusammenhang mit den
       Ermittlungskomplexen zum Drogenkartell stehen – ploppen aber zu einem
       ungünstigen Zeitpunkt auf. Und – so betont Hermann – da müsse man sich
       schon fragen, ob es hier grundsätzliche Sicherheitslücken gebe, die zu
       stopfen wären.
       
       Und ob die Innen- und die Justizministerin das Ganze hinreichend ernst
       nehmen: „Wir sind jedenfalls sehr verwundert, dass die Unterrichtung heute
       weder durch die Ministerin noch durch den Staatssekretär erfolgte, sondern
       lediglich durch eine Referatsleiterin“, sagt Hermann.
       
       24 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Drogenkartelle-in-den-Niederlanden/!6014600
   DIR [2] /Rekord-Kokainfund-im-Hamburger-Hafen/!6047721
   DIR [3] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/50367/4847014
   DIR [4] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Behoerdenleck-im-Kokain-Verfahren-Razzia-bei-IT-Firma-in-Celle,razzia2402.html
   DIR [5] https://staatsanwaltschaft-hannover.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/polizeibeamter-der-polizeidirektion-hannover-wegen-des-verdachts-der-bestechlichkeit-im-besonders-schweren-fall-in-untersuchungshaft-238738.html
   DIR [6] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Hannover-Ehemaliger-Polizist-wegen-Bestechlichkeit-verurteilt,polizist346.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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