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       # taz.de -- Unter Syriens neuer Regierung: Aus für Moskaus Mittelmeerhafen
       
       > Die neue syrische Regierung kündigt den Pachtvertrag eines russischen
       > Unternehmens für den Hafen in Tartus. Russland verliert damit seine
       > einzige Marinebasis im Mittelmeer.
       
   IMG Bild: Die Barrieren am Hafen von Tartus zeigten auch nach dem Fall von al-Assad die alte syrische Fahne, hier am 18. Dezember 2024
       
       Damaskus taz | Nach einem halben Jahrhundert könnte nun die russische
       Anwesenheit an der syrischen Küste zu Ende gehen. Am Montag kündigte die
       neue syrische Regierung unter Ahmed al-Scharaa an, den Pachtvertrag mit dem
       Unternehmen Stroytransgaz im Hafen der [1][Küstenstadt Tartus] zu beenden.
       Seit 1977 unterhält die erst sowjetische und dann russische Marine dort
       einen Stützpunkt, den Hafen nutzte sie seit 1971. Vor wenigen Jahren hatte
       Syrien einen Vertrag unterschrieben, der Russland die Nutzung der Basis für
       weitere 49 Jahre erlaubte und russische Investitionen in Höhe von 500
       Millionen US-Dollar für die Modernisierung und den Ausbau des Hafens
       vorsah. Der Hafen von Tartus war für die russischen Seestreitkräfte die
       einzige Basis im Mittelmeer und ein wichtiger Knotenpunkt, um in Nordafrika
       zu agieren und Marineschiffe in der Region zu versorgen und reparieren.
       
       Unter der Familie al-Assad, die das Land 54 Jahre lang autoritär regierte,
       hatten sich die Beziehungen Syriens zu Russland intensiviert. [2][Auch dank
       der militärischen Unterstützung aus Moskau] konnte sich das syrische Regime
       in den Jahren des [3][Bürgerkriegs] an der Macht halten.
       
       Nach dem Sturz al-Assads Anfang Dezember durch eine Rebellenkoalition,
       angeführt von der islamistischen Gruppe Hai’at Tahrir asch-Scham unter
       al-Scharaa, verbreiteten sich in der Hafenstadt schnell Gerüchte über einen
       bevorstehenden russischen Abzug. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte
       Assads Familie nach dem Machtwechsel Asyl gewährt. Mitte Dezember verlegte
       Russland dann ohne offizielle Ankündigung mehrere Kriegsschiffe, die vor
       Tartus vor Anker lagen, an unbekannte Orte. Die nun erfolgte
       Vertragskündigung kam daher nicht überraschend.
       
       Ukrainischen Medienberichten zufolge soll Russland bereits Anfang Januar
       teure, möglicherweise militärische Ausstattung an einem Kai in Tartus
       gesammelt haben. Die [4][neue syrische Verwaltung] soll jedoch ein
       russisches Frachtschiff an der Einreise gehindert haben. Am Dienstag
       zirkulierten dann mehrere Meldungen in Onlinemedien und -netzwerken, das
       Schiff habe nun in Tartus angelegt. Riad Judy, Direktor der Hafenbehörde in
       Tartus, erklärte nun der Zeitung Al-Watan, dass „alle Einkünfte aus den
       Hafengeschäften ab jetzt den Interessen des syrischen Staates dienen
       werden“.
       
       Was das für Russland auf geopolitischer Ebene bedeutet, ist noch unklar.
       Sicher ist, dass der Hafen von Tartus ein wichtiger Stützpunkt für die
       russische Marine im Mittelmeer war und sein Verlust ein harter Schlag für
       Putins Seestreitkräfte sein könnte. Noch im Dezember hatte Russlands
       Vize-Außenminister Michail Bogdanow dem US-Medium Bloomberg gesagt, dass
       Russland seine zwei Marine- und Luftbasen in Syrien behalten wolle.
       
       Russland unterhält in Syrien außerdem einen Luftstützpunkt in Latakia, die
       Khmeimim-Luftbasis. Von dort aus flog es Luftangriffe auf Stellungen von
       Terrorgruppen wie dem „Islamischen Staat“ sowie oppositionellen Rebellen
       während des syrischen Bürgerkriegs. Noch ist die Basis in Betrieb, doch die
       Zukunft von Russlands Anwesenheit in Syrien ist nun noch ungewisser. Es sei
       klar gewesen, dass Moskau irgendwann die Vorteile, die es unter al-Assad
       genoss, verlieren, sagt der Geopolitik- und Nahost-Experte Amer
       al-Sabaileh. „Die Syrer*innen wissen, dass der Weg zur Aufhebung der
       Sanktionen durch die USA und den Westen verläuft. Aber Russland wird
       weiterhin versuchen, politisch und diplomatisch anwesend zu sein, auch um
       einen Nutzen beim Wiederaufbau Syriens zu haben.“
       
       22 Jan 2025
       
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