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       # taz.de -- Neue Afrikapolitik der Bundesregierung: Angekommen in der „multipolaren Welt“
       
       > Kurz vor der Bundestagswahl stellt die Bundesregierung neue
       > „afrikapolitische Leitlinien“ vor. Darin löst „gegenseitiger Respekt“
       > Forderungskataloge ab.
       
   IMG Bild: „Welt im Wandel“: Olaf Scholz beim gemeinsamen Partnerschaft-Gestalten in Senegal mit dem damaligen Präsidenten Macky Sall, 2022
       
       Berlin taz | Es ist nicht selbstverständlich, dass Afrika in globalen
       Konflikten auf der Seite des Westens steht: vor dem Hintergrund dieser
       Erkenntnis hat die deutsche Bundesregierung am Mittwoch [1][neue
       „afrikapolitische Leitlinien“] verabschiedet.
       
       Das im Auswärtigen Amt erarbeitete Dokument „Gemeinsam Partnerschaften
       gestalten in einer Welt im Wandel“ löst die [2][Leitlinien aus dem Jahr
       2014] ab, die 2019 unter dem Titel [3][„Eine vertiefte Partnerschaft mit
       Afrika“] überarbeitet worden waren.
       
       Während 2014 Afrika noch als „Kontinent der Zukunft und der Chancen“
       bezeichnet worden war und 2019 vor dem Hintergrund des Mali-Einsatzes der
       Bundeswehr sicherheitspolitische Zusammenarbeit im Vordergrund stand,
       werden diese beiden Zugänge heute vor der konstatierten Schwächung des
       „globalen Westens“ sanft beiseitegeschoben.
       
       Afrika „entwickelt sich immer mehr zu einem Gravitationszentrum in einer
       multipolaren Welt“, heißt es einleitend. Deutschland will mit afrikanischen
       Partnern gemeinsame Interessen definieren und gemeinsam „globale
       Herausforderungen“ meistern, auf der Grundlage von „gegenseitigem Respekt“.
       
       ## Afrikanische Konflikte sind nicht mehr so wichtig
       
       Genannt werden die „Dreifachkrise aus Klimawandel, Biodiversitätsverlust
       und Umweltverschmutzung“, die „Sicherung globaler Ernährungs- und
       Energiesicherheit“, der „Schutz des globalen Wasserkreislaufs“, der „Kampf
       gegen Pandemien“, das „kluge Management der fortschreitenden Urbanisierung“
       und auch zum Beispiel die Reform globaler Governance-Strukturen, der Umgang
       mit künstlicher Intelligenz und „die Gestaltung von legaler und die
       wirksame Reduzierung irregulärer Migration sowie die Bekämpfung ihrer
       Ursachen“.
       
       Letzteres schließt „Prävention und Bewältigung von Konflikten“ ein, was
       früher ein zentrales eigenständiges Thema war. Ebenso genannt wird
       wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage der Initiativen von G20,
       G7 und EU.
       
       Die innere Verfasstheit afrikanischer Staaten, Demokratie und
       Menschenrechte nehmen hingegen einen nachgeordneten Rang ein, heißt es.
       Beim gemeinsamen Handeln mit afrikanischen Partnern „werden wir auch mit
       Staaten kooperieren, mit denen wir Werte nicht in vollem Umfang teilen“,
       heißt es; „autokratischen Tendenzen begegnen wir mit offenem, kritischem
       Dialog“.
       
       ## Koloniale Aufarbeitung wird zentraler
       
       Erstmals wird die kritische Aufarbeitung der deutschen
       Kolonialvergangenheit in Afrika ausdrücklich als „wichtiges Element für ein
       zukunftsgerichtetes Miteinander“ betont. 2014 kam das Thema noch gar nicht
       vor, 2019 nur in einem Nebensatz.
       
       Jetzt erklärt die Bundesregierung sogar explizit: „Die Aussöhnung mit
       Namibia nach dem Völkermord an den Nama und Herero zu Beginn des 20.
       Jahrhunderts ist eine Priorität.“ Namibia ist das einzige Land, das
       namentlich in dem Papier vorkommt, und die umstandslose Anerkennung des
       Völkermordes in diesem Satz ist ebenfalls bahnbrechend.
       
       Die Leitlinien hätten eigentlich schon 2024 fertig sein sollen. Das
       SPD-geführte Bundesentwicklungsministerium hatte bereits Anfang 2023
       [4][eine eigene Afrikastrategie „Gemeinsam mit Afrika Zukunft gestalten“]
       veröffentlicht, die bereits vieles vorwegnimmt, was jetzt das grüngeführte
       Auswärtige Amt vorgelegt hat. Es ist kein Geheimnis, dass es in der
       zerstrittenen Ampelkoalition unterschiedliche Sichtweisen etwa zu
       Militäreinsätzen in Afrika und zur globalen Energiepolitik gegeben hat.
       
       8 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/afrika/leitlinien-afrika-205684
   DIR [2] https://www.auswaertiges-amt.de/resource/blob/262372/cd01d1b28efa11b4b5eaad2ef391a79e/afrika-leitlinien-download-data.pdf
   DIR [3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/afrika/leitlinien-afrika-205684
   DIR [4] https://www.bmz.de/de/laender/bmz-afrika-strategie
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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