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       # taz.de -- „50 Jahre in Freiheit“ nach Francos Tod: Spaniens Konservative kritisieren Gedenkjahr
       
       > In Spanien bricht Streit aus um das Gedenkjahr zu Francos Tod vor 50
       > Jahren. Die rechte Opposition läuft Sturm gegen die Veranstaltungen.
       
   IMG Bild: Premierminister Sanchez bei der Eröffnung des Gedenkjahres „50 Jahre in Freiheit“ am 8. Januar
       
       Madrid taz | Spanien läutet das Gedenkjahr „50 Jahre in Freiheit“ ein. 1975
       verstarb Diktator Francisco [1][Franco] nach vier Jahrzehnten an der Macht.
       Dies öffnete den Weg zur längsten demokratischen Etappe, die das Land auf
       der Iberischen Halbinsel je erlebt hat. Ein Grund zum Feiern. Doch nicht
       für alle.
       
       Während die Regierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez eine unabhängige
       Gedenkkommission ins Leben gerufen hat, die über 100 Events überall im Land
       organisiert, verurteilt die rechte Opposition aus der konservativen Partido
       Popular (PP) und der rechtsextremen VOX dies. Das Gedenken an „50 Jahre
       Freiheit“ sei „ein parteipolitischer Akt“, im „Bürgerkriegsdenken
       verhaftet“ und würde „das Land spalten“, so begründeten sie ihr Fernbleiben
       von der Auftaktveranstaltung am vergangenen Mittwochmittag.
       
       Selbst König Felipe VI., dessen Vater Juan Carlos I. noch vom Diktator
       selbst als Nachfolger an der Staatsspitze eingesetzt wurde, blieb ebenso
       wie der Unternehmerverband dem Akt fern – aus „Termingründen“, gaben sie
       an.
       
       Das Gedenkjahr 2025 beginnt also schon umstritten. Ministerpräsident
       Sánchez ist sich dessen bewusst. „Wenn die Geschichte uns etwas lehrt, dann
       dass die Freiheit nie permanent errungen wird, sie kann verloren gehen“,
       warnt Sánchez angesichts des wachsenden Rechtsextremismus nicht nur in
       Spanien, sondern auch im restlichen Europa und in den USA. Damit richtete
       er sich auch an die gemäßigte Rechte, die sich in Spanien und in anderen
       europäischen Ländern immer mehr den Rechtsextremen annähere.
       
       ## Mit Schrecken auf die Jahre des Franquismus schauen
       
       „Man muss nicht einer bestimmten Ideologie anhängen, weder der der Linken,
       der Mitte oder der Rechten, um mit enormer Trauer und auch mit enormen
       Schrecken auf die Jahre des Franquismus zurück zu schauen. Es reicht
       Demokrat zu sein“, erklärte Sánchez bei der Auftaktveranstaltung.
       
       Zahlreiche Politiker, Vertreter der Gewerkschaften, aus der Kultur und der
       Zivilgesellschaft waren im Museum für Moderne Kunst Reina Sofia in Madrid
       anwesend. Alle verstanden, wen er damit auch meinte – den abwesenden
       Vorsitzenden der PP, Alberto Nuñez Feijóo. Sánchez forderte ihn auf
       [2][„den Mut zu haben, die Demokratie in unserem Land einzufordern, zu
       verteidigen und zu stärken“]. Der Faschismus sei bereits jetzt „die dritte
       Kraft in Europa“, warnte er.
       
       Feijóo hielt sich derweilen in den Gebieten rund um die Mittelmeerstadt
       [3][Valencia auf, die im Oktober von Überschwemmungen] betroffen waren.
       „Sánchez mit Franco, Feijóo mit den Valencianos“, erklärte er, ohne
       allerdings bekannt zu geben, wo er wann sein werde. Zu groß war die Angst
       vor Protesten, denn der Präsident der dortigen Regionalregierung, der beim
       Krisenmanagement im Oktober völlig versagte, gehört Feijóos PP an.
       
       Feijóos Abwesenheit beim Gedenkakt habe „nichts mit Franco zu tun, sondern
       mit Sánchez“, erklärte Parteisprecher Borja Sémper. Andere PP-Politiker
       werden deutlicher. So wirft etwa die Präsidentin der Hauptstadtregion,
       Isabel Díaz Ayuso, Sánchez vor, die „Straßen in Brand stecken und Gewalt
       schüren“ zu wollen. Das Gedenkjahr „50 Jahre Freiheit“ würde der extremen
       Linken eine Bühne bieten. Sie selbst werde an keiner der Gedenkfeiern
       teilnehmen.
       
       ## „Absurde Nekrophilie“
       
       Für die rechtsextreme VOX, mit deren Unterstützung die PP in fünf Regionen
       und über 100 Gemeinden regiert, ist das Gedenkjahr ein Akt „absurder
       Nekrophilie“. Es sei von „Rachsucht“ für den verlorenen Bürgerkrieg in den
       1930er Jahren geprägt.
       
       Der Rechten gelang es, über 80 Politiker und Vertreter der Kultur unter
       einem Manifest gegen das Gedenkjahr zu vereinigen: „Boykottiert alle diese
       Hexensabbate, die rund um Franco von jenen abgehalten werden, die
       behaupten, die Freiheit dadurch zu feiern, dass sie auf ihre größte
       Bedrohung, die Zwietracht, zurückgreifen und Versöhnung dadurch zu
       erreichen, dass sie zivile Feindseligkeiten schüren“, heißt es in dem
       Schreiben.
       
       Die Kommission für das Gedenkjahr plant mehrere Universitätskongresse,
       lokale Veranstaltungen und Ausstellungen in allen Regionen und auch in den
       spanischen Kulturinstituten im Ausland. Außerdem sollen Veröffentlichungen
       von Comics über Bücher bis hin zu Dokumentarfilmen gefördert werden.
       
       9 Jan 2025
       
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