# taz.de -- Ausstellung zum zehnten Jahrestag: Bunte Mischung für „Charlie Hebdo“
> Zehn Jahre nach dem Attentat auf „Charlie Hebdo“: Zeichner*innen
> fragen im Wilhelm-Busch-Museum Hannover nach den Folgen für die
> Kunstfreiheit.
IMG Bild: Wie hältst du selbst es mit der Meinungsfreiheit? Ruth Heblers „Karikaturmeter“ regt dazu an, die eigene Position zu reflektieren
Da ist diese Zeichnung von Coco gleich am Beginn der Ausstellung. Ein
Männlein mit nacktem Arsch, Klopapier in der Hand, schreit: „Ich habe keine
Angst“ – während es sich offensichtlich einmacht. Denn natürlich hatte sie
Angst: Coco, das war die Zeichnerin, die damals den Brüdern Kouachi im
Treppenhaus begegnete. Die mit vorgehaltenen Kalaschnikows gezwungen wurde,
den Türcode einzugeben.
Die den Attentätern also Zugang zu den Redaktionsräumen von [1][Charlie
Hebdo] verschaffte, in denen ihre Kolleg*innen dann niedergemetzelt
wurden. Weil den beiden islamistischen Attentätern die Mohammed-Karikaturen
missfielen, die das Satiremagazin veröffentlicht hatte, nachdem sie schon
in Dänemark für Aufruhr gesorgt hatten.
Cocos Zeichnung stammt von 2015 und gehört damit zu den Älteren unter den
28 Bildern, die das [2][Wilhelm-Busch-Museum in Hannover] jetzt zeigt, zehn
Jahre nach dem Anschlag und der Solidarisierung unter dem Slogan „Je suis
Charlie“. Auch spricht man von einer „künstlerischen Intervention“ – was
vor allem heißt, dass die Werke nun in der normalen Dauerausstellung
verteilt sind.
Gleich fünf Häuser in Deutschland gedenken auf diese Weise des Anschlags,
dem zwölf Personen zum Opfer fielen: Neben dem Wilhelm-Busch-Museum auch
das Caricatura-Museum Frankfurt und die Caricatura-Galerie Kassel, die
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen und der „schauraum: comic + cartoon“ in
Dortmund. Dazu haben namhafte zeitgenössische Künstler*innen Cartoons,
Karikaturen und Eindrücke zum [3][Terroranschlag] und zum Thema
Kunstfreiheit eingesandt, teils sogar eigens dafür geschaffen.
## Katzen und Propheten
Sie sollen den Diskurs zur Freiheit der Kunst wiederbeleben. Der eben nicht
nur historisch oder kulturalistisch geführt werden kann, sondern –
angesichts von [4][Rechtsruck] und neuen Empfindlichkeiten – längst wieder
mitten in modernen, europäischen Gesellschaften geführt werden muss, die
vielleicht schon dachten, sie wären ihm entwachsen.
Herausgekommen ist dabei eine wilde Mischung aus Beiträgen
unterschiedlichster Spiel- und Tonarten. Da sind die klugen, nachdenklichen
Beiträge einer [5][Ruth Hebler], die etwa mit ihrem „Karikaturmeter“ dazu
einlädt, sich zu überlegen, wo man sich selbst auf dem Spektrum der
Meinungsfreiheit bewegt – zwischen harmlosem Katzencontent und zensiertem
Propheten.
Oder unter der Überschrift „Humor ist eine ernste Sache“ mit zwei Dutzend
Denkblasen über dem Kopf der Zeichnerin vorführt, wie die Schere im Kopf
schneidet: Versteht man das, so wie ich es meine? Lachen hier die Falschen?
Auf den Shitstorm habe ich keinen Bock! Ist es das wert?
Zu sehen ist auch ein Bild ihres Schreib- beziehungsweise Zeichentisches,
neben dem seit zehn Jahren der aus der Zeitung ausgeschnittene Schriftzug
„[6][Je suis Charlie]“ vor sich hin gilbt. Ein Schriftzug, der damals
überall war, auf Social-Media-Profilen, Medienbeiträgen, Demoplakaten. Wie
eine überwältigende Solidarität, die aber auch schnell wieder Risse bekam:
Bei der Frage, wer hier jetzt versucht, politisches Kapital aus dem Vorgang
zu schlagen oder sich lieber wegduckt.
Nicht alle Beiträge haben eine solche emotionale Wucht. Manche sind eher
böse und spitz, beispielsweise [7][Til Mettes] „Ich bin auch
Charlie“-Mensch, der lieber eine Maske der Peanuts-Figur Charlie Brown
trägt statt der Prophetenkarikatur. Oder Oliver Ottitschs Bericht von der
Caricatura Islamabad, wo jedes Jahr wieder die frechsten Cartoonisten
gehängt werden.
Manche Beiträge sind auch ein bisschen plump oder schlicht weit weg vom
Thema: Brösel schickt irgendwas mit Heiligen Drei Königen, Bettina Bexte
zeigt bewaffnete Grundschüler in Texas und Nadja Menze stellt eine
Kopftuchträgerin, die einen „emanzipierten Islam“ beansprucht, neben einen
Wähler, der das AfD-Logo für ein Symbol von „humanem Rassismus“ hält. Aber
so war und ist ja auch Charlie Hebdo: manchmal plump, manchmal vulgär,
immer streitbar.
Davon – und vom Weitermachen – erzählen auch die Graphic Novels der
überlebenden Redakteure Luz („Wir waren Charlie“) und Meurisse („Die
Leichtigkeit“): Sie sind in der Ausstellung zu sehen, und ihnen ist am 24.
Januar ein begleitender Vortrag gewidmet.
12 Jan 2025
## LINKS
DIR [1] /Charlie-Hebdo/!t5009694
DIR [2] https://www.karikatur-museum.de/
DIR [3] /Anschlag-auf-Charlie-Hebdo--die-Fakten/!6057060
DIR [4] /Rechtsruck/!t5021689
DIR [5] https://www.ruthhebler.de/p/galerie.html
DIR [6] /Je-suis-Charlie/!t5017732
DIR [7] https://www.ndr.de/kultur/kunst/hamburg/Karikaturist-Til-Mette-ueber-den-Anschlag-auf-Charlie-Hebdo,mette138.html
## AUTOREN
DIR Nadine Conti
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