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       # taz.de -- Politische Krise im Libanon: Joseph Aoun wird Präsident
       
       > Nach mehr als zwei Jahren hat der Libanon wieder ein Staatsoberhaupt:
       > Joseph Aoun war auch Favorit der USA. Der Wahl ging eine hitzige Debatte
       > voraus.
       
   IMG Bild: Der alte Armeechef ist der neue Präsident des Libanons: Joseph Aoun vor dem Parlament am 9. Januar
       
       Beirut dpa/ap | Das libanesische Parlament hat Generalstabschef Joseph Aoun
       zum neuen Präsidenten gewählt. Aoun erhielt am Donnerstag die nötige
       Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordnetenstimmen, nachdem er sie im
       ersten Wahlgang noch verfehlt hatte. Damit hat das Land nach mehr als zwei
       Jahren und zwölf vergeblichen Anläufen wieder ein Staatsoberhaupt.
       
       Die einflussreiche Hisbollah-Miliz hatte Suleiman Frangieh unterstützt, den
       Chef einer kleinen christlichen Partei mit guten Verbindungen zum
       gestürzten syrischen Machthaber Baschar al-Assad. Am Mittwoch zog Frangieh
       seine Kandidatur zurück und unterstützte Aoun.
       
       Die Macht des Staatschefs ist begrenzt. Allerdings hat nur er das Recht,
       einen Ministerpräsidenten und ein Kabinett zu ernennen oder zu entlassen.
       Die geschäftsführende Regierung, die den Libanon in den letzten zwei Jahren
       geleitet hat, verfügt über eingeschränkte Befugnisse, da sie nicht von
       einem amtierenden Präsidenten ernannt wurde.
       
       Aoun ist derzeit dafür zuständig, die im November vereinbarte Waffenruhe
       zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel zu überwachen. Er galt als
       bevorzugter Kandidat der Vereinigten Staaten und Saudi-Arabiens, deren
       Unterstützung der Libanon benötigt, um sicherzustellen, dass Israel seine
       Streitkräfte wie im Waffenstillstandsabkommen mit der libanesischen
       Hisbollah-Miliz vorgesehen, aus dem Südlibanon abzieht, und um den
       Wiederaufbau nach dem Krieg zu finanzieren.
       
       ## Durch den Krieg mit geschäftsführender Regierung
       
       Im Parlament gab es vor der Abstimmung eine hitzige Debatte. Einige der
       Abgeordneten weigerten sich, für Aoun zu stimmen. Sie argumentierten, dass
       es dafür zunächst eine Verfassungsänderung geben müsste. Gemäß der
       Verfassung dürfen Personen, die in den zwei Jahren vorher einen höheren
       Beamtenposten innehatten, nicht zum Präsidenten gewählt zu werden. Diese
       Regel wurde allerdings bereits bei früheren Präsidentschaftskandidaten
       gebrochen.
       
       Der Libanon steckt seit Jahren in einer tiefen politischen und
       wirtschaftlichen Krise. [1][Das Amt des Präsidenten war mehr als zwei Jahre
       nicht besetzt], nachdem Michel Aoun – der nicht verwandt ist mit Armeechef
       Aoun – 2022 planmäßig aus dem Amt geschieden war. Mehr als ein Dutzend
       Anläufe im Parlament zur Wahl eines Nachfolgers scheiterten wegen eines
       Machtkampfs der politischen Blöcke. Die aktuelle Regierung ist ebenfalls
       nur eingeschränkt handlungsfähig.
       
       Durch den [2][Krieg] der [3][Hisbollah]-Miliz gegen Israel, in dem im
       November eine Waffenruhe vereinbart wurde, steuerte der Libanon ohne
       Präsident und mit einer nur geschäftsführenden Regierung.
       
       Der 60-jährige Aoun wurde im März 2017 zum Armeechef ernannt und sollte
       eigentlich im Januar 2024 in den Ruhestand treten. Doch seine Amtszeit
       wurde während des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah zweimal
       verlängert. Er hielt sich bedeckt, vermied Medienauftritte und gab seine
       Kandidatur nie offiziell bekannt.
       
       ## Anfällig für Patt-Situationen
       
       Im Rahmen der konfessionellen Machtteilung im Libanon ist der Präsident
       immer maronischer Christ, der Regierungschef Sunnit und der
       Parlamentspräsident Schiit. Dieses System ist anfällig für
       Patt-Situationen, die bereits mehrfach dazu geführt haben, dass das Land
       längere Zeit keinen Präsidenten hatte.
       
       Die längste Vakanz dauerte fast zweieinhalb Jahre zwischen Mai 2014 und
       Oktober 2016 und endete mit der Wahl Michel Aouns, der nicht mit dem jetzt
       gewählten Präsidenten verwandt ist.
       
       9 Jan 2025
       
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