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       # taz.de -- Hamburger AfDler zieht vor Gericht: An den Grenzen des Rederechts
       
       > Ein Hamburger AfD-Abgeordneter klagt vor dem Landesverfassungsgericht
       > wegen zweier Ordnungsrufe. Die hatte er nach rassistischen Äußerungen
       > erhalten.
       
   IMG Bild: Gestikuliert gern während der Sitzungen der Hamburgischen Bürgerschaft: AfD-Politiker Walczak
       
       Hamburg taz | Das Hamburgische Verfassungsgericht muss über die
       Rechtmäßigkeit von zwei Ordnungsrufen gegen den AfD-Abgeordneten Krzysztof
       Walczak entscheiden.
       
       Walczak hatte sich im Mai 2023 in einer Rede zum Thema „Hamburgs
       Partnerschaft mit einer Stadt in Israel verwirklichen“ rassistisch geäußert
       und Sitzungspräsident und CDU-Landesvorsitzender André Trepoll erteilte ihm
       zwei Ordnungsrufe. Am Freitag, 10. Januar, fand die mündliche Verhandlung
       statt.
       
       Schon zu Beginn seiner Rede hatte Walczak den CDU-Landeschef als
       „Ober-Pinocchio“ bezeichnet und dessen Partei gar als „christdemokratische
       Schwindlertruppe“. Aufforderungen Trepolls, sich bitte an den
       parlamentarischen Sprachgebrauch zu halten, kam er nicht nach.
       
       Wenig später griff Trepoll durch: Walczak hatte zuvor gesagt, die CDU sei
       „mit ihrer Migrationspolitik für den Einlass Hunderttausender Antisemiten
       nach Deutschland verantwortlich“, worin Trepoll eine allgemeine
       Diffamierung von Geflüchteten erkannte. Kurz darauf wiederholte der
       AfD-Mann die Aussage und erhielt prompt den zweiten Ordnungsruf.
       
       ## Frage der Rechtmäßigkeit von Ordnungsrufen
       
       Über die Frage der Rechtmäßigkeit von solchen Ordnungsrufen kann sowohl auf
       Landes- als auch auf Bundesebene nur das Verfassungsgericht entscheiden.
       Bei dem Verfahren handelt es sich nämlich um einen Organstreit: Wenn ein
       Staatsorgan sich von einem anderen in seinen Rechten verletzt sieht, kann
       es beim Verfassungsgericht einen Antrag stellen, den Streit zu klären.
       Walczak stellte diesen Antrag, weil er sich als Abgeordneter in [1][seinem
       parlamentarischen Rederecht] verletzt sieht.
       
       Auf der anderen Seite steht das Ordnungsrecht des Parlamentspräsidiums um
       Carola Veit (SPD) und André Trepoll. Dieses stellt ein wichtiges Instrument
       dar, um im Parlament einen respektvollen Umgang zu wahren und Fehlverhalten
       zu sanktionieren. Abgeordnete dürfen für ihre Äußerungen im Parlament
       nämlich in der Regel nicht straf- oder zivilrechtlich verfolgt werden.
       Dieser Grundsatz nennt sich Indemnität und ist in Artikel 14 der Hamburger
       Verfassung sowie im Grundgesetz verankert.
       
       Die Vorsitzende Richterin und Präsidentin des Verfassungsgerichts, Birgit
       Voßkühler, erklärte am Freitag zu Beginn der Verhandlung: Ein Ordnungsruf
       schränke das Rederecht zwar ein, dieser könne aber gerechtfertigt sein.
       Laut der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft dann, wenn ein
       Mitglied „die Ordnung des Hauses verletzt“. Wie genau „die Ordnung des
       Hauses“ definiert ist, ist nicht ganz klar.
       
       Klar ist, dass das Parlamentspräsidium großen Entscheidungsspielraum hat.
       Denn Ordnungsrufe werden meist nicht im luftleeren Raum erteilt. Der
       Kontext ist entscheidend. Das Verfassungsgericht entscheidet deshalb auch
       nur darüber, ob die Grenzen dieses Entscheidungsspielraums gewahrt wurden.
       
       Trepoll erklärte dem Gericht, er habe den ersten Ordnungsruf erteilt, da
       die Aussage des AfD-Politikers eine niederträchtige Pauschalisierung von
       Geflüchteten darstelle. Grund für den zweiten Ordnungsruf sei gewesen, dass
       Walzcak die Migrationspolitik der CDU für antisemitische Übergriffe in
       Deutschland verantwortlich gemacht hatte.
       
       Walczak wiederum wirft Trepoll vor, er wolle mit den Ordnungsrufen bloß die
       Kritik an der eigenen Partei unterbinden. Und pauschalisiert habe er nicht.
       Absichtlich habe er von „Hunderttausenden“ statt von pauschalisierenden
       „Millionen Antisemiten“ gesprochen. Die Ordnung des Parlaments sehe er
       nicht verletzt, da seine Worte dem entsprochen hätten, was man auch
       außerhalb des Parlaments sagen könne.
       
       Das Parlamentspräsidium sieht das anders, man könne „im Parlament nicht
       alles sagen, was ich auf der Straße oder in der Presse sage“. Als sicher
       gilt: Seit die in Teilen rechtsextreme AfD in den Parlamenten sitzt, ist
       der Ton dort rauer geworden.
       
       Umso ernster ist die Frage, „wann eine Provokation Redemittel zur
       Vermittlung politischen Inhalts und wann eine Herabsetzung“ ist. So fasste
       die Vorsitzende Richterin Birgit Voßkühler die Tragweite des Verfahrens am
       Freitag zusammen.
       
       Eineinhalb Stunden lang hörten sie und ihre Richter-Kolleg*innen sich die
       Argumente beider Seiten an. Am 7. Februar wollen sie ihr Urteil verkünden.
       
       Disclaimer: Der Artikel war zunächst in einer deutlich kürzeren Version
       veröffentlicht worden.
       
       10 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /AfD-verklagt-gruenen-Bezirksamtsleiter/!5991485
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Dürr
       
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