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       # taz.de -- Streik bei Berliner Verkehrsbetrieben: „Die BVG spielt auf Zeit“
       
       > Verdi-Verhandlungsführer über den Warnstreik bei der BVG am Montag, die
       > Forderungen nach 750 Euro mehr Lohnund die Zukunft des ÖPNV in der
       > Hauptstadt.
       
   IMG Bild: Spiel mir das Lied von der Verspätung: Die BVG ist immer wieder aus dem Takt
       
       taz: Herr Arndt, die [1][Tarifverhandlungen für die BVG-Beschäftigten]
       haben gerade erst begonnen. Warum ruft Verdi schon nach dem allerersten
       Gespräch zu einem ganztägigen Warnstreik auf? 
       
       Jeremy Arndt: Die Arbeitgeberseite hatte ja schon im Vorfeld medial
       angekündigt, dass sie in der ersten Verhandlungsrunde kein Angebot vorlegen
       würde – und in den Gesprächen ist deutlich geworden, dass sie den
       [2][Nachholbedarf, den wir sehen], nicht sieht. Es gibt ein extrem großes
       Delta zwischen unseren Forderungen und dem, was der BVG-Vorstand zumindest
       augenscheinlich anerkennt. Deshalb kommt es zu diesem Schritt.
       
       taz: Musste es gleich ein ganztägiger Ausstand sein? 
       
       Arndt: Die Beschäftigten sind sich einig, dass wir den Druck jetzt
       hochfahren müssen, damit sich der Vorstand und auch die Politik bewegen.
       Wir wollen eine schnelle Lösung, aber wie sich die Arbeitgeber in der Runde
       präsentiert haben, konnte man den Eindruck gewinnen, dass sie auf Zeit
       spielen. Zeit, die wir alle nicht haben.
       
       taz: Wie immer in solchen Fällen sind die Fahrgäste die ersten
       Leidtragenden. 
       
       Arndt: Ich verstehe, dass so eine Arbeitskampfmaßnahme schwierig für
       Fahrgäste ist. Aber wir erleben ja gerade eine BVG, die wegen der
       personellen Engpässe [3][nicht mehr dem gewohnt hohen Standard] des ÖPNV
       entspricht. Und wenn jetzt nichts passiert, wird das noch schlimmer. Da
       muss sich der Fahrgast die Frage stellen, was wichtiger ist: die
       Unwägbarkeiten, die kurzfristig durch einen Streik entstehen? Oder dass sie
       mit der BVG mittel- und langfristig zuverlässig und in der vorgesehenen
       Taktung von A nach B kommen?
       
       taz: Wie groß ist das von Ihnen angesprochene Delta? 
       
       Arndt: Zugespitzt gesagt, liegt es genau in der Höhe der 750 Euro, die wir
       für alle Beschäftigten fordern. Nach Rechnung der Arbeitgeberseite scheint
       gar kein größerer Aufholbedarf zu bestehen. Der BVG-Vorstand sagt zwar, sie
       sähen, dass sie etwas tun müssen, aber auch, dass nach ihren Berechnungen
       ein Aufholbedarf im niedrigen einstelligen Prozentbereich besteht. Obwohl
       wir die letzte Entgeltrunde im Jahr 2021 hatten und danach die Zeit der
       extrem hohen Inflation kam.
       
       taz: Wie viel Prozent Gehaltserhöhung wären Ihre 750 Euro? 
       
       Arndt: Das ist je nach Lohngruppe unterschiedlich, aber im Schnitt sind es
       rund 25 Prozent.
       
       taz: Die BVG sagt: Dieses Geld haben wir überhaupt nicht. Was sagen Sie? 
       
       Arndt: Wie gesagt: Wir erleben in der letzten Zeit, dass die BVG aufgrund
       von Personalmangel massive Probleme hat und ihre Leistungen nicht in dem
       Maß aufrechterhalten kann, das von ihr erwartet wird. Im Busbereich
       erbringt die BVG aktuell ein Minus von [4][sechs Prozent der vereinbarten
       Leistung]! Von einem notwendigen Aufwuchs des Angebots reden wir da noch
       gar nicht. Das heißt, es muss etwas passieren, um das Personal aufzubauen
       und zu halten – und eine zentrale Maßnahme ist, es vernünftig zu bezahlen.
       
       taz: Vorstandschef Henrik Falk hat letztens Rekordzahlen bei den
       Bewerbungen verkündet. 
       
       Arndt: Mag sein, dass es nach wie vor viele Bewerbungen gibt. Aber man
       schafft es damit gerade einmal, die Fluktuation abzudecken, die im
       Gesamtunternehmen bei zehn Prozent und höher liegt. Das führt mittel- oder
       sogar kurzfristig zu einem Personalabbau, da hilft es dann auch nicht, wenn
       man zehntausende Bewerbungen hat oder tausend Leute einstellt.
       
       taz: Aber noch mal: Wo soll das Geld herkommen? 
       
       Arndt: In anderen Zusammenhängen betont der BVG-Vorstand immer wieder, dass
       genug Geld da ist. Und am Ende des Tages lautet die Frage: Wie will man den
       ÖPNV in Berlin gestalten? Da muss auch der Senat im Zweifel entscheiden,
       die Mittel, die da sind, für das Personal einzusetzen.
       
       taz: Zurück zu den Verhandlungen: Wie sieht die Eskalationsstrategie von
       Verdi aus? 
       
       Arndt: Wir haben potenziell sechs Verhandlungstermine vereinbart. Am 31.
       Januar steht die nächste Runde an, und die Arbeitgeber haben zumindest
       angekündigt, ein Angebot vorzulegen. Wir werden dann mit der
       Tarifkommission der BVG-Beschäftigten bewerten müssen, ob dieses aus
       unserer Sicht verhandlungsfähig ist, oder ob man den Druck weiter erhöhen
       muss.
       
       taz: Sie haben auch die Möglichkeit eines unbefristeten Streiks in Aussicht
       gestellt. 
       
       Arndt: Der stünde an, wenn wir am Verhandlungstisch einen absoluten
       Stillstand haben. Dann müsste man die Verhandlungen für gescheitert
       erklären, und wir gingen mit den Beschäftigten in die Urabstimmung [5][über
       einen Erzwingungsstreik].
       
       taz: Ende März läuft der Tarifvertrag zwischen EVG und Deutscher Bahn aus,
       in dieser Woche starten die Verhandlungen. Könnte es dieses Jahr zu Streiks
       im kompletten Berliner ÖPNV kommen, also bei BVG und S-Bahn gleichzeitig? 
       
       Arndt: Die EVG stimmt ihre Tarifverhandlungen logischerweise nicht mit uns
       ab. Ob und zu welchen Arbeitskampfmaßnahmen es dort kommt, liegt an deren
       Verhandlungsablauf. Derzeit sind keinerlei gemeinsamen
       Arbeitskampfmaßnahmen geplant.
       
       26 Jan 2025
       
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