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       # taz.de -- Kinotipp der Woche: Vom anderen Planeten
       
       > Schillernde Auftritte, wechselnde Persönlichkeiten: Im
       > Zeiss-Großplanetarium tanzt David Bowie als Untoter im Mondlicht und als
       > Ziggy Stardust im All.
       
   IMG Bild: Collagierend durch die Zeit: Der Dokumentarfilm „Moonage Daydram“ von Brett Morgan (USA 2022)
       
       David Bowie geht immer in Berlin. Ende der Siebziger hat der Popstar
       [1][ein paar Jahre in Berlin] verbracht – angeblich, um ausgerechnet in der
       Stadt von Christiane F. von den Drogen herunter zu kommen – und seitdem
       gehört er mit zu Berlin wie der Fernsehturm und das Brandenburger Tor. Und
       weil Bowie immer geht an der Spree, wird es beispielsweise Mitte März am
       Berliner Ensemble mit [2][„Heroes“] einen musikalisch-literarischen Abend
       zu und über ihn geben.
       
       Ganz aktuell aber zeigt das [3][Zeiss Großplanetarium] im Prenzlauer Berg
       das „Chamäleon der Popmusik“ auf der großen Kinoleinwand. Einmal in Form
       der Dokumentation „Moonage Daydream“ (2022) und einmal im Rahmen der
       hauseigenen Reihe „Late Night Cult Movies“ mit dem Spiel- und Kultfilm „The
       Hunger“ (1983) von Tony Scott.
       
       „The Hunger“ ist sicherlich nicht der beste Film, in dem Bowie mitgespielt
       hat. Aber die Rolle des dekadenten, anämischen Vampirs, die er hier an der
       Seite von Catherine Deneuve übernommen hat, passt immerhin genauso gut zu
       ihm wie die des Außerirdischen im wirklich guten „The Man Who Fell to
       Earth“. In diesem Film von 1976 wurde der Eindruck erweckt, dass der
       mysteriöse Bowie auch in echt von einem anderen Stern kommen muss.
       
       Und als Untoter in „The Hunger“ wird im wörtlichen Sinne der Eindruck
       bestätigt, dass er kein Normalsterblicher ist. Allerdings wirkt im
       Vergleich zu ihm ein anderer Popstar, der in dem Film zu sehen ist, noch
       ein wenig vampiriger als Bowie selbst. Nämlich Peter Murphy von der
       Gothic-Band Bauhaus, die gleich zu Beginn des Films ihr eiskaltes „Bela
       Lugosi's Dead“ intoniert und der damit eigentlich auch schon die
       aufregendste Szene des ganzen Films gehört.
       
       „The Hunger“ kam im selben Jahr in die Kinos wie Bowies Platte „Let's
       Dance“. In der Zeit, in der er sich auf der Leinwand in einen Vampir
       verwandelte, war er musikalisch auf dem Soul-Trip. Im Kino wirkte er also
       ziemlich blutleer, während er als Popstar gerade seine erfolgreichste Zeit
       mit eher lebensbejahender Musik hatte. Bekanntlich macht das ja den Mythos
       Bowie aus, dass er immer wieder seine Gestalt zu wechseln vermochte, dabei
       aber auch Widersprüche in sich vereinigte.
       
       Er nahm Identitäten [4][wie Ziggy Stardust] oder den Thin White Duke an und
       erfand sich immer wieder neu. Aber war er nun queer oder doch hetero, weil
       er später mit einer Frau verheiratet war? Und wo gerade wieder so viel von
       Hitler und dem Hitlergruß die Rede ist: Bowie fand diesen Herrn Hitler auch
       mal ganz gut, wie Aussagen von ihm Mitte der Siebziger zu entnehmen ist.
       Sogar den Hitlergruß soll er einmal gezeigt haben. Bowie entschuldigte sich
       später für seine Nazi-Schwärmereien. Und bestätigt damit den Eindruck: Egal
       in welcher Phase seines Lebens er sich auch immer befand, etwas rätselhaft
       blieb er immer.
       
       An diesem Eindruck möchte auch die Dokumentation „Moonage Daydream“ nichts
       ändern. Der Mythos soll hier nicht entzaubert, sondern im Gegenteil ruhig
       noch größer werden. Wie Bowie in seinen unterschiedlichen Phasen aussah und
       klang, davon erfährt man viel in dem Film von Brett Morgen. Dabei geht er
       nicht chronologisch vor, sondern collagenartig. Eben war man noch beim
       Ziggy-Bowie mit seiner fransigen Vokuhila-Frisur, dann ist man beim
       Gentleman-Bowie der Achtziger und im nächsten Moment geht es schon wieder
       zurück in die Siebziger. Das Biopic wird so zu einem Trip und das Gefühl
       verstärkt: So richtig zu fassen kriegt man Bowie einfach nicht.
       
       29 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /75-Geburtstag-von-David-Bowie/!5826649
   DIR [2] https://www.berliner-ensemble.de/david-bowie-abend-mit-alexander-scheer-am-berliner-ensemble
   DIR [3] https://www.planetarium.berlin/zeiss-grossplanetarium
   DIR [4] /Graphic-Novel-ueber-David-Bowie/!5826711
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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