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       # taz.de -- Abschiebelager in Albanien: Meloni versucht es weiter
       
       > Die italienische Regierungschefin lässt erneut über das Mittelmeer
       > Geflüchtete in albanische Abschiebelager bringen. Kommt sie diesmal damit
       > durch?
       
   IMG Bild: Zerbrochene Hoffnungen: 49 Migrant*innen werden am Dienstag auf einem italienischen Marineschiff nach Albanien gebracht
       
       Rom taz | Italien macht einen neuen Anlauf, im Mittelmeer gerettete
       Flüchtlinge nach Albanien statt ins eigene Land zu bringen. Am
       Dienstagmorgen traf das Marineschiff „Cassiopea“ im albanischen Hafen
       Shëngjin ein, an Bord hatte es 49 Männer, die aus Bangladesch, Ägypten, der
       Elfenbeinküste und Gambia stammen und die südlich von Lampedusa gerettet
       worden waren.
       
       Damit soll, wenn es nach der Rechtsregierung unter Ministerpräsidentin
       Giorgia Meloni geht, endlich die von ihr angestrebte Auslagerung der
       Flüchtlingsaufnahme weg aus Italien in Gang kommen. In einer ersten Runde
       sollen die 49 jetzt Eingetroffenen in Shëngjin identifiziert werden, um
       dann in das ebenfalls von den italienischen Behörden betriebene Lager
       Gjadër geschafft zu werden.
       
       Dort steht ihnen ein [1][Asylverfahren im Schnelldurchgang] bevor: Da sie
       aus Herkunftsstaaten kommen, die von Italien als sicher eingestuft werden,
       müssen sie alle mit Ablehnung ihrer Asylanträge rechnen. Im nächsten
       Schritt kommen sie ins Abschiebelager, das sich auf dem gleichen Gelände
       befindet – mit dem Ziel, sie zügig in ihre Heimatstaaten auszufliegen.
       
       Völlig offen ist, ob Melonis Rechnung diesmal aufgeht. Zweimal schon, im
       Oktober und im November 2024, hatte ein italienisches Marineschiff
       insgesamt 24 Männer nach Shëngjin gebracht. [2][Beide Male jedoch hatten
       italienische Gerichte deren Verlegung nach Italien angeordnet], da sie die
       Einstufung Ägyptens und Bangladeschs als sichere Herkunftsstaaten in
       Zweifel zogen.
       
       ## Meloni im Zwist mit der Justiz
       
       Meloni glaubt aus zwei Gründen, jetzt mehr Erfolg zu haben. Erstens
       billigte das Kassationsgericht in Rom – der oberste Gerichtshof des Landes
       – mit einem im Dezember 2024 ergangenen Urteil der Regierung das Recht zu,
       [3][eine Liste sicherer Herkunftsstaaten] zu erstellen, für die ein
       beschleunigtes und vereinfachtes Asylverfahren gilt.
       
       Und zweitens hat die Regierung Meloni dafür gesorgt, dass es nun den
       Appellationsgerichten obliegt, zu prüfen, ob die Regierung in Asylverfahren
       rechtmäßig handelt. Zuvor lag diese Verantwortung bei den Spruchkammern der
       Gerichte. Eben jene Spruchkammern standen in Melonis Augen der Regierung
       und ihrer Asylpolitik feindselig gegenüber.
       
       Ob Melonis Rechnung aufgeht, steht allerdings noch in den Sternen. Denn im
       Urteil des Kassationsgerichts heißt es auch, dass die Einzelfallprüfung
       weiter bei der Justiz bleibt – Richter*innen können also weiterhin
       verfügen, dass Flüchtlinge in Italien ihr Verfahren durchlaufen, statt in
       Albanien den kurzen, auf Ablehnung zielenden Prozess zu bekommen.
       
       Außerdem hat das jetzt zuständige Appellationsgericht Rom ausgerechnet jene
       Richter*innen zu sich abordnen lassen, die bisher schon in den Kammern
       für Immigrationsfragen die Urteile fällten – und die der Regierung jetzt
       wohl kaum Gefälligkeitsurteile liefern werden.
       
       ## Kostspieliger Abschreckungseffekt
       
       Für Meloni wäre eine erneute Pleite vor Gericht mehr als unschön. Die
       „albanische Lösung“ ist ein zentraler Baustein in ihrer auf Abwehr
       zielenden Migrationspolitik. Ganz offen spricht Innenminister Matteo
       Piantedosi aus, dass er auf den „Abschreckungseffekt“ setzt, wenn die
       Migranten wüssten, dass sie gar nicht erst den Fuß auf italienischen Boden
       setzen werden.
       
       Diesen Abschreckungseffekt lässt sich die Rechtsregierung einiges kosten.
       Geschätzt eine Milliarde Euro muss Italien in den nächsten fünf Jahren für
       die Lager in Albanien ausgeben. Doch auch wenn die Maschinerie am Ende in
       Gang kommen sollte, ist ihr dauerhaftes Funktionieren keineswegs
       ausgemacht. Denn Ägypten, Bangladesch und Gambia sind bisher nicht als
       Herkunftsstaaten aufgefallen, die bei der Repatriierung ihrer Bürger große
       Kooperationsbereitschaft an den Tag legen.
       
       28 Jan 2025
       
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