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       # taz.de -- Angefeindete Boxerin Imane Khelif: Auf einen Schlag
       
       > Die krasse Überlegenheit der Boxerin Imane Khelif löste bei Olympia eine
       > große Genderdebatte aus. Nun will die Algerierin bei den Profis in den
       > Ring.
       
   IMG Bild: Der letzte große Auftritt: Imane Khelif bei ihrem Olympiasieg über die Chinesin Liu Yang in Paris
       
       Berlin taz | Boxerisch macht sich Imane Khelif rar. Die
       Weltergewichts-Olympiasiegerin von Paris hat seit Sommer 2024 keinen Kampf
       mehr bestritten, zumindest keinen im Boxring. [1][Zuletzt war sie in der
       Vogue zu sehen.] Das berühmte Modemagazin hat die Algerierin für seine
       Januarausgabe porträtiert. Mit Topfotograf und allem, was dazugehört
       Styling, Haare, Make-up, Maniküre. Imane Khelif wird dort als „Inspiration
       für Mädchen und Frauen weltweit“ bezeichnet, als eine Sportlerin, die eine
       neue Generation junger Frauen vertritt und deren Geschichte „auch ein
       Lehrstück in Sachen Selbstbestimmung“ ist. Auch bei einer Modenschau in
       Mailand war sie schon als Stargast.
       
       „Ich werde bald in die Welt des Profiboxens eintreten, ich habe viele
       Angebote“, hat Khelif Ende Oktober 2024 angekündigt. Die Botschaft, das
       Amateurboxen zu verlassen, ging einher mit der Nachricht, dass eine
       Streamingplattform eine Doku über ihr Leben produziert. Es soll Netflix
       sein, heißt es, sicher ist das nicht. „Es gibt Geld zu verdienen und das
       tut sie auch“, hat der britische Guardian kommentiert.
       
       [2][Imane Khelif war der Aufreger der Olympischen Spiele.] Im Achtelfinale
       hatte sie eine italienische Boxerin so deutlich dominiert, dass die nach 46
       Sekunden aufgab. Prompt wurden Gerüchte gestreut, Khelif sei biologisch ein
       Mann. Der Weltboxverband IBA glaubte daran erinnern zu müssen, dass Khelif
       und die Federgewichtlerin Lin Yu-ting, die aus Taiwan kommt, 17 Monate
       zuvor von diesem Verband gesperrt worden waren. Beide seien nämlich bei
       einem Geschlechtstest „durchgefallen“. Im Grunde, so die Botschaft, seien
       Khelif und Lin Männer in Frauenkleidern, Betrüger.
       
       Die IBA ist allerdings kein anerkannter Boxverband mehr. Das Internationale
       Olympische Komitee (IOC) hat den Verband schon 2019 suspendiert. Grund ist
       unübersehbare Korruption, verkörpert in [3][dem IBA-Präsidenten Umar
       Kremlew.] Der ist ein enger Buddy des russischen Präsidenten Wladimir
       Putin, früher war er Mitglied der rechtsradikalen Rockergruppe Nachtwölfe.
       Das olympische Boxen darf die IBA nicht organisieren, [4][das hat das IOC
       zuletzt selbst in die Hand genommen.]
       
       ## Russisch-amerikanisches Bündnis
       
       Was die IBA über Imane Khelif verbreitete, wurde von interessierter Seite
       gerne aufgegriffen. Giorgia Meloni, Elon Musk und Donald Trump, damals noch
       Präsidentschaftskandidat, wetterten gegen Khelif.
       
       Imane Khelif und Lin Yu-ting, die sich beide als cis-Frauen verstehen,
       wurden in den Kulturkampf hineingezogen, ob es mehr als zwei Geschlechter
       gebe – oder: geben dürfe. Die Behauptung, männliche Betrüger würden sich
       als trans Frauen oder intersexuelle Menschen in den Frauensport
       einschmuggeln, um dort sportliche Siege zu ergaunern, steht schon eine
       Weile im Mittelpunkt rechter und rechtsextremer Ideologie. Hier wird eine
       natürliche, eine göttliche Ordnung behauptet, die es zu verteidigen gelte.
       
       Auch die IBA hat bei dem für sie existenziellen Versuch, Weltsportverband
       zu bleiben, diesen Kulturkampf über angeblich falsche Geschlechter in den
       Mittelpunkt gestellt.
       
       Pünktlich mit dem Amtsantritt von Donald Trump wandte sich IBA-Präsident
       Umar Kremlew an den neuen US-Präsidenten. „Aufrichtige Dankbarkeit für Ihre
       starke und prinzipielle Haltung in Bezug auf die Unzulässigkeit der
       Teilnahme nicht teilnahmeberechtigter Athletinnen an Frauenboxwettbewerben“
       wollte er zum Ausdruck bringen. Trump hatte am Tag seines Amtsantritts
       unter anderem ein Dekret verhängt, wonach US-Bundesbehörden nur noch das
       männliche und das weibliche Geschlecht anerkennen dürfen, kein drittes. Nun
       solle sich Trump doch bitte dafür einsetzen, dass bei den Olympischen
       Sommerspielen 2028 Boxen als olympischer Sport stattfindet – von der IBA
       organisiert und nach deren Vorstellungen, wer dabei sein darf oder nicht.
       
       ## Von großem kommerziellen Interesse
       
       Imane Khelif plant nicht, in drei Jahren bei Olympia teilzunehmen. Lin
       Yu-ting jedoch trainiert dafür, ihre Federgewichts-Goldmedaille von Paris
       in Los Angeles zu verteidigen. Die Sportwissenschaftlerin sitzt daneben
       noch an ihrer Doktorarbeit und hat einen Lehrauftrag an der Universität.
       Von der taiwanesischen Regierung wurde sie gegen Angriffe der IBA und von
       Trump in Schutz genommen. Das Bildungsministerium in Taipeh ernannte sie
       zur Antimobbingbotschafterin.
       
       Imane Khelif wird wohl bald Profi. Was kaum bekannt ist: Das war sie 2023,
       ein Jahr vor Olympia, schon einmal. Da bestritt sie in Singapur erfolgreich
       einen Kampf gegen Suwanun Antanai aus Thailand. Für Olympia kehrte Khelif
       zu den Amateuren zurück.
       
       Der britische Promoter Eddie Hearn, einer der Großen im Boxgeschäft, hat
       verkündet, gerne Khelif unter Vertrag zu nehmen. Bei Hearns Unternehmen
       Matchroom Sport boxt auch Katie Taylor, eine der besten Boxerinnen der
       Gegenwart. Zu den Vorwürfen gegen Khelif äußert sich Hearn ambivalent: „Ich
       werde nicht sagen, was richtig oder falsch ist.“ Aber sein ökonomisches
       Interesse an einer Profiboxerin Imane Khelif formuliert Hearn bemerkenswert
       offen: „Erstens ist sie offensichtlich eine talentierte Kämpferin. Zweitens
       ist sie kommerziell gesehen von 30.000 oder so auf über zwei Millionen
       Instagram-Follower gekommen.“
       
       Noch ist Imane Khelif bei keinem Profiboxstall untergekommen. Ob sie
       wirklich bald als Berufsboxerin auftreten wird, ist immer noch offen.
       Sicher ist aber, dass ihr im Profibereich weniger Zumutungen drohen.
       
       28 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.vogue.de/artikel/imane-khelif-olympiasiegerin-boxen
   DIR [2] /Boxerin-Imane-Khelif/!6026589
   DIR [3] /Spaltung-im-internationalen-Boxsport/!5925424
   DIR [4] /Pro-und-Contra/!6025075
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
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