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       # taz.de -- Holocaust-Gedenkstunde: „Ich habe den Teufel gesehen. Wir überschätzen ihn sehr“
       
       > Der Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman erinnerte vor dem Bundestag an
       > das Leiden durch die Shoah – und an das Leiden in seiner Heimatstadt
       > Odessa.
       
   IMG Bild: Roman Schwarzman, Holocaustüberlebender, erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus
       
       Berlin taz | Es ist nicht so, dass die Rede, die Roman Schwarzman am
       Mittwoch zum Gedenken an den Holocaust im Bundestag gehalten hat, allen
       Anwesenden gefallen haben dürfte. Denn dem 88-Jährigen ging es nicht nur
       darum, an das vergangene Leid der Schoah zu erinnern, sondern auch an das
       heutige Leiden in seiner ukrainischen Heimatstadt Odessa. „Damals versuchte
       Hitler mich zu töten, weil ich Jude bin. Jetzt versucht Putin mich zu
       töten, weil ich Ukrainer bin“, sagte Schwarzman. Ende 2023 hat ein
       russisches Geschoss das Viertel getroffen, in dem er mit seiner Frau lebt.
       Seitdem, so sagte er in einem Interview, gehe er bei Luftalarm nicht mehr
       in den Keller. Es werde wohl kaum zweimal das gleiche Gebäude getroffen,
       sagte er zur Begründung. So kann nur ein Optimist sprechen.
       
       Schwarzman setzte Putin mit Hitler nicht gleich, er berichtete nüchtern
       über Analogien, die schwer zu leugnen sind. Von der Angst, vom Widerstand
       und vom Leben. „Die Welt muss aufhören, Angst zu haben“, sagte er.
       
       Aufgewachsen ist er in einer jüdischen Familie mit neun Kindern. Man habe
       nur zwei Betten besessen, die Wände waren aus Lehm geformt, berichtet er
       dem Bundestag. Nach Beginn des deutschen Angriffs im Juni 1941 sei die
       Familie aus ihrem Dorf Berschat in der Zentralukraine mit einem
       Pferdewagen geflüchtet. Doch der Krieg holte sie ein. Sie kehrte ins Dorf
       zurück, wo die SS alle Jüdinnen und Juden in ein Ghetto hinter Stacheldraht
       zwang. Da war Roman Schwarzman gerade einmal vier oder fünf Jahre alt.
       
       ## 88 Jahre zählt der rüstige Mann heute
       
       Er erinnere sich, zusammen mit anderen Kindern das Wasser getrunken zu
       haben, mit dem die Nazis und ihre rumänischen Helfer ihr Kochfleisch
       gesäubert hatten, des kleinen bisschen Fett darin wegen. „Zweieinhalb Jahre
       mit ständigem Hunger“ erzählt er über die Zeit im Ghetto von Berschat.
       Roman überlebte. Tausende andere dort nicht, darunter ein Bruder, der
       erschossen wurde.
       
       88 Jahre zählt der rüstige Mann heute. Ob das freilich sein richtiges Alter
       ist, weiß er nicht sicher. Denn nach dem Krieg waren Papiere verloren
       gegangen. Der Vater war gefallen. So wurde sein Lebensalter geschätzt.
       Verbürgt ist nur sein Geburtstag, der 7. November. Der Jahrestag der
       Oktoberrevolution.
       
       In der Sowjetunion wurde ihm nahe gelegt, seinen jüdisch klingenden
       Nachnamen abzulegen. Synagogen wie Kirchen wurden geschlossen, seiner
       Tochter ein Medizinstudium verweigert, weil sie Jüdin ist. Schwarzmans
       Befreiung, das war neben dem Sieg der Roten Armee gegen Hitler 1944/45 die
       Unabhängigkeit der Ukraine 1991 und damit die Freiheit, Jude zu sein, ohne
       Angst haben zu müssen. Er hat die Erinnerung an die NS-Gräuel und ihre
       Opfer zu seiner Lebensaufgabe gemacht. In Odessa hat er in einem Wohnhaus
       ein kleines Holocaust-Museum initiiert. Sein Verband der Ghetto- und
       KZ-Überlebenden kümmert sich um die letzten Überlebenden der
       NS-Barberei. Er sei mit 88 ja noch jung, scherzt er im Vorfeld seiner
       Bundestagsrede. Doch das Ziel, ein Denkmal für die mehr als 25.000 in der
       Stadt ermordeten Jüdinnen und Juden zu errichten, hat Putins Krieg vorerst
       zunichtegemacht.
       
       Dieser Krieg, so betonte Roman Schwarzman, dürfe für die Ukraine nicht
       verloren gehen. Er dankte den Deutschen für ihre Unterstützung, auch für
       die gelieferten Waffen, und bat um mehr Unterstützung. Die Barbarei müsse
       in ihre Schranken verwiesen werden, sagte er. „Ich war im Ghetto. Ich habe
       den Teufel gesehen. Wir überschätzen ihn sehr. Seine Kraft ist nicht größer
       als die, die wir ihm selbst beimessen.“
       
       29 Jan 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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