URI: 
       # taz.de -- Nato-Treffen der Ostsee-Anrainer: Das Meer vor Putin schützen
       
       > Schrottschiffe sollen im Auftrag Russlands in der Ostsee verkehren und
       > vermehrt Unterseekabel zerstören. Die Nato will nun Schiffe und Flugzeuge
       > entsenden.
       
   IMG Bild: Der russischen Schattenflotte auf der Spur: Einsatz der estnischen Marine in der Ostsee im Januar 2025
       
       Helsinki taz | Finnland hatte landestypisch aufgetafelt. Das Menü beim
       Treffen der Ostsee-Anrainer-Länder bestand aus cremiger Schwarzwurzelsuppe,
       geröstetem Saibling und Moltebeerenpudding. Es war das erste Nato-Treffen
       beim Neumitglied, die Gäste sollten sich wohlfühlen. Der Anlass des
       Treffens war weniger angenehm: In den vergangenen Wochen [1][wurden immer
       wieder Unterseekabel absichtlich beschädigt.] Alle Indizien weisen auf den
       neunten Anrainerstaat hin, der beim Treffen nicht eingeladen war: Russland
       und dessen Schattenflotte.
       
       Der Begriff „Schattenflotte“ steht für schrottreife Tanker, die wie die
       Eagle S etwa unter Flagge der Cookinseln fahren und für Russland Öl
       transportieren. Dabei sollen sie aber auch das eine oder andere
       Unterseekabel mit ihren Ankerketten mitnehmen und durchtrennen. Der EU sind
       79 solcher Schiffe in der Ostsee bekannt. Nach den Vorfällen [2][am ersten
       Weihnachtsfeiertag], als mehrere Kabel, darunter Strom- und Glasfaserkabel,
       zwischen Finnland und Estland gekappt wurden (vermutlich von der Eagle S),
       rief Finnlands Präsident Alexander Stubb die anderen Partner zum Treffen in
       Helsinki zusammen.
       
       Dort einigten sich die acht Anrainerstaaten Deutschland, Dänemark, Estland,
       Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden am Dienstag darauf, die
       „Angriffe“ mit einer „robusten und entschlossenen“ Antwort zu parieren, wie
       es in der Abschlusserklärung heißt. Die Nato will ihre Präsenz in der
       Ostsee deutlich verstärken und mehrere Schiffe sowie Flugzeuge entsenden,
       wie der ebenfalls geladene Generalsekretär Mark Rutte bekräftigte.
       
       Nato-Fahrzeuge sollen nun die unterseeische Infrastruktur im Auge behalten
       und schützen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll die
       Mission namens „Baltic Sentry“ insgesamt etwa zehn Schiffe umfassen.
       Estland lässt bereits ein Marineschiff im Finnischen Meerbusen
       patrouillieren. Auch Deutschland will sich beteiligen, die Rede ist von
       einem Schiff und einem Flugzeug. Die staatlichen Patrouillen sollen auch
       verstärkt mit privaten Reedereien zusammenarbeiten, etwa um Informationen
       auszutauschen.
       
       ## Drohnenflotte zur Überwachung
       
       Geplant ist auch die Aufstellung einer Drohnenflotte zur Überwachung. Dazu
       soll das Verteidigungsministerium eine gemeinsame Tagung mit der
       Rüstungswirtschaft einberufen.
       
       Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich auch dafür aus, juristisch gegen
       Schiffe vorzugehen, die Zerstörung verursachten. Man müsse die
       Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Dafür soll eine Arbeitsgruppe
       gegründet werden, die die Rechtslage analysiert. „Diese kritischen
       Infrastrukturen sind von allergrößter Wichtigkeit für die Sicherheit
       unserer Länder“, so Scholz. Deshalb müsse man alles dafür tun, sie zu
       sichern.
       
       Klar ist aber auch: Lückenlos überwachen lässt sich das Meer nicht.
       Russland wird offiziell zwar nicht explizit als Schuldiger benannt – die
       Rede ist in der Abschlusserklärung von „bösartigen Akteuren“. Doch
       eigentlich sind sich alle einig, dass Russland für die Sabotageakte
       verantwortlich ist. Man müsse davon ausgehen, dass die Unfälle Teil einer
       hybriden Strategie seien und russische Aktivitäten hinter all diesen
       Ereignissen zu stehen scheinen, so Olaf Scholz.
       
       Auch Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ist überzeugt: So
       versuche Russland seinen Krieg in der EU fortzusetzen. Sie begrüßte
       ausdrücklich die Präsenz der Nato in der Ostsee. „Wir sind sehr happy“.
       
       Litauens Präsident Gitanas Nauseda sprach sich zudem dafür aus, die
       Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Die Präsenz der Schattenflotte
       zeigte, dass diese nicht wirkten.
       
       Gastgeber Stubb und Michal nannten das Treffen in Helsinki abschließend
       einen Erfolg, was man nicht zuletzt an der „robusten gemeinsamen Erklärung“
       sehen könne. Der Begriff „robust“ fiel an diesem Tag immer wieder, man will
       Stärke und Entschlossenheit demonstrieren.
       
       „Wir versuchen immer mindestens einen Schritt voraus zu sein“, sagte Stubb.
       „Manchmal wird uns das nicht gelingen, und dann reagieren wir hoffentlich
       so wie am 25. Dezember.“ Damit bezieht er sich auf Finnlands allgemein als
       entschlossen und stark bewertete Reaktion am ersten Weihnachtstag: Die
       Eagle S sei schnell als infrage kommender Verursacher mehrerer Kabelbrüche
       identifiziert und sofort zum Halt aufgefordert worden. „Der Schaden wäre
       noch viel größer geworden, wäre sie nur zwölf Minuten weitergefahren“,
       sagte Stubb.
       
       „Wir haben die Möglichkeit, zu handeln“ 
       
       In einem bisher nie dagewesenen Vorgehen wurde der Tanker aufgefordert,
       sich in finnische Gewässer zu begeben, wo finnische Behörden ihn dann
       betraten und schließlich für Ermittlungen konfiszierten. „Vor einem Jahr
       kam ein Schiff in ähnlicher Situation noch davon, im November wurde ein
       weiteres schon mal von Behörden betreten, im Dezember wurde dieses nun
       konfisziert“, sagte Stubb, um die Entwicklung zu zeigen. „Wir haben die
       Möglichkeit, zu handeln.“
       
       Ein Schritt-für-Schritt-Report über die finnische Vorgehensweise werde den
       anderen Anrainern bald geliefert. Die Reaktion sei natürlich jeweils
       nationale Angelegenheit, betonte Stubb. Der estnische Regierungschef
       [3][Kristen Michal] sieht das finnische Vorgehen im Fall Eagle S jedenfalls
       als Maßstab für die Zukunft, wie er auf der Abschluss-Pressekonferenz
       betonte.
       
       Das abschließende Mittagessen ließ Deutschlands Vertreter Scholz dann
       sausen. Der Kanzler wurde als Wahlkämpfer in Chemnitz erwartet. Sein
       außenpolitischer Berater vertrat ihn.
       
       14 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kaputte-Untersee-Datenkabel-in-Ostsee/!6052914
   DIR [2] /Kaputte-Untersee-Datenkabel-in-Ostsee/!6052914
   DIR [3] /Nachfolge-als-Ministerpraesident/!6021154
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
   DIR Anne Diekhoff
       
       ## TAGS
       
   DIR Nato
   DIR Ostsee
   DIR Ukraine
   DIR Finnland
   DIR GNS
   DIR Hybrider Krieg
   DIR Dänemark
   DIR Wladimir Putin
   DIR Nato
   DIR Baltische Staaten
   DIR Glasfaserkabel
   DIR Nato
   DIR Ostsee
   DIR Sabotage
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Dänemark reagiert auf hybride Bedrohung: Alarmglocken in Kopenhagen
       
       Dänemarks militärischer Nachrichtendienst bewertet die Lage nun eindeutig.
       Russland führe einen hybriden Krieg gegen Dänemark und den Westen.
       
   DIR Sicherheit im Ostseeraum: Dänemarks Infanterie kommt nach Bornholm
       
       Die Ostsee-Insel Bornholm steht im Fokus einer größeren Umstrukturierung
       des dänischen Heeres. Militärische Aufklärung reicht der Regierung dort
       nicht mehr aus.
       
   DIR Hybrider Krieg: Greenpeace warnt vor Schattenflotte
       
       Putin treibt mit russischer Schattenflotte sein Unwesen auch im Mittelmeer.
       Italiens Behörden zeigen wenig Aufklärungseifer.
       
   DIR Sabotage-Verdacht: Erneut Schaden an Ostsee-Kabel entdeckt
       
       Ein Datenkabel weist zum zum dritten Mal innerhalb weniger Monate Schäden
       auf. Schwedens Polizei prüft, ob Sabotage vorliegen könnte. Auch Brüssel
       reagiert.
       
   DIR Russisches Energiesystem: Baltische Staaten koppeln sich ab
       
       Die russischen Stromimporte hatten sie im Zuge des Ukraine-Kriegs schon
       eingestellt. Am Samstag haben sich Litauen, Lettland und Estland auch vom
       gemeinsamen Stromnetz mit dem Nachbarland gelöst.
       
   DIR Neues beschädigtes Ostseekabel: Wieder ein Frachter unter Sabotageverdacht
       
       Diesmal wurde ein Kabel zwischen der schwedischen Insel Gotland und
       Lettland beschädigt. Schweden leitet Ermittlungen auf dem festgesetzten
       Fahrzeug.
       
   DIR Nato-Treffen der Ostsee-Anrainer: Ende der Tatenlosigkeit
       
       Die Ostsee-Anrainer der Nato wollen sich besser vor Sabotageaktionen
       schützen. Das sind erste Schritte gegen das böse Treiben Putins im Meer.
       
   DIR Nato-Treffen in Finnland: Schweden rüstet gegen die Schatten in der Ostsee
       
       Ministerpräsident macht vor Nato-Treffen klar: Die Sabotage in der Ostsee
       werte man als Eskalation. Nato-Partner sehen Russland verantwortlich.
       
   DIR Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee: Marineaufgebot gegen Saboteure
       
       Erneut sind Untersee-Datenkabel in der Ostsee beschädigt worden. Nun soll
       Militär gegen die russische Schattenflotte helfen.
       
   DIR Ökonom über Sanktionen gegen Russland: „Russland wird immer probieren, die Sanktionen zu umgehen“
       
       Mit gezielten Maßnahmen gegen Öltanker versucht die EU erneut, Russlands
       Wirtschaft in die Knie zu zwingen. Doch das ist nicht einfach, sagt der
       Handelsökonom Julian Hinz.