# taz.de -- Regierungserklärung in Frankreich: Regieren im Schleudersitz
> Schuldenkrise und Rentenreform stehen im Zentrum des Programms des neuen
> französischen Premiers Bayrou. Er hofft, ein paar Monate regieren zu
> können.
IMG Bild: Frankreichs Premierminister François Bayrou am Dienstag in der französischen Nationalversammlung
Paris taz | Vor den Abgeordneten der französischen Nationalversammlung
hielt der vor Weihnachten ernannte Premierminister [1][François Bayrou]
seine Antrittsrede mit der Regierungserklärung. Darin skizzierte er sein
Rezept, mit dem er es als Regierungschef besser machen möchte als sein
konservativer Vorgänger Michel Barnier, [2][der nach nur drei Monaten im
Amt bei einer Vertrauensabstimmung von den für ein Votum vereinten
Oppositionsfraktionen gestürzt wurde].
Der Zentrumsdemokrat aus den Pyrenäen, der in den Jahren zuvor als graue
Eminenz den Staatspräsidenten Emmanuel Macron beraten hatte, ist sich nur
zu gut bewusst, dass seine Ausgangslage denkbar schlecht ist. Frankreich
steckt in einer politischen und finanziellen Krise, nie seit dem Zweiten
Weltkrieg sei Frankreich so sehr verschuldetet gewesen, sagt Bayrou. Er
verfügt in der Nationalversammlung nicht über eine regierungsfähige
Mehrheit und ist dem Goodwill der Opposition ausgeliefert.
Bayrou zitiert eine Umfrage, laut der 84 Prozent seiner Landsleute denken,
dass seine Regierung nicht bis zum Sommer überleben werde. „Ich weiß nicht,
woher sie diesen Optimismus nehmen“, scherzt der Regierungschef mit viel
Ironie. Sehr ernst ist er aber, wenn es um den hohe Verschuldung
Frankreichs geht. „Die dramatische Situation verpflichtet uns, mutig zu
sein“, meint Bayrou. Die drastisch verschlechterte Finanzlage sei nicht nur
wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf, sie verhindere auch politische
Lösung, wenn sie nicht erstens mit völliger Transparenz und zweitens mit
einem verantwortungsvollen Staatshaushalt angegangen werde.
In kürzester Zeit soll bei einer „Flash-Mission“ der wahre Zustand der
öffentlichen Finanzen geprüft und dann uneingeschränkt der Öffentlichkeit
bekannt gegeben werden. Alle bisherigen Regierungsparteien hätten eine
Mitschuld am heutigen Schuldenberg, meinte Bayrou, der auch die
Oppositionsfraktionen daran erinnert, sie hätten sich mit ihren ständigen
Forderungen nach Mehrausgaben ebenfalls „alle beim Tango der Verschuldung
mitgetanzt“.
## Streitpunkt Rentenreform bleibt zunächst
Seinen Vorschlag für den Staatshaushalt des laufenden Jahres will Bayrou
erst Ende des Monats vorlegen. Darin werde er bedeutende Einsparungen
vorschlagen. Dank eines Wachstums von 0,9 Prozent möchte er das Defizit bis
Ende 2025 auf 5,4 Prozent und bis 2029 auf die seit Langem angestrebten 3
Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken. Diese Debatte und die
unvermeidliche Vertrauensabstimmung dürfte zu einem Test für Bayrous
politische Existenz werden.
In einem anderen Streitpunkt, der in Frankreich sehr umstrittenen Reform
von 2023 mit der [3][Erhöhung des Rentenalters] von 62 auf 64 Jahre, will
Bayou etwas Handlungsspielraum und Zeit gewinnen. Er spielt den Ball an die
Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeber) weiter, die unter sich „in
einem Konklave“ eine Einigung finden sollen.
Im Herbst könnte dann „ohne Tabus“ über eine neue Reform diskutiert werden.
Selbst die Frage des gesetzlichen Ruhestandalters könnte in Frage gestellt
werden, solange das vorgegebene Ziel der langfristigen Finanzierung der
Altersvorsorge dem nicht geopfert werde. Falls sich nicht rasch eine
akzeptable Lösung abzeichne, müsse die verabschiedete Reform weiter
umgesetzt werden, präzisiert der Premierminister.
Das entspricht nicht den Forderungen der linken Opposition, die im Minimum
eine Pause oder besser noch eine definitive Rücknahme der Reform verlangt
hatte. Die radikale Linkspartei La France insoumise will darum umgehend
einen Misstrauensantrag einreichen. Beim Votum, voraussichtlich am
Donnerstag, dürfte sich indes keine Mehrheit gegen Bayrou ergeben, da die
Rechtspopulisten von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) und auch
ein Teil der Linken die Regierung wenigstens bis zur Haushaltsdebatte
gewähren lassen wollen.
14 Jan 2025
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## AUTOREN
DIR Rudolf Balmer
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