URI: 
       # taz.de -- Gute Vorsätze: Neues Jahr, neues … Ach, egal!
       
       > Wir alle schlagen uns mit Dingen herum, die wir gerne ändern würden. Doch
       > das ist oft schwieriger als gedacht. Fünf Geschichten vom Scheitern.
       
   IMG Bild: Noch viel Platz für gute Vorsätze
       
       ## Morgenstund’ hat… Schnarch
       
       Ich wollte im neuen Jahr der frühe Vogel sein. Jemand, der nach dem ersten
       Weckerklingeln aus dem Bett springt – oder, na gut, nach dem zweiten.
       Jemand, der sich schnell anzieht und dann ganz gemütlich beim
       Nachrichtenhören Kaffee kocht. Entspannt. Nicht hektisch neben all den
       anderen Dingen, die sonst noch zu erledigen sind. In meiner Vorstellung
       würde meine Morgenroutine auch dafür sorgen, dass der Tag mit mehr Ruhe
       verläuft. Ich erhoffe mir dadurch nicht weniger Arbeit, aber mehr Halt in
       impulsiven Zeiten, die Kopfschmerzen bereiten.
       
       Doch was soll ich sagen: Mein guter Vorsatz hat sich bereits nach dem
       Aufwachen im Kaffee ertränkt. Mein Wecker klingelt zwar zuverlässig, auf
       ihn kann ich mich verlassen. Doch dann beginnt die morgendliche
       Abwärtsspirale, auch bekannt als Snooze-Taste. Ich drücke ein, zwei, drei,
       viele Male. In einer Endlosschleife, bei der aufzustehen mit Sicherheit die
       entspannendere Entscheidung gewesen wäre. Johanna Weinz
       
       ## Und nun das „heute-journal“
       
       Mit einem Druck auf den roten Knopf startet das „Morgenmagazin“. Nach
       anderthalb Stunden Newsdösen habe ich alle Neuigkeiten dreimal gehört, aber
       keine so richtig. Ich lege mit Berichterstattung von der Frankfurter Börse
       und mit Pressekonferenzen auf den Nachrichtenkanälen nach, bevor ich beim
       Frühstück mit Heile-Welt-Comedy auf Pro-Sieben durchatme. Danach läuft
       meist so lange ZDF, bis der Energiesparmodus die Dauerberieselung
       unterbricht: „Küchenschlacht“, „Bares für Rares“, „Rosenheim-Cops“ – warum
       tu ich mir das an?
       
       Niemand außer mir schaut noch fern. Ich lerne nichts, ich verpasse nichts,
       ich verblöde. Wahrscheinlich fühle ich mich ohne Hintergrundrauschen
       einsam, sagt mir ein Freund beim Sportschaugucken. Weil mich die
       Nachrichtenlage mehr denn je verbittert hätte, könnte ich in diesem Jahr
       doch mal meinen Fernsehkonsum einschränken, schlägt er vor.
       
       Mehr Sport und weniger trinken, daran bin ich letztes Jahr gescheitert.
       Aber dieser Vorsatz ist leicht, der klappt bestimmt, höre ich mich oder
       Markus Lanz sagen, als ich auf der Couch wegdämmere. Und nun das
       „heute-journal“. Philipp Brandstädter
       
       ## Verliebt in Solitär
       
       Es ist kein Neujahrsvorsatz, das hier ist ein Lebensvorsatz: Ich will nicht
       länger Solitär spielen am PC. Es raubt Zeit, es ist langweilig, es führt
       nirgendwo hin. Angefangen hat es vor ungefähr 25 Jahren, als B. am Horizont
       erschien. Ich sah mich nur noch Solitärspielen am PC. Im Umkehrschluss
       kapierte ich: Ah, ich bin verliebt. Irgendwann wurde aus Verliebtsein
       Liebe, ich hörte dennoch nicht auf mit der digitalen Patience. Deshalb
       löschte ich das Spiel.
       
       So geht das seither weiter. Es gibt immer wieder diese Momente, wo ich auf
       dem Sofa vor mich hin starre und Lust kriege auf Solitär. Inzwischen ist es
       ein Leichtes, neue Spielplattformen im Netz zu finden, wo es angeboten
       wird. Ich probiere sie aus, verhake mich, lasse mir Zeit rauben, klicke auf
       Karten, und dann blockiere ich die Seite irgendwann. Nur um eine Weile
       später nach einer neuen Internetseite zu suchen, die Solitärspiele
       anbietet.
       
       Gerade gefällt mir Doppelsolitär – Solitär mit zwei Kartendecks. Warum?
       Weil bei jeder abgelegten Karte ein Ton erklingt. Es ist dieser Ton, der
       mich berauscht. Waltraud Schwab
       
       ## To-do or Not-to-do
       
       Mein Faible für Schreibwaren drängt mich regelmäßig, ein neues Büchlein
       oder Stifte zu kaufen. Dabei stehen schon mehr als genug angefangene
       Notizbücher bei mir zu Hause im Regal. Aber mich reizt der Gedanke, neue,
       frische Seiten zu beschreiben, ästhetisch zu gestalten und damit einen
       Neustart für mehr Ordnung in meinem Leben zu wagen.
       
       Ich bin etwas verpeilt. Bei mir klappt alles eher so irgendwie statt
       optimal. Eine Zeit lang entschlüpfte mir fast täglich, ob beim Einkaufen,
       abends im Bett oder im Gespräch mit anderen, ein „Oh, shit!“. Immer dann,
       wenn mir wieder eine Aufgabe eingefallen war, die ich zuvor vergessen
       hatte. Gerne wäre ich ein Mensch mit Plan, deshalb sehne ich mich nach
       To-do-Listen. Zugleich finde ich es absolut ätzend, sie auszufüllen.
       
       Oft bin ich zu ungeduldig, mich überhaupt hinzusetzen und die Aufgaben
       aufzuschreiben. Auch, weil ich dann schnell über alles nachdenke, das ich
       gerne kurz-, mittel- und langfristig tun würde oder müsste, vom
       Wäschewaschen über den Anruf bei meinen Eltern bis zum Jahresziel, mein
       Französisch zu verbessern. Den Versuch, mein ganzes Leben in Listen zu
       sortieren, habe ich aufgegeben.
       
       Um meine Verpeiltheit in den Griff zu bekommen, haben es die wichtigsten
       Termine mittlerweile in meinen Handykalender geschafft. Ein fauler
       Kompromiss, finden die leeren Notizbücher im Regal. Adefunmi Olanigan
       
       ## Ein Freund, ein guter Freund
       
       Irgendwann haben wir uns aus den Augen verloren, ein Studienfreund und ich.
       Das heißt: Ich habe dafür gesorgt, dass wir uns verlieren, denn ich habe
       mich nicht mehr gemeldet, habe Anrufe nicht beantwortet, es auspendeln
       lassen. Eine Freundschaft ging dahin, die über einige Jahre recht intensiv
       gehalten hatte.
       
       Lang schon ist das her, und kaum weniger lang die Zeit, seitdem ich mir
       immer mal wieder vornehme, ihn zu kontaktieren. Die Freundschaft wieder
       aufleben lassen, falls das geht. Aber dafür müsste ich erklären, warum ich
       ausstieg. Und daran scheitert es, denn es hat mehr mit mir zu tun als mit
       ihm.
       
       Ich kann ihm keine Schuld zuweisen, ich war es selbst. Könnte ich es
       überhaupt erklären? Vielleicht so: Ich wollte oder konnte – kleinkariert –
       nicht akzeptieren, wie er sich in sein neues Leben fand. Das Leben nach dem
       Studium. Solider werdend, spießiger, Zwängen unterliegend. Er wählte einen
       Anzugtypenberuf, seine Freundin wurde seine Frau, sehr nett, mir aber zu
       sehr auf ihn einwirkend. Er verschwand dahinter. Das Gedicht von Tucholsky
       fällt mir ein, wenn ich darüber nachdenke, „Frauen von Freunden“,
       Hauptfigur die Frau, die sich im Leben des Freundes ausbreitet, darin die
       Zeile: „Er ist nicht mehr unser Freund: er ist ihr Mann.“
       
       Das Ende kam, als wir die Familie des Freundes zum ersten Mal im neuen Haus
       besuchten. Ein regnerischer Tag, auf den Böden waren Laufwege mit Pappe
       ausgelegt, nichts sollte schmutzig werden. Seine Bücher standen im Keller,
       sie wollte sie nicht oben haben. „Wirklich?“
       
       Es hätte sich gelohnt, das auszuhalten. Um seiner, um meiner, um der
       Freundschaft willen. Aber ich war zu eng in Kopf und Herz – und schiebe die
       Kontaktaufnahme weiter vor mir her. Felix Zimmermann
       
       3 Feb 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Waltraud Schwab
   DIR Felix Zimmermann
   DIR Adefunmi Olanigan
   DIR Johanna Weinz
   DIR Philipp Brandstädter
       
       ## TAGS
       
   DIR wochentaz
   DIR Vorsätze
   DIR Dry January
   DIR Disziplin
   DIR Schwer mehrfach normal
   DIR Kolumne Aus dem Leben einer Boomerin 
   DIR Vorsätze
   DIR Roman
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Cannabisanbau im Familienverband: Mein Papa, der Perfektionist
       
       Ich habe mir vorgenommen, mehr Drogen zu konsumieren. Deshalb möchte ich
       meinen Vater überzeugen, neben seinen Sonnenblumen auch Cannabis anzubauen.
       
   DIR Ausgehtipps für Ältere: Uneitel ausgehen als Vorsatz fürs neue Jahr
       
       Dry January? Quatsch! Gerade Menschen jenseits der Lebensmitte sollten sich
       vornehmen, im neuen Jahr öfter auszugehen.
       
   DIR Die Wahrheit: Gut gelogen und betrogen
       
       Schlechte Nachsätze fürs neue Jahr: Ein Hoch auf die abgrundtiefe
       Selbstzerstörung. Mit viel üblem Willen und besinnungsloser Niedertracht.
       
   DIR Roman „Kleine Probleme“: Schöpfungsakte mit Ikea-Bett
       
       Wenn auf der To-do-Liste „Du sollst dein Leben ändern“ steht. Nele
       Pollatschek hat eine Mischung aus Bekenntnis- und Schelmenroman
       geschrieben.