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       # taz.de -- Neuerung des Videobeweis: Schiris zum Kasper machen
       
       > Die Premiere mit Schiedsrichtern am Stadionmikrofon bleibt aus. Ein Glück
       > für die Betroffenen! Die Idee bringt weder Transparenz noch andere
       > Vorteile.
       
   IMG Bild: Tobias Reichel muss beim Spiel St. Pauli gegen Augsburg nicht ans Mikrofon
       
       Dortmunds Interimstrainer Mike Tullberg hat einiges dafür getan, als
       glücklichster Mensch dieses Bundesligaspieltags zu gelten. Seine
       exaltierten Freudengebärden nach dem Sieg in Heidenheim vor der Dortmunder
       Kurve werden noch lange eine Erinnerung bleiben. Nicht weniger glücklich
       muss man sich jedoch die beiden eher stillen Genießer Florian Exner und
       Tobias Reichel vorstellen.
       
       Die beiden Schiedsrichter waren für den ersten [1][VAR-Testlauf] in der
       ersten Liga auserkoren. Hätte der Videobeweis bei den Bundesligabegegnungen
       zwischen Bayer und Kiel oder zwischen St. Pauli und Augsburg eingegriffen,
       wäre folgende Premiere zwangsläufig erfolgt: Exner und Reichel hätten an
       das Stadionmikrofon treten und dem Stadionpublikum eine Erklärung bieten
       müssen, weshalb sie auf Zuruf der VAR-Schiedsrichter und nach Studium der
       Videobilder zu welcher auch immer gearteten Entscheidung gekommen sind.
       
       Dieses neue Verfahren soll bis zum Ende der Saison getestet werden, und die
       Deutsche Fußball Liga begründet die Maßnahme damit, dadurch mehr
       Transparenz zu schaffen. Ein dürftiges Argument, weil lediglich nun hörbar
       gemacht wird, was dem Publikum in vielen Stadien schon über die
       Stadionanzeigetafel schriftlich erklärt wird. Warum die unter hohem
       Belastungspuls stehenden Referees das auch noch selbst übernehmen müssen,
       bleibt selbst erklärungsbedürftig.
       
       ## Aufs Blut gereizte Publikum
       
       Erst entmachtet die DFL die Schiedsrichter, indem die Illusion erzeugt
       wird, im Fußball könne mit dem Einbezug von technischen Hilfsmitteln
       [2][eine objektivierbare Gerechtigkeit] hergestellt werden. Und dann müssen
       genau diese sich auch noch zum Kasper machen und einem möglicherweise bis
       aufs Blut gereizten Publikum erklären, weshalb der Spieler des Heimteams
       bei Betrachtung aus sieben Perspektiven und fünf Zeitlupen dann eben doch
       seine Hand dazu benutzt hat, seine Körperfläche zu vergrößern, und ein
       Elfmeterpfiff alternativlos ist.
       
       Die DFL hat sich an der National Football League in den USA orientiert.
       Dort kommunizieren die Schiedsrichter seit 1975 mit dem Publikum. Was bei
       dem Transfer nun nicht bedacht wurde: die andere Zuschauerkultur sowie die
       unter deutschen Fußballfans [3][teils starke Ablehnung] der derzeitigen
       Handhabung des Videobeweises.
       
       Zu häufig bewegen sich Entscheidungen in einem nicht nachvollziehbaren
       Graubereich. Florian Exner und Tobias Reichel haben noch einmal Glück
       gehabt.
       
       2 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dfl.de/de/aktuelles/dfl-startet-pilotprojekt-zur-durchsage-von-schiedsrichter-entscheidungen/
   DIR [2] /Umstrittener-Videobeweis/!6017764
   DIR [3] /Videobeweis-im-Fussball/!6042853
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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