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       # taz.de -- Wahlen, Wahlen, Wahlen: Ein Vorgeschmack
       
       > Diese Woche gab es: Führerschein statt Führersein, ein Praktikum bei
       > Donald, die verwaiste „Merkel-Mitte“ und die coolste Oppositionelle.
       
   IMG Bild: Heidi Reichinnek machte vergangene Woche eine deutliche Ansage
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Der Mittwoch.
       
       taz: Und was wird besser in dieser? 
       
       Küppersbusch: Mehr Freitag wagen.
       
       taz: War diese Woche eine [1][Zäsur, ein Dammbruch, der Fall der
       Brandmauer] oder nur Wahlkampf? 
       
       Küppersbusch: Ein Vorgeschmack.
       
       taz: CDU/CSU plus FDP plus AfD – die neue Regierungskoalition? 
       
       Küppersbusch: Die FDP hat das [2][„Zustrombegrenzungsgesetz“] im November
       im Innenausschuss abgelehnt, wollte ihm diese Woche zustimmen, es dann
       wieder rücküberweisen und zersplitterte sich schließlich in der Abstimmung.
       Kurz: Wenn die nicht wissen, was sie wollen, warum soll die jemand wollen?
       Blieben Union und AfD. Der Merz-Move war eine Blutgrätsche in den Rücken
       vor allem ostdeutscher CDUler, die die „Brandmauer“ hielten und künftig
       einen Präzedenzfall gegen sich haben. So wird zuerst ein Bundesland kippen,
       im Bund stehen noch zu viele schwarz- und rot-grüne MPs dagegen. Apropos
       „Zustrombegrenzungsgesetz“: Vor ein paar Jahren wäre das Wortgetüm als
       schiere Demagogie geächtet worden, heute glitscht es nachrichtlich durch.
       So geht Rechtsrutsch.
       
       taz: Ist Merz der deutsche Trump? 
       
       Küppersbusch: Erst mal kommt ein großes A für Anfänger ans Kanzleramt. Bei
       dem Mann ist mehr Führerschein als Führersein, wie er diese Woche
       entblößte. Die lose Kanone aus Brilon verschwurbelt sich mal in sich selbst
       erhöhende Staatsträgerei, dann erbricht er nebenher rechtsextreme Lügen ins
       Parlament. Seine „tägliche Gruppenvergewaltigung im Asylbewerbermilieu“
       überrumpelte selbst die Krawattenhooligans von der AfD, man kommt ja nicht
       zum Klatschen vor lauter Freude. Sein Management lehnt sehr viele
       Medientermine ab; die wissen, warum. Merz ist der erste Multimillionär, der
       ins Kanzleramt will, bei Trump sitzen 13 Milliardäre um den Kabinettstisch.
       Da dürfte er Kaffee reinbringen. Generation Praktikum.
       
       taz: Michel Friedman ist aus der CDU ausgetreten. Hat Merz mit seinen
       Manövern diese Woche seinen sicher geglaubten Kanzlerposten verspielt? 
       
       Küppersbusch: Binnen drei Wochen tauschen die den Kandidaten nicht mehr
       aus. Danach kann sich das Drama dieser Woche wiederholen: Wenn SPD oder
       Grüne nur ohne Merz koalieren wollen, fliegt ihnen die „staatspolitische
       Verantwortung“ um die Ohren. Söder wäre schlimmer, Günther zu klein, Wüst
       müsste putschen. Man wird ja noch träumen dürfen.
       
       taz: Ist die CDU auf dem Weg, den die Republikaner schon hinter sich haben? 
       
       Küppersbusch: Die Tea Party ging unter Trump in den Republicans auf. Die
       AfD sieht sich jedoch als Nachfolgerin, nicht als Teil der Union. Die
       Trümmertruppe von Verfassungsspaßvogel Maaßen ist gescheitert. Nein, und
       das ist keine gute Nachricht, Union und AfD werden weiterhin konkurrieren.
       
       taz: Fällt den Grünen noch irgendwas ein, damit es einen Grund gibt, sie zu
       wählen? 
       
       Küppersbusch: Jedenfalls haben sie die schnellste und pointierteste
       Agentur. Binnen Stunden war das Thema Wortbruch auf den klugerweise
       gebuchten City-Light-Plakaten. Schon vorher erbot sich Habeck, die
       verwaiste [3][„Merkel-Mitte“] zu adoptieren. Wer die Grünen eh wählen
       wollte, weiß jetzt noch besser, warum.
       
       taz: Die Linke ist momentan stärker als das BSW oder die FDP. Lohnt es sich
       wieder, die Linke zu wählen? 
       
       Küppersbusch: Die Linke setzt auf Themen wie Wohnungsbau und soziale
       Gerechtigkeit. Sie macht weder das Agendasetting der AfD mit, noch die
       gehemmte Nüchternheit der „Mitte“. Eine Antwort auf den grassierenden
       Rechtspopulismus ist – Linkspopulismus. Das scheint, ausweislich der
       Umfragen, zu klappen – 4 bis 5 Prozent und die möglichen Direktmandate.
       Kann man also wählen, wenn man ganz sicher in die Opposition, aber weiter
       sehr coole Reden von Heidi Reichinnek hören möchte.
       
       taz: Haben Feminismus, Klimawandel, Wohnungsnot, Obdachlosigkeit,
       Teuerungsrate und Verwahrlosung der Städte durch die Zunahme starker
       Drogenabhängigkeit noch eine Chance als Wahlkampfthema? 
       
       Küppersbusch: Ja! In einer besseren Welt!
       
       taz: Entwickelt sich die Situation im Nahen Osten in eine gute Richtung? 
       
       Küppersbusch: Trump will Gaza entvölkern und ein Berater das
       Westjordanland israelisch besiedeln. Ich hätte spontan keine noch
       schlechtere Idee.
       
       taz: Und was macht der RWE? 
       
       Küppersbusch: Verpflichtet Spieler vom unterklassigen SV Straelen, die dort
       von Inka Grings entdeckt wurden, als sie erste Trainerin einer
       Herrenmannschaft war. Nächstes Mal direkt die Trainerin holen.
       
       Fragen: Fridolin Haagen und Doris Akrap
       
       2 Feb 2025
       
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