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       # taz.de -- Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte: Ohne Brandmauer wird es brennen
       
       > Straftaten gegen Geflüchtetenunterkünfte nahmen 2024 wieder zu. Mit der
       > AfD zu paktieren, heißt, diese rechtsextreme Gewalt politisch zu
       > legitimieren.
       
   IMG Bild: Rostock-Lichtenhagen 1992
       
       Die Zahlen müssen ein Weckruf sein: Politisch motivierte Straftaten gegen
       Geflüchtetenunterkünfte steigen wieder. Die Polizei verzeichnete 2024 218
       Fälle, 51 mehr als 2023. Bei 28 der Taten geht es um Gewaltdelikte, 14
       Personen wurden dabei verletzt, darunter ein Kind. Diese Zahlen gehen aus
       der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Gruppe
       der Linken im Bundestag hervor, wie zunächst das [1][Redaktionsnetzwerk
       Deutschland am Sonntag berichtete].
       
       Die geistigen Brandstifter dieser Anschläge sitzen mit der AfD längst im
       Bundestag. Und mit Merz’ eher symbolischem Migrationsantrag der vergangenen
       Woche, den er mit Stimmen der rechtsextremen Partei durchgeboxt hat,
       beginnt die Brandmauer zu bröckeln. Merz zündelt. Und dabei wird eben diese
       rassistische Gewalt normalisiert. Die wortwörtlichen Brandstifter außerhalb
       des Parlaments scheinen die Botschaft der AfD zu verstehen – sie fühlen
       sich wohl ermutigt.
       
       Im Juni etwa verübte ein mutmaßlicher Rechtsextremer einen Brandanschlag
       auf eine Asyl-Gemeinschaftsunterkunft im bayerischen Krumbach. Bei einer
       Hausdurchsuchung fanden Ermittler ein Hakenkreuzbild. Im Juli wurde an
       einer [2][geplanten Asylunterkunft in Leipzig] Feuer gelegt und die Wände
       mit rassistischen „Not Welcome“-Parolen beschmiert. Ebenfalls im Juli
       versuchte ein Mann, eine Geflüchtetenunterkunft in Stuttgart in Brand zu
       setzen.
       
       Es gibt etliche weitere Fälle, von Schmierereien bis Sachbeschädigungen,
       von Beleidigungen bis Bedrohungen. Und die Gewalt geht auch dieses Jahr
       nahtlos weiter: Anfang Januar warfen unbekannte, mutmaßlich rechtsextreme
       Täter im thüringischen Schmölln [3][Steine durch die Fenster einer
       Unterkunft], laut Polizei sollen sie dabei rechtsextreme und rassistische
       Sprüche an die Hauswand gesprüht haben.
       
       ## Deutsche Brandstifter
       
       Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte haben in Deutschland leider
       Tradition. Die Bilder des schwelenden Sonnenblumenhauses in
       Rostock-Lichtenhagen gingen um die Welt. Der Brand steht für den Auftakt
       einer Welle rechtsextremer Gewalt, die später in die Geschichtsbücher als
       Baseballschlägerjahre eingingen. Es folgten weitere Brandanschläge in
       Mölln, Solingen und vielen weiteren Orten. Doch diese rassistische Gewalt
       hörte nie auf. Vielmehr hat sie hierzulande eine furchtbare Kontinuität.
       
       2015 erreichte sie mit dem sogenannten Sommer der Migration, als 1,1
       Millionen Geflüchtete in Deutschland ankamen, einen neuen schrecklichen
       Höhepunkt: 94 Fälle von Brandstiftung gegen Geflüchtetenunterkünfte
       registrierte damals das Bundesinnenministerium.
       
       Die Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl [4][zählten sogar 126
       Brandanschläge] in diesem Jahr. Ab 2022, nachdem Russland in die Ukraine
       einmarschiert war, kamen weitere 1,1 Millionen Geflüchtete nach
       Deutschland. Und auch ihre Unterkünfte wurden angegriffen, beschmiert, in
       Flammen gesetzt. Es waren teilweise dieselben Unterkünfte, die schon ab
       2015 angegriffen wurden, die erneut zum Ziel wurden.
       
       Es muss Merz glasklar sein, mit wem er im Bundestag zu paktieren versucht:
       mit dem parlamentarischen Arm einer rechtsextremen Bewegung, die Gewalt
       gegen Geflüchtete als legitimes politisches Mittel sieht; mit einer Partei,
       deren Rhetorik zu dieser Gewalt anstachelt.
       
       ## Auf parlamentarischer Bühne normalisiert
       
       Darum geht es bei der Bundestagswahl am 23. Februar: Die AfD droht nicht
       nur stärkste Oppositionskraft zu werden, sondern sogar über 20 Prozent der
       Stimmen zu holen. Sie könnte unter einer Merz-Kanzlerschaft vor allem beim
       Thema Migration mehr Macht denn je genießen. Ihre menschenverachtende
       Politik würde auf parlamentarischer Bühne normalisiert und auf der Straße
       in realer Gewalt gegen reale Menschen, oft Geflüchtete und Migranten,
       enden.
       
       Die politische Brandmauer gegen Rechtsextremismus einzureißen bedeutet eben
       auch, diese Gewalt zu legitimieren. Und das ist eine Schande.
       
       3 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rnd.de/politik/mehr-politisch-motivierte-straftaten-gegen-gefluechtetenunterkuenfte-7NGJZ7EXHBHNVHYFVCPXTUD3BQ.html
   DIR [2] /Geplante-Asylunterkunft-in-Leipzig/!6026247
   DIR [3] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/altenburg/unterkunft-fluechtlinge-rassistisch-attacke-schmoelln-100.html
   DIR [4] https://www.proasyl.de/news/2015-dramatischer-anstieg-von-gewalt-gegen-fluechtlinge/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicholas Potter
       
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