URI: 
       # taz.de -- Belgiens neue Regierung: Zufälliges, unelegantes Kabinett
       
       > In Belgiens neuer Regierung leiten Frauen nur vier von fünfzehn
       > Ministerien. „Bedauerlich“ nennt das der neue Premier Bart De Wever.
       
   IMG Bild: Belgiens neuer Premierminister Bart De Wever bei der Vereidigung durch König Philippe am Montag in Brüssel
       
       Amsterdam taz | Nach den langwierigen Koalitionsgesprächen erhöht die neue
       belgische Regierung das Tempo. Die Minister*innen der neuen Regierung
       wurden am Montag von König Philippe vereidigt. Neben [1][Premier Bart De
       Wever] bekommt dessen rechte, flämisch-nationalistische Nieuw-Vlaamse
       Alliantie (N-VA) drei weitere Ministerien: Jan Jambon, früher
       Ministerpräsident der Region Flandern, wird für Finanzen und Renten
       zuständig, Anneleen Van Bossuyt soll die deutlich strengere Asyl- und
       Migrationspolitik ausführen, Theo Francken vom rechten Parteiflügel leitet
       das Verteidigungsressort.
       
       Die übrigen Koalitionspartner aus dem flämischen Norden Belgiens stellen je
       zwei Kabinettsmitglieder: die sozialdemokratische Partei Vooruitentsendet
       wie schon in der letzten Legislaturperiode ihr Schwergewicht Franck
       Vandenbroucke an die Spitze des Gesundheitsministeriums, Politikrückkehrer
       Rob Beenders wird zuständig für Konsument*innen-Angelegenheiten,
       Sozialbetrug, Personen mit Behinderung und Gleiche Chancen.
       
       Für die Christdemokrat*innen (CD&V) leitet die bisherige
       Innenministerin Annelies Verlinden nun das Justizressort, Vincent Van
       Peteghem wechselt vom Finanz- ins Haushaltsministerium.
       
       Auf frankofoner Seite ist die auffälligste Personalie ein Abwesender:
       Georges-Louis Bouchez, der mächtige Parteichef des marktliberalen Mouvement
       Réformateur (MR), wird sich auf diese Position konzentrieren. Die
       umstrittene Doppelfunktion, die gegen die Parteistatuten verstößt, hatte
       während der Koalitionsgespräche für Unruhe in der stärksten Partei im
       südlichen Landesteil gesorgt.
       
       ## Ausstieg aus dem Atomausstieg geplant
       
       Dessen Stabilität habe Vorrang, so Bouchez, der einräumte, der Verstand
       habe sich gegen seinen Wunsch nach einem Ministerposten durchgesetzt.
       
       Vertreten wird der MR nun von David Clarinval, der bisher für Mittelstand
       und Selbstständige zuständig war, als Arbeits-, Wirtschafts- und
       Landwirtschaftsminister, Bernard Quintin, in der austretenden
       Mitte-links-Regierung Außenminister, wechselt ins Ressort Inneres und
       Sicherheit.
       
       Mathieu Bihet soll als Energieminister den Ausstieg aus dem Atomausstieg
       verantworten, während Eléonore Simonet Ministerin für Mittelstand und
       Selbstständige wird. Diese Personalien zeugen vom Anspruch des MR, der mit
       großen Sparambitionen angetretenen Koalition ihren Stempel aufzudrücken.
       
       Die humanistischen Les Engagés schließlich, Nachfolgepartei der frankofonen
       Christdemokratie, bekleiden mit Vanessa Matz das Ministerium für
       Staatsmodernisierung und dem früheren Liberalen Jean-Luc Crucke das Klima-
       und Mobilitätsressort.
       
       Besonders im Fokus stehen wird freilich Maxime Prévot, der den
       Parteivorsitz aufgibt und Außenminister wird. In den letzten Monaten hatte
       Prévot bei den Regierungsverhandlungen eine wichtige Rolle gespielt und sie
       [2][nach dem ersten Scheitern im Spätsommer] wieder in Gang gebracht.
       
       ## Im Kernkabinett ist keine einzige Frau
       
       Mit Prévot, Clarinval, Vandenbroucke, Van Peteghem und Jambon stellt jede
       Partei einen Vizepremier. Nicht nur in diesem Kernkabinett ist keine
       einzige Frau. Auch insgesamt sind Frauen, die nur 4 von 15 Posten
       bekleiden, stark unterrepräsentiert.
       
       „Vorsichtig ausgedrückt, ist das besonders schade“, kommentierte die neue
       Justizministerin Verlinden. „Das sagt etwas aus über die politische
       Kultur.“ Dies sei „nicht das Bild von Politik, das wir heutzutage
       vermitteln wollen“.
       
       Auch Premier De Wever bedauerte das und zeigte sich überrascht. „Ich hatte
       das nicht erwartet. Jede Partei benennt ihre eigenen Leute.“ Es sei ein
       Zufall, der „nicht elegant“ aussehe.
       
       3 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Flaemischer-Nationalist-regiert-Belgien/!6063436
   DIR [2] /Regierungskrise-in-Belgien/!6031991
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Flandern
   DIR Kabinett
   DIR Belgien
   DIR Social-Auswahl
   DIR Rechtsruck
   DIR Belgien
   DIR Belgien
   DIR E-Zigaretten
   DIR Volkswagen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Großer Streik in Belgien: Landesweite Proteste gegen „Oster-Akkord“
       
       Die belgischen Gewerkschaften rufen erneut zum Generalstreik auf. Es geht
       gegen Sozialkürzungen und Aufrüstungspläne – und den sogenannten
       „Oster-Akkord“.
       
   DIR Regierungsbildung in Belgien: Flämische Nationalisten führen „Arizona-Koalition“ an
       
       Mehr als 230 Tage nach der Parlamentswahl steht fest: Belgien erhält eine
       Mitte-Rechts-Regierung, in der die N-VA stärkste Kraft ist. Premierminister
       soll ihr Parteichef Bert De Wever werden.
       
   DIR Verbot elektronischer Einwegzigaretten: Elektroschrott nach 700 Zügen
       
       Belgien verbietet als erstes EU-Land Einweg-E-Zigaretten. Die nächste
       deutsche Regierung sollte sich das auf die To-do-Liste schreiben.
       
   DIR Krise bei Volkswagen und Töchtern: Audi-Werk vor dem Aus
       
       Die Krise des größten deutschen Autobauers zieht auch in Belgien Kreise.
       Dort streiken Arbeiter gegen die Schließung einer E-Auto-Fabrik.