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       # taz.de -- USAID stellt Zahlungen ein: Panik in der Ukraine
       
       > Medien, kritische Infrastruktur, Kleinbetrieb: kaum ein Bereich enthielt
       > keine US-Hilfen. Nun könnte zum Krieg eine humanitäre Krise hinzu kommen.
       
   IMG Bild: Zentrum für Kinder von Binnenflüchtlingen in Saporischschja. Auch dafür stellte USAID finanzielle Mittel zur Verfügung
       
       Luzk taz | Der Stopp großer Teile der US-Entwicklungshilfe (USAID) hat die
       Ukraine in Panik versetzt: Vergleiche zu Verzögerungen bei
       Militärlieferungen im Winter 2024 werden gezogen. Damals ging die Stadt
       Awdijiwka in den Region Donezk verloren, die an der Front liegt.
       Expert*innen sprechen von einer möglichen humanitären Krise, [1][da
       USAID seit dem Beginn des Krieges der größte Geldgeber für Hunderte von
       Gemeinden und Organisationen war].
       
       „Mehr als 90 Prozent der Mittel sind nicht an Organisationen der
       Zivilgesellschaft gegangen, sondern direkt an das Budget des ukrainischen
       Staates und der Gemeinden“, sagt der Geschäftsführer der Internationalen
       Renaissance-Stiftung, Alexander Suschko. Es sei sehr schwierig, diese
       Mittel zu ersetzen. USAID habe viele Projekte zum Wiederaufbau der
       Infrastruktur finanziert und Hilfe für Gemeinden geleistet. Laut Suschko
       werde jetzt ein erheblicher Teil der Tätigkeiten ausgesetzt werden müssen.
       
       Seit Februar 2022 haben die Vereinigten Staaten der Ukraine über USAID 2,6
       Milliarden US-Dollar an humanitärer Hilfe, fünf Milliarden US-Dollar
       Entwicklungshilfe und mehr als 22,9 Milliarden US-Dollar an direkter
       Budgethilfe für die ukrainische Regierung zur Verfügung gestellt, um
       Flüchtlingen zu helfen und Beamte zu bezahlen. Sogar die Stiftung „Wie geht
       es Dir“ der First Lady Elena Selenskaja, die psychologische Hilfe anbietet,
       erhielt von USAID Zuwendungen.
       
       Die Behörde finanzierte Landwirte, half kleinen Unternehmen bei der
       Zertifizierung, rekonstruierte oder modernisierte Energieanlagen, kaufte
       Ausrüstung für Städte (Generatoren) und Krankenhäuser. Auch Impfungen in
       der Ukraine wurden größtenteils mit USAID-Geldern durchgeführt. Hinzu kamen
       Computer für Schulen und Lehrbücher.
       
       ## Strom und Wärme
       
       In der westukrainischen Stadt Luzk mit 200.000 Einwohner*innen
       finanzierte USAID 2024 mit 500.000 US-Dollar ein Blockheizkraftwerk, das
       durch die Verbrennung von Gas gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt. [2][Die
       Anlage wurde zu einer „Versicherung“ für den Fall eines Stromausfalls nach
       russischen Raketenangriffen].
       
       Die Kleinstadt Boratin in der Nähe von Luzk kam ebenfalls in den Genuss von
       USAID-Mitteln. Laut der Mitarbeiterin des Rathauses, Aleksandra Los, habe
       das örtliche Krankenhaus Geräte für Diagnostik erhalten. Die Amerikaner
       kauften einen mobilen Lichtmast mit Generator, ein automatisiertes
       Außenbeleuchtungssteuerungssystem, Generatoren, Kleidung für Feuerwehrleute
       und Ausrüstung für Schulkantinen. Das Abschlussforum eines Projektes zur
       Unterstützung Jugendlicher, das Ende Januar hätte stattfinden sollen, wurde
       wegen der Einstellung der USAID-Hilfen verschoben.
       
       In Boratin ist zu hören, dass die Gemeinde diese Hilfe dringend brauche, da
       die Haushaltseinnahmen während des Krieges zurückgegangen seien – auch,
       weil viele Steuerzahler das Land verlassen hätten. Für die, die geblieben
       seien, müsste die Situation verbessert werden – insbesondere für
       Geflüchtete aus der Ostukraine.
       
       Auch bei den Medien geht die Angst um. Dutzende von ihnen haben Zuschüsse
       erhalten, insbesondere für investigative Projekte. „Nach dem Einbruch des
       Werbemarktes 2022 konnten sie nur so überleben“, sagt Natalja Pachaytschuk,
       Direktorin des Netzwerks lokaler Websites Rayon.in.ua. Jetzt würden
       ukrainische Medien nicht nur um Zuwendungen bei anderen Organisationen
       nachsuchen, sondern auch zu kostenpflichtige Abonnements übergehen müssen.
       
       ## Immer noch optimistisch
       
       „Ich will mir gar nicht ausmalen, wie und wann die Redaktionen sich
       entschließen, ein ehrliches Gespräch mit ihren Leser*innen zu führen, um
       für ihre Teams an weitere Ressourcen für die Entwicklung zu kommen“, sagt
       Pachaytschuk.
       
       Trotz allem: Alexander Suschko von der Renaissance-Stiftung hat sich noch
       etwas Optimismus bewahrt. Im Krieg habe die ukrainische Gesellschaft einen
       großen Schritt bei der Entwicklung einer Spenden- und Crowdfunding-Kultur
       gemacht. Stiftungen, die die Armee unterstützten, erhielten seit Langem
       zehnmal mehr Mittel von Privatpersonen als von internationalen Gebern.
       
       „Aber um zu spenden, müssen die Leute ja das Geld von irgendwoher nehmen“,
       sagt Suschko. „Für eine nachhaltige Spendenkultur brauchen wir eine
       Mittelschicht, die nicht nur ans Überleben denken muss, sondern auch noch
       etwas abgeben kann.“
       
       Aus dem Russischen: Barbara Oertel
       
       5 Feb 2025
       
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