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       # taz.de -- Ausbau der Radinfrastruktur in Berlin: Abgegessene AktivistInnen
       
       > Der Verein Changing Cities stellt dem Berliner Senat ein vernichtendes
       > Zeugnis beim Ausbau der Radinfrastruktur aus und kritisiert die SPD. Die
       > wehrt sich.
       
   IMG Bild: Das haut den stärksten Aktivisten um: Protest gegen Kürzungen im Verkehrshaushalt im Dezember
       
       Berlin taz | Dass [1][Changing Cities e. V. den Ausbau der Radinfrastruktur
       minutiös verfolgt], versteht sich von selbst: Schließlich ging der Verein
       aus dem Volksentscheid Fahrrad hervor, der 2015/16 den Anstoß für das
       Berliner Mobilitätsgesetz gab. Seit einigen Jahren war es Brauch, dass
       Changing Cities im Januar zu einer Pressekonferenz lud, [2][um Zahlen zu
       veröffentlichen], die man zuerst auf der Grundlage von offiziellen Angaben,
       dann auch durch eigene Messungen ermittelt hatte.
       
       Grund zum Jubel hatte es dabei noch nie gegeben: Die Realität blieb weit
       hinter dem vom Mobilitätsgesetz und dem Berliner Radverkehrsplan
       vorgegebenen Aufwuchs zurück. Selbst bei gelockerten Kriterien – also etwa
       mit einem zugedrückten Auge bei den vorgesehenen Radwegebreiten – blieb
       immer eine stattliche Lücke zwischen Ist und Soll.
       
       Besonders unter der grünen Senatsverkehrsverwaltung – bis April 2023 –
       lautete die amtliche Reaktion darauf, man müsse eben erst einmal die
       notwendigen Verwaltungsstrukturen schaffen, um den gewaltigen Ausbau zu
       stemmen. Bald schon werde der jährliche Zuwachs an Radweg-Kilometern
       sprunghaft ansteigen, um irgendwann doch noch auf der vorgegebenen Kurve zu
       landen.
       
       Dieses Jahr nun ergeben die Zahlen von Changing Cities, dass der Zuwachs
       sich sogar abgeschwächt hat: Nur 5,9 Prozent von 2.700 Kilometer Radnetz
       seien geschafft, und 2024 seien gerade einmal 0,8 Prozentpunkte
       hinzugekommen. In ganzen Zahlen: 20 Kilometer, nach 22 Kilometern 2023 und
       29 im Jahr 2022. So abgegessen war man von derart mickrigen Fortschritten,
       dass die diesjährige Pressekonferenz ausfiel.
       
       ## Nur ein Lichtblick
       
       Ein Lichtblick ist demnach nur eine Handvoll der 12 Bezirke –
       Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick
       – mit zweistelligen Ausbauquoten. [3][Friedrichshain-Kreuzberg als
       Spitzenreiter] kann laut Changing Cities sogar schon auf stolze 22,8
       Prozent verweisen. Die rote Laterne trägt dagegen Spandau: Hier wurden erst
       2,6 Prozent abgearbeitet.
       
       An der CDU, die in Sachen Verkehrs jetzt den Hut aufhat, arbeiten sich die
       Mobilitäts-AktivistInnen schon gar nicht mehr groß ab. Sie triezen vor
       allem die SozialdemokratInnen, die das Mobilitätsgesetz immerhin einmal mit
       ins Leben gerufen haben. „Wie lange will die SPD noch die Füße stillhalten,
       während die Stadt im Verkehrschaos versinkt?“, fragt
       Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen. „Keine Tramplanungen, keine
       Bussonderspuren, eine statt neun Radschnellverbindungen, minimaler
       Fortschritt im Radverkehr und fast 50 Prozent mehr Verkehrstote. SPD, wach
       endlich auf!“
       
       Kleiner ging es offenbar nicht“, kommentiert das der verkehrspolitische
       Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, gegenüber der taz. „Bedauerlich“
       finde er das, denn Changing Cities verkenne „ganz klar die Tatsachen“. Ja,
       man habe 2024 schmerzhafte „Einsparungen und Priorisierungen“ vornehmen
       müssen, aber es sei der SPD gelungen, vorgesehene Kürzungspläne
       abzuschwächen.
       
       ## SPD: „Deutlich mehr ausgegeben“
       
       Und: Unter Schwarz-Rot sei real „deutlich mehr für den Radverkehr
       ausgegeben worden“, denn noch 2020 sei die Hälfte der in den Haushalt
       eingestellten 30,3 Millionen Euro für den Radverkehr schlicht nicht
       ausgegeben worden. In den letzten Jahren habe man dagegen jeweils zwei
       Drittel der Ansätze auch tatsächlich realisiert – 2024 seien das 19
       Millionen von 29,3 Millionen Euro gewesen.
       
       „Vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn, utopische Ansätze aufzurufen,
       die dann nicht verausgabt werden“, mein Schopf. Das bedeute allerdings
       auch, dass die Bezirke personell gut aufgestellt werden müssten, um die
       Radverkehrsmaßnahmen umsetzen zu können.
       
       4 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://changing-cities.org/wach-auf-spd/
   DIR [2] /Bilanz-der-Berliner-Radnetze/!5912045
   DIR [3] /Verkehrsplanung-in-den-Berliner-Bezirken/!6064691
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
   DIR Ute Bonde
   DIR Changing Cities
   DIR Radverkehr
   DIR Verkehr
   DIR Friedrichshain-Kreuzberg
   DIR Changing Cities
       
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       anders.