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       # taz.de -- Im Dienst geklaut und vertickt: Polizeifunkgeräte bei Ebay
       
       > Vor über sechs Jahren sollen zwei Hamburger Polizisten Funkgeräte
       > gestohlen haben. Sie erhalten Bewährungsstrafen, weil das Verfahren zu
       > lange dauerte.
       
   IMG Bild: Polizeifunkgerät der Marke Sepura – mit BSI-Karte besonders gefragt
       
       HAMBURG taz | Vor dem Amtsgericht Hamburg geht es um Diebstahl und
       Hehlerei. Das Diebesgut: elf Polizeifunkgeräte. Fünf Männer sitzen auf der
       Anklagebank, darunter zwei Polizisten und ein Journalist. Am Freitag fiel
       das Urteil: Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr, zur Bewährung
       ausgesetzt.
       
       Das Geschehen liegt bereits über sechs Jahre zurück. Ende 2018 sollen die
       beiden Polizisten in Hamburg elf Funkgeräte gestohlen haben, um diese dann
       für je 250 Euro an einen Hobbyfunker und Hehler zu verkaufen, der damit auf
       Ebay gehandelt hat. Angeklagt sind deshalb zwei Polizisten, der Hehler,
       sowie zwei der Käufer, darunter der Journalist.
       
       Die Brisanz des Falls wird deutlich, als beim Prozessauftakt am vergangenen
       Freitag die Technik hinter den gestohlenen Funkgeräten erklärt wird. Die
       Geräte der Marke Sepura werden von Polizei, Feuerwehr und Co. genutzt. Auf
       Ebay finden sich zahlreiche dieser Sepura-Funkgeräte. Illegal sind diese
       nämlich nicht per se, sondern nur, wenn sie eine sogenannte BSI-Karte in
       sich tragen. Diese Karte, ausgegeben vom [1][Bundesamt für Sicherheit in
       der Informationstechnik], ermöglicht, ähnlich einer SIM-Karte, erst den
       Zugang in geschützte Frequenzbereiche. Diese sind für normale Funkgeräte
       nicht empfangbar, zum Beispiel Polizeifunk. Auch die beiden Käufer hätten
       laut Anklage erkennen müssen, dass es sich bei diesen auf Ebay inserierten
       Funkgeräten um solche mit BSI-Karte handelt – und damit um gestohlene
       Geräte.
       
       ## Investigativ – und illegal?
       
       Einer der beiden Käufer, Markus G., ist nach eigener Aussage Freier
       Journalist. Die Geräte soll er in Absprache mit dem YouTuber Marvin Wötzel
       aus NRW gekauft haben. Dieser veröffentlicht auf seinem YouTube-Kanal
       „itsMarvin“ immer wieder Reportagen zu sogenannten „Lost Places“, also
       vergessenen Orten, und [2][hat auch schon für den WDR gedreht].
       
       Beide sind nicht vor Gericht erschienen. In einem [3][im August
       veröffentlichen Video zum Sachverhalt] gibt Wötzel aber an, er habe nur zu
       investigativ-journalistischen Zwecken gehandelt. Die Staatsanwaltschaft in
       Hamburg sei „nicht die Hellste“ sagt Wötzel. Er und G. hätten nur sehen
       wollen, wer solche Geräte verkauft und wie einfach sie zu bekommen seien.
       
       Der YouTuber sagt, das Verfahren gegen ihn sei eingestellt worden – nach
       einer Hausdurchsuchung und nachdem er die Behörden auf die Umstände
       hingewiesen hatte. Trotzdem versteht Wötzel bis heute nicht, wie die
       Ermittlungsbehörden so „laienhaft“ und „unprofessionell“ hätten handeln
       können. Die Telefongespräche zwischen ihm und dem Journalisten seien der
       Ermittlungsakte zufolge abgehört worden, wodurch die Behörde den
       Hintergrund hätte kennen müssen.
       
       Die bei der Durchsuchung des Autos von Journalist G. sichergestellten
       Gegenstände habe dieser nicht von den Ermittlungsbehörden wiederbekommen.
       Die Staatsanwaltschaft versuche, die Sicherheitslücke bei der Polizei auf
       den „bösen Journalisten“ abzuwälzen, wofür sie nach über fünf Jahren eine
       Gerichtsverhandlung führe, die „uns allen Geld kostet“, so der YouTuber.
       
       Wötzels Vorwürfe kommen im Prozess nicht zur Sprache, sie erinnern aber an
       einen anderen Fall aus Hamburg: Der [4][Investigativjournalist und
       Waffenexperte Lars Winkelsdorf] [5][wurde 2012 vom Landgericht Hamburg
       wegen „Anstiftung zum unerlaubten Führen von Waffen“ verurteilt], für einen
       Vorfall, der sich im Rahmen von Dreharbeiten für einen Fernsehbeitrag über
       den Waffenschwarzmarkt in Hamburg ereignet haben soll. Seit 2022 [6][bemüht
       er sich um eine Wiederaufnahme des Verfahrens].
       
       Gleich zu Beginn der Verhandlung am vergangenen Freitag bittet der Anwalt
       von Journalist G. den Vorsitzenden Richter Carl-Tessen Taube um die
       Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit oder ein Rechtsgespräch –
       also eine Verständigung zwischen dem Gericht und den Prozessparteien. Dies
       sei gerade deshalb angebracht, da der Angeklagte nicht vorbestraft sei,
       sich seit über fünf Jahren nichts mehr zu Schulden kommen lassen habe und
       die Tat gestehe. Auch die anderen Verteidiger sprechen sich für ein
       Rechtsgespräch aus, alle Angeklagten seien geständig.
       
       ## Strafrabatt, weil das Gericht getrödelt hat
       
       Der Richter räumt ein, dass der Prozess vom Gericht „rechtsstaatswidrig
       verzögert wurde“. Seit sechs Jahren schwebe der Prozess über den Köpfen der
       Angeklagten, was aufgrund der Belastung im Urteil schuldmindernd
       berücksichtigt werde. Daher stünden keine Freiheitsstrafen im Raum, die
       nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Ein Rechtsgespräch lehnt er
       jedoch ab.
       
       Auch die Polizisten gestehen. Weil einer der beiden Polizisten auf dem
       Polizeirevier seine Dienstwaffe bei sich trug, ist er sogar wegen
       „Diebstahls mit Waffen“ angeklagt. Er will aufgrund seiner Spiel- und
       Wettsucht in Geldnot geraten sein, weshalb das schnelle Geld durch den
       Diebstahl ihm gelegen gekommen sei. „Es war eine Tat von zehn bis 15
       Sekunden“, sagt er. Sein Kollege kämpft bei seiner Aussage mit den Tränen.
       Seine Karriere bei der Polizei war nach dem Diebstahl vorbei, er habe
       danach einen kompletten Neuanfang gebraucht.
       
       Richter Taube stellt das Verfahren gegen den Journalisten schließlich ein.
       Gegen die anderen Angeklagten verhängt er Bewährungsstrafen: ein Jahr und
       zehn Monate für den Polizisten, der sieben Funkgeräte gestohlen hat, ein
       Jahr für den Kollegen, bei dem es nur vier waren. Der Hehler als Initiator
       der Taten wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten
       verurteilt, ebenfalls auf Bewährung. Weil er schon ein Jahr abgesessen hat,
       erhält er eine Haftentschädigung. Wie seine „Lieferanten“ muss er
       allerdings die „Taterträge“ zurückzahlen, in seinem Fall immerhin 7.150
       Euro.
       
       25 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abgesetzter-BSI-Chef-ausgespaeht/!5958923
   DIR [2] https://www1.wdr.de/lokalzeit/fernsehen/ostwestfalen-lippe/studiogespraech-marvin-woetzel-itsmarvin-youtuber-100.html
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=b6YuMmW4YN0
   DIR [4] /Staatsanwaltschaft-auf-Abwegen/!6025951
   DIR [5] /Prozess-in-Hamburg-geplatzt/!5375378
   DIR [6] /Staatsanwaltschaft-auf-Abwegen/!6025951
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Dürr
   DIR Sabrina Bhatti
       
       ## TAGS
       
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