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       # taz.de -- Sicherheitsexpertin über Drohnen: „Eine Win-win-Situation für Russland“
       
       > Immer öfter werden illegale Drohnen über Militäranlagen gesichtet.
       > Drohnenexpertin Franke kritisiert die fehlende Ausstattung der deutschen
       > Behörden.
       
   IMG Bild: Ins Netz gegangen: Vorstellung des zivilen Abwehrsystems „Falke“ gegen Drohnen auf dem Gelände der Universität der Bundeswehr
       
       taz: Frau Franke, in den vergangenen Monaten tauchten immer wieder Drohnen
       über Deutschland auf. Am Montag bestätigte das Landeskriminalamt
       Schleswig-Holstein, [1][dass es nach Sichtungen über dem
       Luftwaffenstützpunkt in Schwesing bei Husum am Wochenende ermittelt.]
       Sollte uns diese Überflüge besorgen? 
       
       Ulrike Franke: Wir sollten uns auf jeden Fall Sorgen machen. Das Problem
       ist, dass nicht bestimmt werden kann, um welche Art von Drohnen es sich
       handelt. Es gibt gewisse Indizien, wie die Größe und Flugfähigkeit, die bei
       der Bestimmung eine Rolle spielen. Aber ganz genau kann man es nicht sagen,
       da die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage sind, diese Drohnen richtig zu
       erkennen, herunterzuholen und dann auch zu identifizieren. Wir sind in
       einer Situation, in der wir immer hundertfach pro Jahr Drohnenüberflüge
       über Deutschland gemeldet bekommen. Man sieht sie über Flughäfen, über
       Gefängnissen, über kritischer Infrastruktur, über Bundeswehrinstallationen.
       In der Regel wissen wir nicht, wo diese Drohnen herkommen und ob es sie
       überhaupt gegeben hat. Denn nicht alle Sichtungen können bestätigt werden.
       
       taz: Auch über dem [2][Industriepark in Brunsbüttel] oder dem
       US-Militärflugplatz Ramstein wurden zuletzt Flugobjekte gesichtet.
       Sicherheitsexperten vermuten, dass es sich dabei um militärische Drohnen,
       möglicherweise russischer Herkunft, handelte. Was würde das bedeuten?
       
       Franke: Wenn sich tatsächlich bestätigt, dass es sich um militärische,
       feindliche ausländische Drohnen handeln sollte, dann müssen wir uns
       natürlich umso mehr Sorgen machen. Denn es bedeutet, dass fremde Mächte
       spionieren wollen und möglicherweise [3][eine Sabotage planen.] Plausibel
       ist es, dass es sich um russische Drohnen handeln könnte, denn solche
       Aktionen sind eine [4][Win-win-Situation für Russland] und das Regime.
       
       ## taz: Inwiefern?
       
       Franke: Es gibt immer einen Erkenntnisgewinn: Wann und wo werden die
       Drohnen entdeckt? Wann nicht? Man testet damit die deutschen
       Sicherheitsbehörden und ihre Reaktionen. Dazu kommt, dass sie Daten sammeln
       können über die Gebiete, die sie überfliegen. Dabei kommt es darauf an,
       welche Art von Aufklärungstechnologie die Drohne trägt. Gut ausgestattet
       kann sie hochauflösend filmen und fotografieren. Dadurch, dass eine Drohne
       lange in der Luft bleiben kann, kann sie beobachten, wer etwa einen
       Militärstützpunkt wann verlässt, oder wo Sicherheitskräfte stehen oder
       ungeschützte Eingänge sind.
       
       ## taz: Das Bundeskabinett will einen Gesetzentwurf einbringen, der es der
       Bundeswehr erlaubt, verdächtige Drohnen über Deutschland abzuschießen. Wie
       wird bisher mit den Überflügen umgegangen?
       
       Franke: Im Detail kenne ich das Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden
       nicht. Die Bundeswehr und die Sicherheitsbehörden befassen sich durchaus
       mit dem Thema Drohnenabwehr. Und das auch nicht erst seit zwei Wochen. Es
       gibt verschiedenste Systeme für die Drohnenabwehr. Da gibt es kinetische
       Systeme, mit denen man wohl abschießt, elektronische Systeme, mit denen man
       Funkverbindungen stört oder überschreibt, auch Cybersysteme, mit denen man
       die Drohnen übernehmen kann. Oder Netze, die Drohnen einfangen. Und trotz
       dieser Möglichkeiten haben uns die Überflüge in den letzten Monaten ganz
       klar gezeigt: Was die Behörden in Deutschland haben reicht offensichtlich
       nicht und ist nicht ausreichend verfügbar. Dazu kommt, dass gerade
       kritische Infrastruktur bundesweit verteilt ist.
       
       taz: Wo ist da das Problem? 
       
       Man muss erst mal überlegen, was man darunter einsortiert. Ist jedes
       Spannwerk eine zu schützende kritische Infrastruktur? Insofern wird es
       nicht möglich sein, überall die perfekte Drohnenabwehr zu installieren.
       Insbesondere auch deswegen, weil eine gute Drohnenabwehr auf einem Mix an
       verschiedenen Lösungen basiert. Das heißt: ein System, das eine Art der
       Drohnenbekämpfung anbietet, reicht in der Regel nicht. Besser sind
       mehrstufige, gestaffelte Systeme, mit elektronischen, kinetischen, und
       anderen Abfangmaßnahmen. Aber hier die richtige Technologie zu finden, das
       Geld dafür zu bekommen, und sicherzugehen, dass die Abfangmaßnahmen nicht
       in kürzester Zeit durch technologische Weiterentwicklungen der
       Drohnentechnologie obsolet werden, das ist die große Herausforderung.
       
       ## taz: Bisher ist die Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr nur ein
       Gesetzentwurf, ob es Mehrheit im Bundestag gibt ist unklar. Wie stehen sie
       zu dem Vorhaben?
       
       Franke: Der Entwurf ist sinnvoll, aber nur für Extremfälle gedacht, etwa
       bei bewaffneten Angriffen. Die Bundeswehr will in zivilen Gebieten
       grundsätzlich nicht schießen, da dies zu gefährlich ist. Wichtiger ist, die
       Abfang- und Überwachungssysteme ausbauen.
       
       ## taz: Sie haben einmal gesagt, wir befänden uns in einer neuen Ära der
       Luftüberwachung. Können Sie das näher erläutern?
       
       Franke: Überwachung aus der Luft ist heute für viele Akteure möglich –
       nicht nur für Staaten oder Militärs, sondern auch für Einzelpersonen,
       Unternehmen oder kleine Staaten. Das verändert die Sicherheitslage
       grundlegend. Wir stehen vor der Herausforderung, autorisierte Drohnen von
       potenziellen Bedrohungen zu unterscheiden. Um ein Beispiel zu nennen: 2013
       flog eine Drohne der Piratenpartei als Protest gegen die Beschaffung des
       Euro Hawk in die Nähe von Angela Merkel bei einer Podiumsdiskussion. Damals
       wurde die Situation belächelt. Heute würde ein ähnlicher Vorfall
       wahrscheinlich Panik auslösen, weil die Bedrohungslage viel ernster ist.
       
       10 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.deutschlandfunk.de/nach-drohnensichtungen-ermittelt-lka-104.html
   DIR [2] /Drohnenfluege-ueber-Atomanlagen/!6032685
   DIR [3] /Deutsche-Geheimdienste-warnen/!6039805
   DIR [4] /Hybride-Kriegsfuehrung/!6049672
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anastasia Zejneli
       
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