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       # taz.de -- Krise im Osten der DR Kongo: Kongo droht Ruanda mit Krieg
       
       > Die M23-Rebellen in der DR Kongo nähern sich Goma und setzen der
       > Regierungsarmee eine Frist, die Waffen niederzulegen. Ruanda wappnet sich
       > für Massenflucht.
       
   IMG Bild: Ein gepanzerter Mannschaftstransporter der Vereinten Nationen brennt, Goma, Demokratische Republik Kongo, Samstag, 25. Januar 2025
       
       Kampala | taz Kongos Rebellen haben Kongos Armee ein Ultimatum gestellt:
       [1][Am Samstagabend rief die M23] (Bewegung des 23. März), die im Osten der
       Demokratischen Republik Kongo gegen die Regierung kämpft und in der
       vergangenen Woche wichtige Durchbrüche bis an den Rand der Millionenstadt
       Goma erzielt hat, in einer Erklärung die kongolesischen Streitkräfte dazu
       auf, in Goma „innerhalb von 48 Stunden ihre Waffen niederzulegen.“ Sonst
       würden sie die Bevölkerung „befreien“.
       
       Die M23 warnt: „Die Stadt Goma darf niemals zum Schlachtfeld werden.“
       Sonntagfrüh [2][wiederholte M23-Sprecher Lawrence Kanyuk]a die Drohung:
       „Das Ultimatum rückt näher. Handelt jetzt, um eine Eskalation zu
       verhindern!“
       
       Seit der [3][Eroberung der letzten Frontstadt Sake] am Donnerstag, 25
       Kilometer westlich von Goma gelegen, ziehen die M23-Rebellen den Gürtel um
       die Handelsmetropole Goma immer enger zu. Am Samstag nahmen die
       Tutsi-geführten Rebellen den Hügel Kanyamahoro ein, von wo aus man die
       ganze Millionenstadt überblicken – und beschießen kann.
       
       Am Sonntag früh fiel auch die letzte Verteidigungsposition der Armee auf
       dem Hügel Kibati im Norden der Stadt in die Hände der Rebellen. Mit einer
       bewaffneten Kamikaze-Drohne gelang es ihnen, einen Radpanzer der Armee
       unschädlich zu machen.
       
       ## Ruanda positioniert Polizeihundertschaften entlang der Grenze
       
       Damit stehen die kongolesischen Kämpfer der M23, die vom Nachbarland Ruanda
       mit Truppen und modernen Waffen militärisch unterstützt werden, nun gleich
       von zwei Seiten an den Toren Gomas. Die Stadt liegt ansonsten am Kivu-See
       und an der Grenze zu Ruanda.
       
       Auf [4][Handy-Videos] von Einwohnern Gomas sieht man, wie Menschen voll
       beladen mit Bündeln voller Habseligkeiten von den Hügeln im Norden der
       Millionenstadt hinabwandern, um nahe der Grenze Schutz zu suchen. Ruanda
       hat Polizeihundertschaften entlang der Grenze stationiert, um für eine
       mögliche Massenflucht von Kongolesen vorbereitet zu sein.
       
       Die M23 droht ganz offen damit, die Hauptstadt der ostkongolesischen
       Provinz Nord-Kivu nach Ablauf der 48- Stunden Frist einzunehmen und die
       „Bevölkerung zu befreien“, wie sie es nennen. Dies war ihnen bereits im
       Jahr 2012 gelungen. Damals hielten sie die wichtigste Stadt im Osten der DR
       Kongo zehn Tage lang und zwangen Kongos Regierung damit an den
       Verhandlungstisch.
       
       Kongolesische Kriegserklärung an Ruanda 
       
       Ist der Fall Gomas – wo sich zwei Millionen Menschen auf engstem Raum
       drängeln, darunter Hunderttausende Kriegsvertriebene – noch abzuwenden? Aus
       Armeekreisen erfährt die taz: Die Moral sei am Boden, es herrscht
       gegenseitiges Misstrauen unter den Offizieren. Militärgouverneur General
       Peter Cirimwami war am Donnerstag, als er die Frontlinie mit Journalisten
       vor laufender Kamera inspizierte, von einem ferngesteuerten Geschoss
       getroffen worden. Er wurde schwer verletzt nach Kinshasa ausgeflogen, wo er
       am Freitag verstarb.
       
       Cirimwami galt in den Augen Ruandas als Erzfeind. Er unterhielt enge
       Beziehungen zu den Anführern des ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische
       Kräfte zur Befreiung Ruandas), die von ehemaligen Tätern des Völkermordes
       an Ruandas Tutsi 1994 geführt werden, und hatte diese in die Reihen der
       kongolesischen Armee integriert.
       
       Als im vergangenen August Kongos Armee versuchte, die FDLR zu
       „neutralisieren“, wie es in den Friedensverhandlungen zwischen Kongo und
       Ruanda vorgesehen war, warnte Cirimwami laut UN-Ermittlungen die
       FDLR-Führung vorab. FDLR-Militärchef Omega gelang die Flucht nach Burundi.
       Seitdem wurde Cirimwami in Kigali als „Pate der FDLR“ bezeichnet.
       
       Deswegen stand er offenbar auf Ruandas Abschussliste. „Der ermordete
       Militärgouverneur entkam 24-mal dem Tod und starb beim 25. Mal“, [5][so
       Kongos Armeesprecher Sylvain Ekenge] am Samstagabend vor Journalisten in
       Kongos ferner Hauptstadt Kinshasa. Getötet worden sei von einem
       „Scharfschützen der ruandischen Armee“. Was er dann [6][sagte], klingt wie
       eine Kriegserklärung. „Die Ruander denken, dass der Krieg noch nicht
       begonnen hat“, so Ekenge: „Aber er wird beginnen.“
       
       ## „Eine Frage von Leben und Tod“
       
       Am Freitag hatte in Kinshasa Kongos Sicherheitsrat unter Vorsitz von
       Präsident Felix Tshisekedi getagt. „Der Angreifer wird gejagt und weit von
       Goma zurückgedrängt, verfolgt, bis das gesamte Staatsgebiet zurückerobert
       ist“, befahl der Präsident seinen Generälen. Kongos Generalstab forderte am
       Samstag seine Truppen und alle Kampfverbände loyaler Milizen auf,
       „motiviert zu bleiben“ um Goma zu verteidigen. „Es ist eine existenzielle
       Frage von Leben und Tod“, heißt es in der [7][offiziellen Erklärung].
       
       [8][Kongos Außenministerium erklärte] am Samstag, dass es alle
       diplomatischen Kontakte nach Ruanda abbreche, zog seine
       Botschaftsangestellten aus Kigali ab und forderte Ruandas Diplomaten in der
       DR Kongo zur Ausreise aus. [9][Ruandas Außenminister Olivier Nduhungirehe
       antwortete prompt]: Der letzte ruandische Diplomat habe Kongos Hauptstadt
       ohnehin längst verlassen, da er „unter permanenter Bedrohung durch
       kongolesische Offizielle“ gelebt habe.
       
       Am Samstag flog Tshisekedi nach Südafrika, offenbar um Unterstützung
       anzufordern. Die Regionalorganisation SADC (Entwicklungsgemeinschaft des
       Südlichen Afrika), der auch die DR Kongo angehört, hat eine
       [10][Eingreiftruppe] mit rund 3000 Soldaten aus Südafrika, Tansania und
       Malawi nach Ostkongo entsandt, um Kongos maroder Armee im Ernstfall zu
       helfen.
       
       ## Südafrikanische Soldaten getötet
       
       Südafrikas Verteidigungsministerin Angie Motshekga war vergangene Woche auf
       Stippvisite in Goma. Als die M23 immer weiter vorrückte, verließ sie Goma,
       versicherte aber, dass Südafrikas Truppen die Stadt verteidigen würden.
       „Unseren Truppen gelang es nicht nur, den Vormarsch der M23 zu stoppen,
       sondern sie konnten sie auch zurückdrängen“, [11][behauptete Südafrikas
       Verteidigungsministerium] am Samstag. Doch seien neun südafrikanische
       Soldat*innen bei den Kämpfen ums Leben gekommen, zwei davon waren im
       Rahmen der UN-Mission dort stationiert. Auch drei Soldaten aus Malawi
       wurden getötet.
       
       Westliche Länder, [12][darunter Deutschland], haben ihren Staatsangehörigen
       empfohlen, Goma zu verlassen. Die UN-Mission (MONUSCO) sowie die zahllosen
       internationalen Hilfswerke in Goma haben Mitarbeiter abgezogen. Die meisten
       sind mit dem Boot über den Kivu-See in Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu
       verlegt worden.
       
       ## Deutschland ruft Staatsbürger zur Ausreise aus
       
       Der UN-Sicherheitsrat hat für Sonntagabend eine Dringlichkeitssitzung zur
       Lage in der DR Kongo einberufen. [13][Die Europäische Union (EU)] zeigt
       sich „zutiefst beunruhigt“ über die weitere Eskalation des Konfliktes und
       „fordert die M23 dringend auf, ihren Vormarsch zu stoppen und sich
       unverzüglich zurückzuziehen“. Gleichzeitig verurteilt sie „die
       Militärpräsenz Ruandas“ und fordert Kongo „weiterhin dringend auf, die
       Zusammenarbeit mit der FDLR und anderen bewaffneten Gruppen einzustellen.“
       
       [14][Die Afrikanische Union (AU)] drückt in einer Erklärung
       „uneingeschränkte Unterstützung“ für Verhandlungsbemühungen aus, die der
       „einzige Weg“ seien, den Konflikt zu lösen. Die AU hatte im März Angolas
       Präsident João Lourenço beauftragt, zwischen Ruanda und Kongo zu
       vermitteln. Die Unterzeichnung eines Friedensabkommens war im Dezember
       allerdings geplatzt.
       
       Präsident Lourenço versicherte jetzt: „Wir hoffen weiterhin, dass es uns
       trotz der jüngsten negativen Entwicklungen rund um Goma gelingt, die noch
       immer bestehenden Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und endlich
       Frieden zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda zu
       schließen.“
       
       26 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://x.com/LawrenceKanyuka/status/1883170137723043925
   DIR [2] https://x.com/LawrenceKanyuka/status/1883406472207634663
   DIR [3] /Durchbruch-fuer-Kongos-M23-Rebellen/!6064480
   DIR [4] https://x.com/actualitecd/status/1883420307853300079
   DIR [5] https://x.com/StanysBujakera/status/1883244964857119058
   DIR [6] https://x.com/casusbellii/status/1883256785920041413
   DIR [7] https://x.com/FARDC_Info/status/1883414933628452953
   DIR [8] https://x.com/RDC_Minafet/status/1883250285684146207
   DIR [9] https://x.com/onduhungirehe/status/1883269275420659741
   DIR [10] https://www.sadc.int/fr/node/5230
   DIR [11] https://x.com/SANDF_ZA/status/1883205374372872448
   DIR [12] https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kongodemokratischerepublik-node/kongodemokratischerepubliksicherheit-203202
   DIR [13] https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2025/01/25/democratic-republic-of-the-congo-statement-by-the-high-representative-on-behalf-of-the-eu-on-the-latest-escalation-in-eastern-drc/
   DIR [14] https://au.int/en/pressreleases/20250125/communique-chairperson-grave-situation-eastern-drc
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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