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       # taz.de -- Wahlkampf an Schulen: In der Aula mit der AfD
       
       > Im hessischen Alsfeld sprachen Schüler*innen mit Politikern über
       > die Wahl. Besonders kritisch waren die Fragen an AfD-Mann Robin Jünger.
       
   IMG Bild: Ganz unauffällig: der Wagen von SPD-Mann Felix Döring vor der Aula des Albert-Schweitzer-Gymnasiums im hessischen Alsfeld
       
       Alsfeld taz | „Ich gucke gerne Bundestagsdebatten“, sagt eine 19-Jährige
       in der Aula ihres Gymnasiums im hessischen Alsfeld. „Dann bekomme ich ein
       Bild davon, was die da eigentlich machen und wie Entscheidungen zustande
       kommen.“ Sie und ihre beiden Freundinnen haben zusammen mit ihren
       Mitschüler*innen gerade zwei Stunden lang mit Politikern über deren
       Wahlprogramme diskutiert.
       
       Ihre Namen wollen sie nicht verraten. Alle drei dürfen in diesem Jahr zum
       ersten Mal wählen bei einer Bundestagswahl. Und alle drei bewegt, was
       vergangene Woche in Berlin passiert ist: das Buhlen der Union um
       Mehrheiten, und sei es mit der AfD.
       
       Wie so viele Schulen quer durchs Land hat auch die Albert-Schweitzer-Schule
       in der hessischen Kleinstadt Politiker eingeladen, um über die anstehende
       Wahl zu diskutieren. Die Autorin dieses Textes hat hier vor Jahren selbst
       Abitur gemacht, man kennt sich. Das Interesse ist groß, die Aula voll
       besetzt, auch von Schulen in der Nähe sind Gäste gekommen.
       
       ## Klassenbucheintrag für die freien Wähler
       
       Kandidaten von sechs Parteien stellen sich an diesem Morgen den Fragen der
       Schüler*innen. Es geht um die Themen, die auch sonst den Wahlkampf bewegen:
       Wirtschaft und Umwelt, Sozialpolitik, Außenpolitik und Migration. Die
       Fragen haben die jungen Leute selbst gesammelt, in den
       Politik-und-Wirtschaft-Kursen, kurz Powi, moderiert wird von zwei Schülern
       des Leistungskurses.
       
       Antworten kommen von SPD, Grünen, CDU, FDP, Linken und AfD. Das BSW hat auf
       die Einladung nicht geantwortet, die Freien Wähler fehlen unentschuldigt –
       das gibt einen Eintrag ins Klassenbuch. Ob die AfD dabei sein solle oder
       nicht, darüber habe es keine Diskussionen gegeben, erklärt Schulleiter
       Christian Bolduan. „Da sind wir als Schule zur Neutralität verpflichtet.“
       Er finde es richtig, wenn die Schüler*innen sich selbst eine Meinung
       bildeten und wenn die AfD sich selbst entzaubere.
       
       Was gar nicht so einfach ist auf einem Podium mit gleich sechs Gästen.
       Gestandene Journalist*innen scheitern bei diesem Versuch regelmäßig,
       Caren Miosga hatte es im [1][Gespräch mit Alice Weidel am Vorabend] erst
       vorgemacht. Und der Schulleiter kündigt es zu Beginn der Veranstaltung
       selbst an: Einen Faktencheck können sie an der Schule schlicht nicht
       liefern.
       
       ## Eine Minute, nicht mehr
       
       Noch dazu ist die Veranstaltung so aufgebaut, dass jeder Redner gerade mal
       60 Sekunden hat, um zu antworten, und eine Diskussion zwischen den
       Politikern eigentlich gar nicht vorgesehen ist.
       
       Was die Redezeit der Panelgäste angeht, sind die Moderatoren durchaus
       streng. Einmal drehen sie dem CDU-Direktkandidaten Frederik Bouffier –
       nein, der Name ist kein Zufall, er ist der Sohn des ehemaligen hessischen
       Ministerpräsidenten Volker Bouffier – sogar das Mikrofon ab. Und so müssen
       sich die Kandidaten der anderen Parteien ein ums andere Mal entscheiden, ob
       sie nun eigentlich etwas zu ihren eigenen Inhalten sagen wollen oder ob sie
       dem AfD-Mann Robin Jünger Paroli bieten.
       
       Der arbeitet schon längst im Bundestag, als Mitarbeiter eines Abgeordneten,
       und kennt die Fraktion und ihre regelmäßigen menschenfeindlichen Ausfälle
       insofern gut. Er selbst tritt an diesem Tag vor den Schüler*innen betont
       gemäßigt auf – eine häufig beobachtete Taktik der AfD. Er sei bei der AfD
       vor allem wegen Themen wie Digitalisierung und Steuergerechtigkeit. Das
       Wort „Migration“ taucht in seinem Eingangsstatement nicht einmal auf. Und
       auf „Remigration“ angesprochen, soll das doch alles gar nicht so wild sein,
       es gehe doch nicht um die „Bestandsbürger“.
       
       Der SPDler Felix Döring wartet daraufhin mit Zitaten von Jüngers
       Parteikollegen auf, die den [2][rassistischen Charakter der Pläne] klar
       erkennen lassen. Und auch sonst übernimmt das Podium öfters den
       Faktencheck: Wenn etwa der Linke Dietmar Schnell klarstellt, dass die AfD
       keineswegs Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen entlasten will,
       sondern das Gegenteil.
       
       ## „Die AfD wird’s nicht“
       
       Auch viele Schüler*innen, das wird klar, haben sich extrem gut vorbereitet.
       Sie fragen, wie die Union denn ihre Pläne zu Steuererleichterungen ohne
       neue Schulden finanzieren will oder ob sie wirklich auch Kinder in
       Abschiebehaft nehmen wolle. Sie wollen wissen, warum die Grünen nicht
       geschafft haben, Subventionen für E-Autos nach Einkommen zu staffeln.
       
       Eine Schülerin spricht AfDler Jünger [3][auf ein Zeitungsinterview an], in
       dem er sagte, er habe Björn Höcke zwei Mal bei Veranstaltungen gesehen und
       kenne „keinen Rechtsextremen in der AfD“. Seine Erklärung: Höcke habe da
       nichts Rassistisches gesagt, und was er sonst so sage, wisse Jünger ja
       nicht.
       
       Immer wieder geht es auch um die vergangene Woche, um den Antrag zum
       Fünfpunkteplan der Union, der mit den Stimmen der AfD angenommen wurde, und
       um den letztlich [4][gescheiterten Versuch], gar ein Gesetz auf diese Weise
       zu verabschieden. Bouffier hat das öffentlich verteidigt – im Gegensatz zu
       seinem Vorgänger im Wahlkreis, Helge Braun, der der Abstimmung
       ferngeblieben war. Als der SPDler Döring sagt, nun müsse die CDU
       entscheiden, ob sie an der Seite von Rechtsextremen stehe oder nicht, wird
       Applaus laut.
       
       Was Redezeit und Aufmerksamkeit angeht, hat die AfD diesen Tag dominiert.
       Noch nach der Veranstaltung wird Jünger umringt von jungen Leuten, die ihm
       weiter Fragen stellen wollen – vor allem kritische. Punkten kann er bei den
       Schüler*innen kaum. „Er hat unserer Mitschülerin alles im Mund
       herumgedreht“, sagt eine der drei Schülerinnen vom Beginn dieses Texts. Was
       sie wählen, wollen sie nicht verraten. „Aber die AfD wird’s nicht.“
       
       5 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Talkshowgast-Alice-Weidel/!6064904
   DIR [2] /Weidel-zur-AfD-Kanzlerkandidatin-gewaehlt/!6061592
   DIR [3] https://www.giessener-allgemeine.de/kreis-giessen/satz-robin-juenger-das-image-der-afd-und-ein-rassistischer-93543303.html
   DIR [4] /Bundestag-stimmt-gegen-Unionsantrag/!6066473
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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