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       # taz.de -- Wahlen in Ecuador: Ein vertrautes Duell in unsicheren Zeiten
       
       > Trotz höchster Mordrate der Welt und Blackouts ist die Wiederwahl von
       > Präsident Noboa wahrscheinlich. Auch seine Konkurrentin dürfte daran
       > nichts ändern.
       
   IMG Bild: Amtsinhaber Daniel Noboa wählte am Sonntag in seiner Heimatstadt Guayaquil, der Hochburg für Gewalt
       
       Bogotá taz | Fast 14 Millionen ecuadorianische Wahlberechtigte können am
       Sonntag den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin sowie den oder die
       Vize, die Mitglieder der Nationalversammlung und die
       Repräsentant:innen des Anden-Parlaments bestimmen.
       
       Ecuador, einst ein ruhiges Land, hat heute die höchste Mordrate
       Lateinamerikas. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen [1][wurde der
       Mitte-links-Kandidat und Investigativjournalist Fernando Villavicencio am
       helllichten Tage in der Hauptstadt Quito bei einer Wahlkampfveranstaltung
       erschossen.] Der mutmaßliche Täter wurde später im Gefängnis ermordet.
       Amtsinhaber Daniel Noboa musste am Sonntag in seine Heimat Guayaquil zum
       Wählen fliegen – die größte Stadt, Pazifikhafen [2][und Hochburg der
       Gewalt]. Das fasst die Lage ganz gut zusammen.
       
       In 14 Monaten Amtszeit traf Noboa riskante, teils illegale Entscheidungen.
       Dennoch führt er in allen Umfragen. Vor anderthalb Jahren hatte er die
       vorgezogene Wahl knapp gegen Luisa González gewonnen, nachdem Präsident
       Guillermo Lasso an einem Misstrauensvotum gescheitert war. Der damals
       35-jährige Sohn eines Bananenmilliardärs wurde überraschend der jüngste
       Präsident in Ecuadors Geschichte.
       
       Auch diesmal gilt Luisa González als Noboas stärkste Konkurrentin unter den
       15 Kandidat:innen. Die Linkspolitikerin tritt für die Partei Revolución
       Ciudadana des Ex-Präsidenten Rafael Correa an, der 2020 wegen Korruption
       verurteilt wurde – aus seinem belgischen Exil. Während Correas Amtszeit
       hatte González, heute 47, mehrere Regierungsämter inne. Sie verspricht,
       Ecuadors Abdriften in den Autoritarismus zu stoppen, den Sozialstaat
       auszubauen und die Justiz zu reformieren. Es ist jedoch fraglich, ob die
       Ecuadorianer:innen eine Rückkehr zum sozial-konservativen „Correismus“
       wollen, der gegen Ende ebenfalls immer autoritärer wurde – und ob das
       konservative Ecuador tatsächlich seine erste Präsidentin wählen würde.
       
       ## Im Wahlkampf trug Noboa eine schusssichere Weste
       
       Das zentrale Wahlkampfthema war die Sicherheit. Ecuador versinkt seit vier
       Jahren in Gewalt, vor allem an der Küste, über die Kokain in die USA, nach
       Asien und Europa geschmuggelt wird. Kriminelle Banden, mexikanische
       Kartelle und Gruppen aus Kolumbien kämpfen um Drogen, illegalen Bergbau und
       Schutzgelder. Diese treffen alle, vom kleinen Straßenhändler bis zum
       Unternehmer. Die Banden haben die staatlichen Institutionen wie ein
       Krebsgeschwür durchsetzt und Politik sowie Justiz unterwandert.
       
       Erstmals rief Noboa vor einem Jahr einen „internen, nicht internationalen
       Konflikt“ aus, eine Rechtsfigur, die dem Ausnahmezustand ähnelt. Er
       erklärte den Drogenkartellen den Krieg und stufte sie als
       Terrororganisationen ein. Doch die schlagen umso brutaler zurück. Noboa
       trug im Wahlkampf stets eine schusssichere Weste, seine Leibwächter kamen
       aus Israel – offenbar aus Misstrauen gegenüber den staatlichen
       Sicherheitskräften. Er inszenierte sich als Hardliner nach dem Vorbild des
       salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele, mit Megagefängnissen und
       massiven Social-Media-Kampagnen.
       
       Das alles hat nur bedingt gefruchtet. Zwar sank die Zahl der Morde von
       8.248 im Jahr 2023 auf 6.987 im Jahr 2024, doch im Januar 2025 erreichte
       sie mit 750 Morden einen neuen Höchststand. Polizei und Militär sind massiv
       präsent, doch die Gewalt bleibt.
       
       Expert:innen gehen davon aus, dass die Militarisierung der Gefängnisse
       und Straßen [3][an den grundlegenden Problemen nichts ändert].
       Menschenrechtsorganisationen werfen Polizei und Armee schwere Übergriffe
       vor, gedeckt von der Regierung. Ein Beispiel, das weltweit im Dezember
       Aufsehen erregte, war der Mord an den vier afroecuadorianischen Kindern.
       Diese waren von einer Soldatengruppe verschleppt worden, ihre Leichen
       wurden verbrannt im Schlamm gefunden. Ein Gericht ordnete eine staatliche
       Entschuldigung bei den Hinterbliebenen an, doch sowohl Noboa als auch sein
       Verteidigungsminister blieben stumm.
       
       ## Eine Kritikerin wollte Noboa in die Türkei vermitteln
       
       Eine scharfe Kritikerin Noboas ist seine ehemalige Vizepräsidentin Verónica
       Abad. [4][Sie wirft ihm vor], ein autoritäres Regime zu führen und einen
       Staatsstreich zu unternehmen. Kurz nachdem das Duo die Wahl gewonnen hatte,
       zerbrach das Bündnis. Noboa hat vieles versucht, um Abad aus dem Weg zu
       schaffen: Er ließ ihr den Zugang zu Büro und E-Mail sperren, entsandte sie
       als Botschafterin nach Israel mit der absurden Mission, Frieden zwischen
       Israel und Palästina zu vermitteln, und bot ihr später Posten in der Türkei
       an. Auch die Antarktis hätte es getan, meinte er mal süffisant.
       
       Alles, um zu verhindern, dass sie während seiner Wahlkampfpause, wie von
       der Verfassung vorgesehen, die Amtsgeschäfte übernimmt. Stattdessen
       ernannte Noboa per Dekret zwei andere Vizepräsidenten. Ein Gericht stoppte
       ihn, doch er ignorierte das. Die Verfassung schreibt zwar eine
       Regierungspause vor – aber erwähnt keine Strafe, wenn das nicht passiert.
       
       Ein zweites großes Thema ist die Energiekrise. Ecuador bezieht 70 Prozent
       des Stroms aus Wasserkraft – was 2024 wegen der Dürren zu Stromausfällen
       von bis zu 14 Stunden führte und dem Land immense Wirtschaftseinbußen
       bescherte. Die Stromausfälle haben auch die Kriminalität weiter befeuert.
       Noboa macht frühere Regierungen für die Energiekrise verantwortlich und
       spricht von Sabotage, ohne Beweise vorzulegen.
       
       Unter Noboa haben die internationalen Beziehungen mit den regionalen
       Nachbarn stark gelitten – nicht nur seit einem Interview mit dem Magazin
       The New Yorker, [5][in dem er über diverse Amtskollegen herzog]. Dass er
       die mexikanische Botschaft in Quito überfallen ließ, um Correas
       Ex-Vizepräsident Jorge Glas herauszuholen, der dort Asyl bekommen hatte,
       [6][wurde breit als Bruch des internationalen Rechts kritisiert]. Die
       Beziehungen zu Mexiko sind seitdem katastrophal.
       
       Vor Kurzem kündigte Noboa im Zuge von der Strafzölle-Welle von US-Präsident
       Donald Trump selbst Strafzölle in Höhe von 27 Prozent auf Importe aus
       Mexiko an – angesichts des minimalen Handels mit Mexiko eher eine
       symbolische Geste. Seinem Interamerikanischen Gipfel in Cuenca [7][blieben
       die regionalen Amtskollegen fern] – nur der König von Spanien kam.
       
       Umfragen sahen Noboa vorn, doch ein Sieg im ersten Wahlgang scheint
       unwahrscheinlich. Sollte er weniger als 50 Prozent der Stimmen oder 40
       Prozent mit 10 Punkten Vorsprung erreichen, folgt am 13. April die
       Stichwahl.
       
       9 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Praesidentschaftskandidat-getoetet/!5949603
   DIR [2] /Kriminalitaet-in-Ecuador/!6030716
   DIR [3] /Forscher-ueber-Drogenhandel-in-Ecuador/!5984426
   DIR [4] https://elpais.com/america/2025-01-10/la-vicepresidenta-de-ecuador-alerta-de-que-en-pocas-horas-se-consumara-un-golpe-de-estado.html#?rel=mas
   DIR [5] https://elpais.com/america/2024-06-19/daniel-noboa-petro-es-un-esnob-de-izquierdas-milei-no-ha-logrado-nada-bukele-es-arrogante.html
   DIR [6] /Nach-dem-Sturm-auf-Mexikos-Botschaft/!6002713
   DIR [7] https://elpais.com/america/2024-11-15/comienza-en-ecuador-una-cumbre-iberoamericana-marcada-por-la-ausencia-de-lideres-regionales.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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