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       # taz.de -- Holstein Kiel gegen VfL Bochum: Packender Keller-Krimi
       
       > Aufsteiger Holstein Kiel kämpft in der Fußball-Bundesliga weiter um den
       > Klassenerhalt. Gegen Tabellenschlusslicht VfL Bochum reicht es nur zum
       > 2:2.
       
   IMG Bild: Bochums Bernardo (2.v.l.) und Kiels Finn Porath kämpfen um den Ball
       
       Ist [1][Aufsteiger Holstein Kiel] ungeachtet aller Qualitätsmängel eine
       Bereicherung für die Milliarden-Branche Bundesliga? Für alle
       Sozialromantiker auf jeden Fall. Dem Klub mit den geringsten Einnahmen aus
       dem Fernseh-Pool, einem Mini-Etat und dem untauglichsten Stadion in Liga
       eins drückt man getreu des David-gegen-Goliath-Prinzips die Daumen. Doch
       selbst für den neutralen Beobachter bieten die Dauer-Außenseiter
       Attraktivität. Mit 4,14 Toren pro Spiel mit Störche-Beteiligung sind die
       Kieler Spitzenreiter in Sachen Unterhaltungswert.
       
       Der Teufel steckt im Zahlen-Detail: [2][54 Gegentreffer!] Die fragile
       Deckung hindert die Kieler allerdings nicht, im Schneckenrennen um den
       Klassenerhalt kollektiven Widerstand gegen das vermeintlich programmierte
       Schicksal zu leisten. Zwar reichte es am Sonntag im packenden Keller-Krimi
       gegen das Schlusslicht VfL Bochum nur zu einem 2:2 (1:2). Doch selbst
       dieser eine Heimpunkt hält die Minimal-Chancen der Nordlichter zumindest
       auf Relegationsplatz 16 am Leben.
       
       KSV-[3][Cheftrainer Marcel Rapp] darf weiter von einer der größten
       Sensationen in der Bundesliga-Historie träumen. Auch deshalb, weil ihm die
       Transferoffensive im Winter neue Möglichkeiten für die Defensive offeriert
       hat. Offiziell nicht bestätigte rund fünf Millionen Euro sollen die Kieler
       in Abwehr-Chef David Zec (NK Celje/Slowenien), Schienenflitzer John Tolkin
       (New York Red Bulls) und den Verteidiger Ivan Nekić (NK Varazdin/Kroatien)
       investiert haben.
       
       ## Vier Millionen Transfer-Minus
       
       Die Frage bleibt: Haben die Verantwortlichen bei Holstein nach dem Aufstieg
       mit ihrem Sparkurs das Risiko des direkten Wiederabstiegs billigend in Kauf
       genommen, zumindest aber die sportlichen Realitäten zu spät erkannt? Laut
       dem Fachblatt Kicker lag das Transfer-Minus im vergangenen Sommer immerhin
       bei 4,1 Millionen Euro. Während aber Hoffnungsträger wie Armin Gigović,
       Magnus Knudsen, Max Geschwill oder Dominik Javorček nur situativ ihre
       Bundesliga-Tauglichkeit unter Beweis stellten, reifte lediglich der vom
       Viertligisten FC Homburg zu den Störchen gewechselte Mittelstürmer Phil
       Harres (sieben Saisontreffer) als jüngstes Symbol für den „Kieler Weg“ zu
       einer Art Shooting-Star.
       
       Den Kontrast dazu bot der linke Flügelverteidiger Tymoteusz Puchacz von
       Union Berlin. Der Pole konnte den Verlust von Tom Rothe, in Liga zwei wie
       der für eine Million Euro nach Gladbach gewechselte Ex-Kapitän Philipp
       Sander ein echter Unterschiedspieler, selten bis gar nicht kompensieren.
       Mittlerweile schnürt Puchacz auf Leihbasis in der zweiten Englischen Liga
       für Plymouth Argyle die Stiefel.
       
       Rapps Sommer-Favorit auf der in seinem System so wichtigen Position war
       Derry Murkin. Doch Sportchef Carsten Wehlmann blies die Verhandlungen mit
       Murkin-Klub Schalke 04 wegen zu hoher Ablöseforderungen (kolportiert wurden
       2,2 Millionen Euro) schlussendlich ab. Für Tolkin steht eine Ablöse in Höhe
       von drei Millionen Euro im Raum.
       
       ## Heimspiele auf der Großbaustelle
       
       Stimmen diese Summen, wäre dies ein kostspieliges Eingeständnis der
       Fehlplanung. Dass Rapp in den vergangenen Monaten öffentlich kaum Kritik
       übte, zeugt von ausgeprägter Loyalität und belegt zugleich eine der großen
       Stärken des Vereins: Bei der KSV Holstein herrscht nach außen hin Ruhe,
       auch in Krisenzeiten. Zumindest aber bleiben im Gegensatz zu anderen
       Konkurrenten etwaige Zwistigkeiten hinter verschlossenen Türen. Fast
       mantraartig beschwor Rapp stattdessen in der Vergangenheit den Zusammenhalt
       als größtes Faustpfand.
       
       Ob der 45-jährige Spieler-Entwickler, der seit Oktober 2021 in Diensten der
       Störche steht, seinen bis 2026 datierten Vertrag erfüllt, ist keineswegs in
       Stein gemeißelt. Zwar hat Wehlmann seinem Chefcoach eine Jobgarantie auch
       für den Abstiegsfall ausgestellt. Der ehemalige Jugendtrainer der TSG
       Hoffenheim, den viele Experten als Glücksfall für die KSV beschreiben, weiß
       jedoch um die infrastrukturelle Zukunft seines Arbeitgebers. Unabhängig von
       der Spielklasse rücken im Herbst die Bagger an. Das derzeit nur per
       Sondergenehmigung nutzbare Holstein-Stadion soll in den kommenden vier
       Jahren für 75 Millionen Euro modernisiert, das Fassungsvermögen von 15.000
       auf rund 24.000 Zuschauer erhöht werden. Eine aufgrund der Lizenzvorgaben
       der Deutschen Fußball Liga (DFL) unabdingbare Maßnahme.
       
       Derart lange auf einer Großbaustelle seine Heimspiele mit einer
       Maximal-Auslastung von nur noch 10.000 Zuschauern austragen zu müssen, ist
       im Verbund mit den wirtschaftlich weiter kaum konkurrenzfähigen
       Möglichkeiten sicher kein X-Faktor. Nicht für den in Pforzheim geborenen
       Fußballlehrer, der sich nach eigenen Worten mit seiner Familie im Norden
       wohlfühlt. Und schon gar nicht in Sachen Vermarktung des
       Hochglanz-Produktes Fußball-Bundesliga. Die im Umbau befindliche
       Spielstätte des Zweitligisten SV Elversberg lässt grüßen.
       
       9 Feb 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Geidel
       
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