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       # taz.de -- Antisemitismusvorwürfe in Großbritannien: Labour-Minister fliegt nach Whatsapp-Skandal aus Fraktion
       
       > Die „Mail on Sunday“ hat antisemitische und frauenfeindliche Kommentare
       > veröffentlicht, die Andrew Gwynne getätigt haben soll. Jetzt ist er weg.
       
   IMG Bild: Besser analog als Whatsapp: der gefeuerte Andrew Gwynne
       
       London | taz | Dem Labour-Abgeordneten Andrew Gwynne wird eine
       Whatsapp-Gruppe zum Verhängnis. Die britische Sonntagszeitung Mail on
       Sunday veröffentliche unter anderem antisemitische und frauenfeindliche
       Kommentare, die der Brite getätigt haben soll. Daraufhin schmiss
       Premierminister Keir Starmer Gwynne, der Regierungsmitverantwortung für
       öffentliche Gesundheit trug, am Wochenende aus der Fraktion.
       
       In einer geschlossenen Whatsapp-Gruppe von Labour-Bezirksabgeordneten
       zahlreicher Außenbereiche Manchesters hatte Gwynne, Abgeordneter für den
       Manchester Wahlkreise Gorton and Denton, über eine ältere Wählerin
       gelästert, die sich über die Müllabfuhr beschwert hatte. Diese werde ja
       bald sterben.
       
       2019 machte er sich über den jüdischen Nachnamen des verstorbenen
       US-amerikanischen Psychologen und Konfliktlöser Marshall Rosenberg lustig.
       Der Name höre sich „zu jüdisch“ und „zu militärisch“ an, behauptete er und
       fragte angeblich zusätzlich, ob Rosenberg Teil des Mossads sei. Außerdem
       machte er frauenfeindliche Aussagen über die heutige stellvertretende
       Labour-Vorsitzende Angela Rayner und rassistische Ausführungen über die
       schwarze Labour-Abgeordnete Diane Abbott.
       
       Gwynne entschuldigte sich am Wochenende auf X, es tue ihm leid, und er
       werde auch als suspendierter Abgeordneter Labour unterstützen. Auch ein
       zweiter Labour-Abgeordneter, Oliver Ryan, der ebenfalls in dieser Gruppe
       war, fiel unter anderem durch homophobe Kommentare auf. Auch Ryan
       entschuldigte sich bereits.
       
       ## Starmer will gegen Whatsapp-Gruppe vorgehen
       
       Premierminister Starmer sei entschlossen, die höchsten Standards
       aufrechtzuerhalten, und würde, wie in diesem Fall nicht zögere, gegen
       jegliche Minister, dagegen vorzugehen.
       
       Labour fügte hinzu, dass die Kommentare in der Whatsapp-Gruppe hinsichtlich
       der parteiischen Regeln und Richtlinien untersucht werden würden und man
       unverzüglich handeln würde, wenn die hohen Standards, die von
       Parteimitgliedern der Labour-Partei erwartet werden würden, gebrochen
       worden seien.
       
       Ein Streit mit Parteimitgliedern vom linken Flügel der Partei zu
       Regierungsreformen der Rentenfonds von Kommunalbehörden soll zu den Leaks
       geführt haben. Die Entblößungen könnten jedoch alle Mitglieder der
       Whatsapp-Gruppe treffen und lassen Fragen aufkommen, inwiefern Starmers
       Maßnahmen der Nulltoleranz des Antisemitismus greifen.
       
       In den vergangenen Jahren kam es unter Starmers Vorgänger Parteichef Jeremy
       Corbyn zu zahlreichen [1][Antisemitismusskandalen.] „Hat auch nur
       irgendjemand (gegen die Kommentare) Initiative ergriffen?“, fragt bereits
       der konservative Politiker Alex Burghart.
       
       ## Mehrere Ministerinnen treten zurück
       
       Immer wieder wird Starmers Urteilskraft seit Beginn der [2][Labourregierung
       infrage gestellt.] In der Kritik stand etwa die von ihm gekürte Stabschefin
       Sue Gray, die mehr als 3000 Pfund mehr als Starmer selber verdiente und im
       Herbst zurücktrat. Auch die einstige Transportministerin Louise Haigh,
       verließ wegen Falschangaben bei der Polizei ihren Posten. Und Tulip Siddiq,
       Staatsministerin im Finanzministerium gab ihr Amt [3][wegen
       Korruptionsvorwürfen auf.]
       
       Derartiges lädiert das Image von Starmer, als ehemaligen Chef der
       Staatsanwaltschaft, als angeblich verantwortungsvoller Politiker, der die
       Jahre konservativer Skandale ablösen wollte. Der Skandal trifft Labour in
       einer äußerst prekären Zeit. Letzte Woche hat die rechtspopulistische
       Partei Reform UK in einer YouGov Umfrage zum ersten Mal alle anderen
       britischen Parteien überholt und lag mit 25 Punkten sogar einen Punkt vor
       Labour. Auch das Marktforschungsinstitut Opinium konnte am Samstag die
       Popularität der Partei Nigel Farages bestätigen, wobei hier Labour mit 27
       Punkten noch einen Punkt vor Reform UK lag.
       
       Da im Mai in England Kommunalwahlen abgehalten werden, versucht Labour mit
       allen Mitteln gegenzusteuern. So wurden vergangenen Woche einige
       Kommunalwahlen, viele in Bezirken, wo Reform UK stark punkten könnte, um
       ein Jahr verschoben, offiziell aufgrund von Änderungen der
       Wahlbezirksgrößen. Andererseits versucht Labour mit ihrem harten Kurs gegen
       illegale Einwanderung zu punkten. Damit wollen sie Reform UK
       Wähler:innen für sich gewinnen.
       
       11 Feb 2025
       
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