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       # taz.de -- Trump, Musk und das TV-Duell: Präzise geplantes Chaos
       
       > Die Zeiten sind nicht die richtigen für Politikmüdigkeit. Gerade jetzt
       > gilt: Die Ärmel hochkrempeln und den rechten Populisten Paroli bieten!
       
   IMG Bild: Trumps Werkzeug für den Staatsabbau: Elon Musk
       
       Politik, so sagt ein kluger Freund, interessiert ihn gerade nicht so sehr.
       Ihn interessiert Literatur, Musik, das Leben. Und ich verstehe, was er
       meint. Man musste sich nur die sogenannte Debatte zwischen Olaf Scholz und
       Friedrich Merz anschauen. Wenn Politik die Welt schrumpft und die
       Kleinteiligkeit der Argumente vor der Größe der Probleme und Fragen
       zerkrümelt, dann ist die Schwundstufe einer Form von Politik erreicht, die
       das Vertrauen vermittelt, dass sich etwas ändern kann.
       
       Und Vertrauen ist eine Essenz von Demokratie. Mir geht es aber gerade
       anders. Ich bin fasziniert von dem, was etwa in den USA passiert – nur
       anders fasziniert als beim ersten Mal, bei der ersten Präsidentschaft von
       Donald Trump. Damals war es Ekel, Abscheu, Widerstand. Heute ist es der
       Versuch zu verstehen, nicht nur was geschieht, sondern wie es geschieht.
       
       Ich sehe die Präzision, mit der sich die Trumpianer vorbereitet haben, etwa
       ihr Handbuch „[1][Project 2025]“, das eine [2][Anleitung zum Staatsstreich]
       ist, allerdings mit den Werkzeugen der Verfassung, weitgehend. Es ist,
       glaube ich, ziemlich klar, dass das, was Trump will, ein Umsturz ist – ein
       Umsturz der bisherigen Ordnung und Logik und Praxis von Demokratie.
       
       Dekrete ersetzen Debatten, die Exekutive dominiert die Legislative und die
       Judikative, wobei abzuwarten bleibt, was die Rolle der Gerichte ist und ob
       sich Trump an mögliche Urteile und Anordnungen hält. Trump regiert nicht
       wie ein Präsident, so fasste es der amerikanische [3][Podcaster Ezra Klein]
       zusammen, er regiert wie ein König. In vielem also ist das, was sich in den
       USA vollzieht, das Ende der Politik, wie wir sie kannten – und wie sie im
       deutschen Wahlkampf vorgeführt wird, allerdings mit dem schwindenden
       Selbstvertrauen von Laienschauspielern, denen mehr und mehr der Text
       ausgeht.
       
       ## Gezielt geschürte Verzweiflung
       
       Es ist performativ und programmatisch eine bemitleidenswerte und
       bedauernswerte Politikverkümmerung, was auch mit der zutiefst mittelmäßigen
       Qualität etwa der beiden präsentierten Kandidaten zu tun hat, die sich da
       an einsamen Pulten begegneten. Schwer zu sagen, für welche Aufgabe die
       beiden wirklich geeignet sind. Es gibt also sicher nichts zu beschönigen.
       In Deutschland herrscht massiver Unterdruck, in den USA massiver Überdruck
       in der politischen Sphäre, beides ist schlecht für eine funktionierende
       Demokratie.
       
       Der brasilianische Philosoph [4][Roberto Mangabeira Unger], den ich so mag,
       spricht von einer „high-energy democracy“ als Zielvorstellung – er meinte
       aber nicht die Hochspannungsdemokratie, die Donald Trump und vor allem Elon
       Musk gerade zünden, um das System so lange übertourig laufen zu lassen, bis
       es bricht. Der Schaden, der dabei entsteht, ist ihnen nicht nur egal, er
       ist Teil des Plans – Herrschaft muss schmerzen, damit Herrschaft wirkt,
       muss es Opfer geben.
       
       Das ist die Philosophie der Dominanz und die Grausamkeit, mit der sie etwa
       die internationalen Netzwerke von Hilfe, Unterstützung, Menschlichkeit
       verstören, die [5][die amerikanische Behörde USAID] in der ganzen Welt
       unterhielt. Millionen von Menschen waren von einem Tag auf den anderen ohne
       [6][HIV-Medikamente], steckten mitten in medizinischen Versuchen fest,
       Forschung wurde gestoppt, Fortschritt wurde gestoppt.
       
       Die Verzweiflung, die daraus resultierte, war keineswegs eine bedauerliche
       Begleiterscheinung, sondern sie war gewollt, sie war in manchem das Ziel,
       denn autoritäre Herrschaft braucht Angst, Angst ist das Machtmittel, das
       Politik ersetzt oder unmöglich macht. Angst also in weiten Teilen der Welt,
       die als Konstante präsent ist, Angst auch im Inneren der Demokratie, wo die
       so benannten Feinde mit Rache verfolgt werden und der demokratische Apparat
       durch Massenentlassungen zertrümmert wird – Dominanz zeigt sich in der
       Gewalt gegen Menschen, ihr Leben, ihr Schicksal.
       
       ## Überzeugung und harte Arbeit
       
       Woher kommt also diese gewisse Faszination für das, was Donald Trump und
       vor allem [7][Elon Musk] gerade anstellen, bei allem Ekel und aller Abscheu
       vor dem wirklich – um das Wort zu verwenden – Bösen, das sie antreibt und
       das sie verkörpern? Es ist vermutlich die Präzision, mit der sie vorgehen,
       wieder speziell Musk, dessen brutaler Staatsabbau zwar Chaos produzieren
       soll und Chaos produzieren wird und entsprechend desaströs sein wird – das
       alles aber wird uns vorgeführt mit der Präzision eines Plans, der eine
       ultimativ andere Form von Staat will und keine Demokratie mehr.
       
       Diese Klarheit ist das, was fasziniert, die performative Professionalität,
       die notwendig ist, um Dinge zu verändern. Musk, der von seinen
       Mitarbeitenden erwartet, dass sie 120 Stunden in der Woche arbeiten, machte
       sich gerade lustig über „die andere Seite“, die sich Wochenenden gönnt,
       während er und seine Truppe einfach durchschuften. Selbst schuld, so Musk,
       dass sie zwei Tage lang das Feld räumen in dieser Schlacht, die durch
       Anwesenheit und harte Arbeit gewonnen wird.
       
       Was wäre also, wenn wir, „die andere Seite“, genauso professionell vorgehen
       würden, genauso hart arbeiten würden, in manchem ähnlich rücksichtslos
       wären und die Prozesse so definieren würden, die Konzepte so fassen würden,
       die Ideen so groß denken würden, dass grundsätzliche Veränderungen möglich
       scheinen, möglich werden? Trump, so sagte es Ezra Klein, und ich glaube, er
       hat recht, Trump will, dass die Menschen daran glauben, dass er die Macht
       hat, alles anders zu machen.
       
       Es ist dieser Glaube, der in vielem die Grundlage seiner Macht ist, es ist
       dieser Glaube, der „der anderen Seite“ oft fehlt. Wie also kann dieser
       Glaube entstehen? Durch Überzeugung und harte Arbeit, das zeigt das
       Beispiel Musk. All das ist notwendig für eine Politik, die dem widerstehen
       kann, was die autoritäre Internationale gerade vollzieht. Es ist höchste
       Zeit. Wir müssen gestern anfangen.
       
       12 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.project2025.org/
   DIR [2] /Project-2025-Manifest-in-den-USA/!6043014
   DIR [3] https://www.nytimes.com/2025/02/11/opinion/ezra-klein-podcast-quinta-jurecic.html
   DIR [4] https://www.youtube.com/watch?v=UG0YXi4MpaA
   DIR [5] /USAID-stellt-Zahlungen-ein/!6063648
   DIR [6] /Abwicklung-von-USAID-in-Uganda/!6067513
   DIR [7] /Elon-Musks-politischer-Feldzug/!6058331
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Georg Diez
       
       ## TAGS
       
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