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       # taz.de -- Dystopische ARD-Serie: Klimakatastrophe wird greifbar
       
       > Wenn man an die Folgen des Klimawandels denkt, könnte man meinen, Europa
       > sei davon nicht betroffen. „Families Like Ours“ zeigt das Gegenteil.
       
   IMG Bild: Laura (Amaryllis August) in „Families Like Ours“
       
       Dänemark geht im Meer unter. Und als der Kopenhagener Architekt Jacob
       (Nikolaj Lie Kaas) durch seinen Schwager Nikolaj (Esben Smed), der im
       Außenministerium arbeitet, vor allen anderen erfährt, dass auf
       Regierungsbeschluss hin das ganze Land wegen des steigenden Wasserpegels
       umgesiedelt werden soll, versucht er noch schnell, sein Haus zu verkaufen.
       Aber das geht schief. Seine gut situierte Familie rauscht wie fast alle
       anderen Dänen in die Pleite.
       
       [1][Thomas Vinterberg], der Mitbegründer der Dogma-Filmbewegung, der Ende
       der 1990er mit seinem Film „Das Fest“ Furore machte, erzählt in der Serie
       „Families Like Ours – Nur mit Euch“ eine Klimadystopie in naher Zukunft.
       
       Nachdem die Niederlande bereits teilweise überschwemmt sind und einen
       dramatischen Niedergang der Ökonomie erlebt haben, gibt Dänemark bei
       steigendem Wasserspiegel den weiteren Ausbau von Dämmen auf. Die ganze
       Bevölkerung soll umgesiedelt und das Land in einen riesigen
       Offshore-Windpark verwandelt werden.
       
       ## Spektakuläre Bilder gibt es nicht
       
       Erzählt wird das aus der Perspektive der titelgebenden Familie, deren
       Mitglieder je nach Arbeitserlaubnis und Visumsmöglichkeit nach England,
       Frankreich, Rumänien, Polen und Finnland auswandern.
       
       Der Klimawandel spielt im fleißig produzierenden Serienbereich bisher kaum
       eine Rolle. Ausnahme ist die klimadystopische Anthologie
       [2][„Extrapolations“ (2023) auf Apple TV+], in der gefühlt halb Hollywood
       mitspielt. Thomas Vinterberg verzichtet in seinem Siebenteiler aber auf
       spektakuläre Bilder eines drohenden Klimawandels. Nur ganz am Ende ist wie
       in einem Epilog das überflutete Kopenhagen zu sehen.
       
       Er erzählt vielmehr anhand einer Familiengeschichte, welche katastrophalen
       Auswirkungen die Flucht vor Klimaschäden hat. Statt der Menschen aus dem
       Globalen Süden sind plötzlich die Dänen die Geflüchteten, die mit einem
       knallharten Grenzregime in Europa konfrontiert werden.
       
       ## Dramaturgische Schwächen
       
       So Elias (Albert Rudbeck Lindhardt), der Freund von Jacobs Tochter Laura
       (Amaryllis August), der von der deutschen Polizei an der Grenze nicht
       durchgelassen wird, als er seine Geliebte sucht, die irgendwo in Polen
       gestrandet ist. Er kämpft sich zu Fuß durch und wird von Faschisten bei
       einem illegalen Pushback ins Koma geprügelt.
       
       Jacob schafft mit Ehefrau und kleinem Kind zwar den Sprung nach Frankreich,
       wo er als Architekt arbeiten will, aber Probleme mit seinen Papieren
       bekommt und am Ende im Sozialblock lebt und putzen geht.
       
       „Families Like Ours“, das mitunter auch etwas konstruiert wirkt und einige
       dramaturgische Schwächen hat, funktioniert ein Stück weit wie Paul Lynchs
       an die Ereignisse in Syrien angelehnter, 2023 mit dem Booker Prize
       ausgezeichneter [3][Roman „Das Lied des Propheten“], in dem nach einem
       Rechtsruck in Irland und einem Bürgerkrieg die Flucht einer Familie erzählt
       wird, die im Schlauchboot übers Meer schippern muss.
       
       ## Aus Klimawandel folgt Klimaflucht
       
       Thomas Vinterbergs sehr gefühlvolle, unter die Haut gehende Serie erzählt
       von der Brutalität des Schicksals, das geflüchtete Menschen erleiden
       müssen, und dreht die übliche Perspektive um. Die Westeuropäer sind auf der
       Flucht.
       
       Laura versucht, sich zu ihrer Mutter durchzuschlagen, die in Bukarest lebt.
       Immer wieder gibt es Bilder von steigenden Wasserpegeln. Europa säuft
       langsam ab. Dabei geht es auch um die Frage, welche ökonomischen Folgen ein
       derartiges Szenario hätte und wie einige sich daran bereichern.
       
       Diese Familientragödie mit viel Eskalationspotenzial ist zum Teil
       verstörend, eröffnet aber eine sonst in Westeuropa kaum vorstellbare
       Perspektive auf die Themen Klimawandel und Klimaflucht und zeigt
       eindrücklich, wie sehr beide einander bedingen.
       
       12 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
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