URI: 
       # taz.de -- Inklusives Restaurant feiert Geburtstag: Jubiläumsfeier mit ein bisschen Theater
       
       > Das Restaurant Charlottchen wurde vor 35 Jahren eröffnet. Es hat einen
       > Wandel vollzogen, nun lädt es als französische Brasserie ein. Ein
       > Ortsbesuch.
       
   IMG Bild: „Für mich hat sich damit ein Lebenstraum erfüllt“, sagt Kerstin Hallensleben, die im Restaurant Charlottchen in der Küche arbeitet
       
       Berlin taz | Natürlich, Fasching! Das passt in diesen Tagen kurz vor der
       närrischen Hochzeit. Im Aushang des Charlottchen in der Droysenstraße 1
       nahe dem S-Bahnhof Charlottenburg wird für ein Stück des mobilen
       [1][Kindertheaters Lingulino] aus Berlin geworben. Am 15. Februar geht es
       ums Verkleiden. Abends dann Kontrastprogramm, auf großer Leinwand wird –
       wie oft und gut fürs Geschäft – Fußball laufen.
       
       Nächsten Samstag, am 22. Februar, steht wieder Kindertheater auf dem
       Programm und ein Konzert mit der [2][Band „Blues Deluxe“]. Ja, das
       Charlottchen ist ein sehr lebendiger Ort. Also rein ins Restaurant, das mit
       warmen Pastelltönen von Rot bis Grün empfängt, und einen Milchkaffee
       bestellt.
       
       [3][Das Charlottchen] wurde am 13. Februar vor 35 Jahren als das erste
       Kinder-Restaurant Berlins eröffnet, als ein Indoor-Spielplatz mit
       Cafébetrieb. „Wir mussten Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit
       Behinderung schaffen und auch Geld verdienen, unsere Integrationsprojekte
       müssen sich ja wirtschaftlich rechnen“, blickt Beate Baumgärtner auf die
       Anfänge zurück.
       
       Seit 1990 arbeiten im Charlottchen Menschen mit und ohne Behinderung
       zusammen, bis heute. Ein guter Grund zu feiern. Am 13. Februar steigt eine
       große Sause zum Jubiläum für geladene Gäste, natürlich im Charlottchen.
       
       ## Als französische Brasserie neu erfunden
       
       Die Eröffnung des Charlottchens bildete den Startschuss für das
       Inklusionsunternehmen Mosaik-Services gGmbH, zu dem heute neben mehreren
       Restaurants, Cafés und Kantinen in ganz Berlin auch eine Gebäudereinigung
       und ein Malereibetrieb gehören. Beate Baumgärtner arbeitet seit 30 Jahren
       als Sozialpädagogin und kennt das Charlottchen von Anfang an. Das hatte
       nach einer viermonatigen Umbauphase Ende 2023 wiedereröffnet und sich als
       französische Brasserie neu erfunden.
       
       Das war nötig, erzählt Nadia Panknin, die für die Kulturplanung im
       Charlottchen zuständig ist. Der Kiez hatte sich mit den Jahren verändert,
       der Zeitgeist ebenso. „Damals war ein Indoor-Spielplatz mit Spielburg neu
       und revolutionär, heute gibt es sie überall.“ Die Spielburg übrigens
       landete nicht im Müll, sie wurde an ein AWO-Geflüchtetenheim verschenkt.
       
       Nadia Panknin ist Theaterpädagogin und leitet die Theatergruppe, die es
       seit 2008 gibt. Dort machen 14 Leute mit, sie kommen aus verschiedenen
       Mosaik-Werkstätten. Die Proben finden wie immer im Charlottchen statt. Dort
       gibt es eine kleine Bühne in einem Raum, der bis zu 80 Menschen fassen
       kann.
       
       Derzeit wird das neue Stück „Der eingebildete Kranke“ geprobt. „Wir
       improvisieren viel“, erzählt Panknin, „dann erst entsteht der Text in
       leichter Sprache, und wir wiederholen das immer wieder.“ Premiere soll im
       Oktober sein. Ein Ausschnitt aus der Inszenierung wird schon auf der
       Jubiläumsfeier zum Besten gegeben.
       
       ## „Damit ein Lebenstraum erfüllt“
       
       Auf die Party freut sich sicherlich auch Kerstin Hallensleben, die vor 25
       Jahren als Werkstattbeschäftigte bei Mosaik angefangen hat. „Nur ein paar
       Jahre später erhielt ich als Küchenkraft eine tarifliche Anstellung“,
       erzählt sie. „Das mache ich bis heute. Für mich hat sich damit ein
       Lebenstraum erfüllt. Hier habe ich die Chance bekommen, mir und meinem
       Umfeld zu beweisen, dass ich selbständig sein kann.“
       
       Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Im Mai kommen zwei Gäste aus
       Österreich nach Berlin, um auf Zeit im Charlottchen zu arbeiten, erzählt
       Beate Baumgärtner. „Sie arbeiten in Graz in einem integrativen Restaurant.“
       
       Ein innovativer Versuch einer länderübergreifenden Kooperation. Vielleicht,
       so die Idee, können dann demnächst Berliner:innen in Graz vorbeischauen
       und ihrerseits neue Erfahrungen sammeln.
       
       13 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.lingulino.de/
   DIR [2] https://gastro.mosaik-berlin.de/restaurant-charlottchen/
   DIR [3] https://gastro.mosaik-berlin.de/restaurant-charlottchen/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hergeth
       
       ## TAGS
       
   DIR Inklusion
   DIR Menschen mit Behinderung
   DIR Restaurant
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Gastronomie
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Inklusion
   DIR Integration
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kerstin Scheinert über Werkstätten: „Jeder Mensch soll die Chance haben, zu arbeiten“
       
       Sind Werkstätten für Menschen mit Behinderung ein Auslaufmodell? Nein, sagt
       die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstatträte
       Schleswig-Holstein Kerstin Scheinert.
       
   DIR Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie: It's not the economy, stupid!
       
       „Die Gastronomie stirbt“: Das ist ein Narrativ, das den Leuten immer
       schwerer auszureden ist. Die hohe Politik fördert diese Erzählung.
       
   DIR Teilhabe und Leichte Sprache: Das schwierige Mitmischen in der Politik
       
       In Deutschland brauchen ungefähr 14 Millionen Menschen Einfache oder
       Leichte Sprache, um sich politisch zu informieren. Wie kann das klappen?
       
   DIR Teilhabe in Schulen: Bezirke vertrödeln echte Inklusion
       
       Neukölln plant ein weiteres Förderzentrum für beeinträchtigte Kinder. Das
       Institut für Menschenrechte sieht darin einen schweren Rechtverstoß.
       
   DIR Petra Köpping (SPD) im Interview: „Das hat mit der AfD nichts zu tun“
       
       Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) über Kommunen am Limit,
       Unterbringung von Geflüchteten und ihre Strategie gegen die
       Rechtsradikalen.