URI: 
       # taz.de -- Wahlkampf-Endspurt der Grünen: Ich will. Ich will, dass ihr mir vertraut.
       
       > Mit vielen Ich-Sätzen stellt Robert Habeck sein Programm für das erste
       > Regierungsjahr vor. Der Blick geht nach vorne: mehr Klima, weniger
       > Asyl-Streit.
       
   IMG Bild: Die Kameras müssen nach oben schwenken, als er erscheint: Robert Habeck am Mittwoch bei der Vorstellung seiner „Zukunftsagenda“
       
       Berlin taz | Das Setting macht etwas her. Nicht wie gewohnt in die
       Parteizentrale haben die Grünen am Mittwoch zur Pressekonferenz geladen,
       sondern in eine Berliner Event-Location, die genug Platz bietet: Für einen
       meterlangen Schriftzug im Rücken des Kandidaten („Aufbruch statt
       Rückschritt“) und eine zumindest einen Meter hohe Bühne. Die Kameras müssen
       nach oben schwenken, als Robert Habeck erscheint und seine
       „Zukunftsagenda“ vorstellt. Ein Kondensat des Wahlprogramms, acht Seiten
       voller Sätze, die mit „Ich will“ und „Ich werde“ beginnen. Ein Mann? Ein
       Macher!
       
       Eine Inszenierung, die etwas schräg steht zu den aktuellen Umfragewerten
       und den Koalitionssignalen, die von CDU und CSU kommen. Ob Habeck in der
       nächsten Regierung überhaupt noch etwas macht, ist fraglich. Die Grünen
       flüchten sich zwar in Zweckoptimismus und verweisen in diesen Tagen immer
       wieder darauf, dass viele Wähler noch unentschlossen sind.
       
       Zumindest zum ursprünglich angestrebten Amt des „Bündniskanzlers“ wird es
       aber kaum noch reichen. Zuletzt scheiterte auch die Hoffnung, dass [1][die
       gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD im Bundestag] in den Umfragen
       eine Trendwende bringt.
       
       Anderthalb Wochen vor der Wahl versuchen es die Grünen jetzt noch mal mit
       einer neuen Wahlkampferzählung. Sie leiten sie aus [2][dem TV-Duell
       zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz] am letzten Sonntag ab. Eigentlich
       wäre Habeck gerne selbst dabei gewesen, jetzt macht er aber aus der Not
       eine Tugend. Wie schon am Dienstag im Bundestag verweist er auch am
       Mittwoch auf Leerstellen.
       
       „Die Wahlkampfarena öffnet sich noch einmal und zwar durch Nichtbehandlung
       von Themen. Auf einmal fällt Deutschland auf, dass wichtige Zukunftsthemen
       bisher kaum politisch diskutiert worden“, sagt der Grünen-Kandidat. Das
       TV-Duell habe „vielleicht auf eine negative Art heilsam gewirkt“: Für die
       vergessenen Themen könnte es jetzt doch noch eine Bühne geben.
       
       ## Zuerst das Klima
       
       In seiner „Zukunftsagenda für das erste Regierungsjahr“ konkretisiert
       Habeck, welche Themen er damit genau meint. Zuvorderst: die Klimapolitik,
       die auch in der Kampagne der Grünen [3][in den letzten Wochen nicht immer
       ganz im Zentrum stand]. „Unangemessen scheint mir die Wurstigkeit zu sein,
       mit der mit wissenschaftlich analysierten Zielvorstellungen umgegangen
       wird“, sagt Habeck jetzt. Neue und ehrgeizigere Ziele präsentiert er nicht.
       Stattdessen geht es weiterhin ums „Kurshalten“, also die Ausstiegsdaten für
       den Verbrennermotor oder für fossile Heizungen nicht aufzuweichen.
       
       Stark verknüpft der Grünen-Kandidat das Thema am Donnerstag mit
       Bezahlbarkeit und sozialer Gerechtigkeit. Die „Förderung der neuen
       Techniken“ wolle er „sozial austarieren“. Sprich: Zuschüsse zu Elektroautos
       sollen beispielsweise nach Einkommen gestaffelt gezahlt werden. Auch die
       Einführung eines (ebenfalls sozial gestaffelten) Klimageldes soll laut
       Habecks Agenda „so schnell wie möglich“ erfolgen, auf Nachfrage legt er
       sich hier aber nicht auf das erste Regierungsjahr fest.
       
       Als zweites seiner Zukunftsthemen nennt Habeck die „Innovationskraft der
       Wirtschaft“, vor allem in Bezug auf neue Technologien wie der künstlichen
       Intelligenz. Eines seiner Ziele: Durch öffentliche Gelder und private
       Investitionen im ersten Jahr Zusagen über 50 Milliarden Euro für die
       KI-Entwicklung einzusammeln. Drittes großes Thema schließlich: die
       Bildungspolitik, unter anderem mit einem Sanierungsprogramm für Schulen und
       Kitas. Habeck spricht von einem Investitionsstau in Höhe von 55 Milliarden
       Euro.
       
       ## Sondervermögen als goldene Brücke
       
       Insgesamt gehen die Kosten für die Grünen-Pläne deutlich in den
       dreistelligen Milliardenbereich. Wie das in einer möglichen Koalition mit
       der Union finanziert werden soll? „Das, was wir hier vorschlagen, ist
       mittlerweile Mainstream der ökonomischen Debatten“, sagt Habeck. Diese
       Debatte müsse man ernst nehmen.
       
       Falls es für eine Reform der Schuldenbremse am Ende keine Mehrheiten gibt,
       schweben dem Grünen neue Sondervermögen vor. „Sie sind begrenzte
       Finanzpakete“ und damit für die Fans der Schuldenbremse „vielleicht
       verdaulicher“.
       
       Hinter sich lassen wollen die Grünen dagegen für den Rest des Wahlkampfs
       ihre Migrationsdebatte. Mit einem restriktiven Zehn-Punkte-Plan hatte
       Habeck in der letzten Woche Teile der Partei gegen sich aufgebracht,
       [4][auch öffentlich wurde der Streit sichtbar]. In der „Zukunftsagenda“
       findet sich jetzt nur noch ein Unterkapitel zur Asylpolitik, mit
       ausgewogeneren Maßnahmen als zuletzt. Als Ziel ist jetzt formuliert:
       „Migration insgesamt steuern und humanitäre Standards schützen“.
       
       12 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tabubruch-im-Bundestag/!6063224
   DIR [2] /17-Klima-Fragen-fuers-Kanzler-Duell/!6065171
   DIR [3] /Die-Gruenen-und-der-Klimaschutz/!6058363
   DIR [4] /Gruenen-Kritik-an-Habecks-Migrationsplan/!6069006
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Robert Habeck
   DIR Klimaschutzziele
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Friedrich Merz
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Habecks Dilemma mit der Gerechtigkeit: Robert und das Schulklo
       
       Die Grünen und Robert Habeck setzen auf soziale Themen. Das verfängt, wenn
       der Spitzenkandidat über Turnhallen und Dänemark spricht. Aber reicht das?
       
   DIR Die letzte Bundestagsdebatte: Empörung reicht nicht
       
       Die letzte Debatte im Bundestag war die Chance, Profil zu zeigen. Aber nur
       Robert Habeck hat sie genutzt, Olaf Scholz hat vor allem gewettert.
       
   DIR Grünen-Kritik an Habecks Migrationsplan: „Vorauseilendes Anbiedern an Friedrich Merz“
       
       In einem Brief an die Parteispitze kritisieren Grünen-Mitglieder ihren
       Kanzlerkandidaten Habeck. Sein Kurs könne Wähler*innen zur Linkspartei
       treiben.
       
   DIR 17 Klima-Fragen fürs Kanzler-Duell: War da nicht noch was?
       
       90 Minuten Diskussion, wer der bessere Kanzler wäre – und keine einzige
       Frage zum Klima? Wir helfen gern: 17 Klima-Fragen fürs nächste TV-Duell.