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       # taz.de -- Weidel bei Ungarns Ministerpräsident: Alice im Orbánland
       
       > Autoritäre Wahlkampfhilfe: AfD-Alice Weidel ließ sich in Ungarn wie ein
       > Staatsgast hofieren. Den Autokraten Orbán nannte sie ein „großes
       > Vorbild“.
       
   IMG Bild: Staatsbesuch-Cosplay: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (rechts) empfängt Alice Weidel (noch weiter rechts)
       
       Berlin taz | Es ist der nächste autoritäre Eingriff in den deutschen
       Wahlkampf: Dienstag und Mittwoch war die extrem rechte AfD-Chefin Alice
       Weidel in Ungarns Hauptstadt Budapest zu Gast beim Ministerpräsidenten
       [1][Viktor Orbán]. Wie einen Staatsgast hofierte der rechtsautoritäre
       Staatschef die AfD-Spitzenkandidatin nur anderthalb Wochen vor der
       Bundestagswahl. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch im
       offiziellen Büro des Premierministers ließ sich Weidel grinsend beim
       Händeschütteln fotografieren – zwischen deutschen und ungarischen Fahnen.
       
       In ihren Statements unterstrichen beide Gemeinsamkeiten, während sie
       düstere Abstiegsszenarien der EU zeichneten und rassistisch gegen
       Flüchtlinge hetzten. Orbán sagte mit Bezug zu Migration, er wolle nicht,
       dass Ungarn wie Deutschland aussehe. Weidel sagte, „was in Deutschland
       passiert, auch in Frankreich, werden wir sofort beenden“. Beide stellten
       außerdem die Legitimität der EU und ihrer Institutionen infrage.
       
       Orbán machte sich nach der Wahl von Trump auch über die europäischen
       Regierungsoberhäupter lustig, die sich wie „ängstliche Hühner“ im Feld
       versteckten und auf ihr Schicksal warteten: „Ängstliche Hühner haben keine
       Zukunft“, so Orbán grinsend. Er glaube, dass der AfD die Zukunft in
       Deutschland gehöre.
       
       Weitere Gemeinsamkeit war die offensichtliche Nähe zu Russland: Orbán
       sprach sich für die Aufhebung von Sanktionen aus, Weidel forderte ein Ende
       der „Eskalationsspirale“ – womit sie nicht Putin meinte. [2][Dessen
       Angriffskrieg] wurde selbstredend nicht verurteilt. Ansonsten biederte sich
       Weidel sichtlich bei Orbán an, als sie den Autokraten dreimal als „großes
       Vorbild“ bezeichnete. Orbán gab das Lob seinerseits zurück, indem er Weidel
       eine „tapfere Frau und Anführerin“ nannte.
       
       Unfreiwillig komisch wurde es, als Weidel gegen den öffentlich-rechtlichen
       Rundfunk in Deutschland wetterte. Denn sie beschrieb exakt das, was Orbán
       mit der Medienlandschaft in Ungarn gemacht hatte: Sie kritisierte
       kontrafaktisch, dass der Rundfunk die Regierungspolitik unterstütze und
       nicht kritisch hinterfrage. Sie wolle den Rundfunk von Grund auf
       reformieren. Deutschland ist weltweit auf Platz 10 des
       [3][Pressefreiheits-Index von Reporter ohne Grenzen], die Redaktionen des
       öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind unabhängig und frei. [4][Ungarn
       hingegen ist auf Platz 67].
       
       ## Medien unter Orbáns Kontrolle
       
       Nach der Machtübernahme hat Orbáns Partei Fidesz Schritt für Schritt die
       Medien unter Kontrolle gebracht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und
       Ungarns einzige Nachrichtenagentur wurden in einer staatlichen
       Medienholding zentralisiert. Regionale Presse gehört seit 2017
       Orbán-freundlichen Unternehmern, kritische Medien wurden eingestellt.
       Unabhängige Berichterstattung findet sich nur online, es existieren
       „schwarze Listen“ mit Journalist*innen. Der gemeinsame Freund Russland
       übrigens liegt auf der Rangliste der Pressefreiheit Platz 162.
       
       Das Treffen zwischen Orbán und Weidel ist auch ein Nachbeben des Tabubruchs
       von Friedrich Merz (CDU), nachdem dieser erstmals im Bundestag einen Antrag
       zu Migration mit [5][den Stimmen der Rechtsextremen durchgesetzt hatte].
       Orbán hatte stilecht auf X kommentiert: „Guten Morgen, Deutschland! Welcome
       to the club!“ Danach kündigten beide Weidels Budapest-Besuch an. Orbán
       freue sich darauf, dass wieder Mauern in Berlin eingerissen würden, sagte
       er.
       
       Für die AfD ist das eine kleine Zeitenwende: Die AfD war wegen ihrer
       ungebremsten Radikalisierung bei den europäischen Rechtsaußenparteien
       eigentlich in Ungnade gefallen. Nachdem sie den völkische gelesenen Begriff
       von „Remigration“ normalisiert hat, war der Rassemblement National von
       Marine Le Pen auf Abstand gegangen. Als dann im EU-Wahlkampf 2024
       AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah bestritten hatte, dass es sich bei
       SS-Offizieren grundsätzlich um Verbrecher gehandelt habe, brach die
       gemeinsame Fraktion im Brüsseler Parlament auseinander.
       
       Die AfD musste nach der EU-Wahl eine neue Fraktion mit der [6][extrem
       rechten Resterampe aus dem Brüsseler Parlament bilden]. Nach der Wahl von
       Trump, der offenen AfD-Unterstützung durch Tech-Milliardär Elon Musk, der
       möglichen FPÖ-Kanzlerschaft in Österreich, aber auch der begonnenen
       Demontage der Brandmauer im Bundestag durch CDU-Chef Friedrich Merz haben
       sich die Zeiten offenbar geändert.
       
       Bei Orbáns rechtsautoritären Familientreffen war die AfD bisher selten zu
       Gast, was innerhalb der Partei stets für Zerknirschung sorgte. In der AfD
       wird Orbán und sein autoritärer Staatsumbau Ungarns schon lange als Role
       Model angehimmelt. Auch in Deutschland zeigt die AfD bereits, wie sie
       versucht, [7][demokratische Prozesse mit ihrer Sperrminorität zu
       blockieren].
       
       12 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /EU-nach-US-Wahl/!6047352
   DIR [2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
   DIR [3] /Reporter-ohne-Grenzen/!6008320
   DIR [4] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/ungarn
   DIR [5] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/migrationsabstimmung-im-bundestag-viktor-orban-gratuliert-afd-nach-votum-fuer-merz-antrag-a-a5ad70b5-4067-42db-83de-e65d9fd5b57b
   DIR [6] /Neue-AfD-Fraktion-in-Bruessel/!6022937
   DIR [7] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/thueringen-afd-blockiert-mit-sperrminoritaet-die-berufung-von-richtern-und-staatsanwaelten-a-ed48fbe0-6998-4c59-b07a-95d5af3b4143
       
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