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       # taz.de -- Politischer Prozess in Syrien: Erste Schritte Richtung Übergang
       
       > Während bei einer Hilfskonferenz in Paris Geberländer über Syriens
       > Wiederaufbau sprechen, legt Übergangschef al-Scharaa politische
       > Grundsteine.
       
   IMG Bild: Hoffen auf Stabilität: Binnengelüchtete im Dorf Kokeba im Nordwesten Syriens
       
       Beirut taz | Zwei Monate nach dem Sturz des Assad-Regimes gehen Syriens
       Übergangsmachthaber erste Schritte für einen inklusiven politischen
       Übergang. Am Mittwoch stellten sie in Damaskus einen Ausschuss vor, der
       mithelfen soll, den politischen Weg zu Verfassung und Wahlen zu ebnen.
       
       Einige der Mitglieder stehen der sunnitisch-islamischen Organisation
       Hai’at Tahrir al-Scham (HTS) nahe, die derzeit die De-facto-Regierung
       stellt andere kommen aus der Zivilgesellschaft. Unter den sieben
       Mitgliedern sind zwei Frauen. Dazu kündigte der derzeitige Außenminister,
       Asaad Hassan al-Schibani, am Mittwoch in Dubai an, es gäbe ab 1. März eine
       neue Übergangsregierung.
       
       Die derzeitige Regierung ist selbsternannt und nicht gewählt. Übergangschef
       [1][Ahmed al-Scharaa] hatte unter seinem Kampfnamen al-Jolani das Bündnis
       aus Milizen angeführt, die das Assad-Regime Anfang Dezember gestürzt
       hatten. Danach hatte er die Uniform abgelegt und sich zum
       Übergangspräsident ernannt. Militärische Befehlshaber bestätigten ihn Ende
       Januar als Interimspräsidenten.
       
       Die HTS löste sich als Miliz offiziell auf und setzte ihr nahestehende
       Personen als Übergangsminister ein. Sie strebt an, alle noch existierenden
       Milizen in eine nationale Armee einzugliedern. Die bisherige syrische
       Verfassung wurde außer Kraft gesetzt und die Baath-Partei von Ex-Machthaber
       Assad verboten. Die Übergangsregierung ließ Foltergefängnisse öffnen, lud
       ausländische Politiker*innen ein und warb bei Saudi-Arabien, Türkei,
       Frankreich oder Deutschland um Hilfen und [2][Geld für den Wiederaufbau].
       
       ## Übergangsregierung spricht von „freien und fairen Wahlen“
       
       Am Donnerstag traf der neue syrische Außenminister seine Kolleg*innen
       aus arabischsprachigen Ländern und den G7-Staaten bei einer Hilfskonferenz
       in Paris. Die USA wollen einen Vertreter schicken, Außenministerin Annalena
       Baerbock wird auch da sein.
       
       Nach 54 Jahren der Diktatur und Folter hoffen viele Syrer*innen nun auf
       ein freies, „neues Syrien“. Es bleibt aber Skepsis, ob die
       sunnitisch-islamisch geprägten neuen Politiker moderat bleiben und bereit
       sein werden, ihre Macht zu Gunsten der Demokratie abzugeben.
       
       Am 30. Januar erwähnte al-Scharaa zum ersten Mal einen demokratischen
       Prozess. Er kündigte eine inklusive Übergangsregierung an, „die die
       Vielfalt Syriens, seiner Männer, Frauen und Jugendlichen widerspiegelt“.
       Diese solle die Institutionen aufbauen, bis zu „freien und fairen Wahlen“.
       Ein Vorbereitungskomitee soll einen kleinen legislativen Übergangsrat
       auswählen.
       
       Der wiederum soll die „Konferenz des Nationalen Dialogs“ planen. Dabei
       sollen über 1.000 Syrer*innen aus allen 14 Regierungsbezirken
       zusammenkommen. Ziel wäre dann, eine neue Verfassung auszuarbeiten und
       Wahlen vorbereiten. Der Übergangschef glaubt, bis zur Verfassung brauche es
       drei Jahre, für Wahlen bis zu fünf Jahre.
       
       ## EU und UN hoffen auf Einbezug der Zivilgesellschaft
       
       Die Personalien des Vorbereitungskomitees stehen nun fest: Youssef al-Hijr,
       der ehemalige Leiter des politischen Büros der HTS. Mustafa al-Moussa,
       Ex-Leiter des Gesundheitsausschusses unter der HTS-verbündeten Regierung in
       Idlib, die vor dem Regimesturz in der damaligen Oppositionshochburg die
       Macht hatte. Dr. Mohammed Mastet, ein Arzt und Ex-Mitglied des
       Gesundheitsministeriums in Idlib.
       
       Der Islamforscher Hassan al-Daghim; der Schriftsteller und Aktivist Maher
       Alloush und Hind Kabawa, Forscherin zu interreligiösem Frieden und
       Direktorin des Syrischen Zentrums für Dialog, Frieden und Versöhnung in
       Toronto. Dazu Huda Atassi, eine Architektin und Aktivistin, die nach ihrer
       Flucht nach Beirut eine Hilfsorganisation für geflüchtete Syrer*innen
       gründete.
       
       Der nationale Dialog in Syrien ist die Grundlage für eine inklusive
       Transformation. Die UN und die EU unterstützen den Prozess. Ein politischer
       Übergang, der die vielfältige Gesellschaft Syriens einbezieht, ist für sie
       die Grundlage dafür, dass [3][bisherige Sanktionen] nach und nach
       aufgehoben werden.
       
       Derweil haben zwei große Gremien der ehemaligen Opposition ihre Arbeit
       überreicht. Die „Syrische Verhandlungskommission“ war das führende
       Oppositionsgremium, das von den UN unterstützt in Genf mit dem Assad-Regime
       verhandelt hatte. Die „Syrische Nationale Koalition“ brachte politische und
       bewaffneten Oppositionskräfte zusammen. Sie haben sich in Damaskus mit
       al-Scharaa getroffen und ihr Mandat an die Übergangsregierung übergeben,
       „in Übereinstimmung mit der Erklärung des Sieges der syrischen Revolution“.
       
       14 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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