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       # taz.de -- Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus: Begleitet vom „Hofnarr“-Vorwurf
       
       > Am Rednerpult geht es um die BVG, doch viele Blicke richten sich auf
       > Kultursenator Chialo. Der war jüngst Ziel umstrittener Worte von Kanzler
       > Scholz.
       
   IMG Bild: Kultursenator Joe Chialo und Regierungschef Kai Wegner (beide CDU) kurz vor Beginn der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag
       
       Berlin taz | Es ist ja nicht so, dass das eigentliche Thema langweilig
       wäre. Im Gegenteil. Um die BVG, die S-Bahn und um ein angebliches Chaos
       dort soll es in der zentralen Debatte gleich im Abgeordnetenhaus gehen.
       
       Doch im Fokus steht kurz vor Beginn der Sitzung der Mann, der auf der
       rechten Seite der Regierungsbank gerade seinen beigen Mantel ablegt. Sonst
       ist es in solchen Momenten am Platz von Kultursenator Joe Chialo (CDU)
       meist ruhig, die wichtigsten Leute der Koalition stehen anderswo zusammen.
       
       Anders an diesem Morgen nach Bekanntwerden von umstrittenen Äußerungen von
       Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – der hatte ihm gegenüber unter anderem den
       Begriff „Hofnarren“ verwendet. Es gibt an Chialos Platz sofortige
       Umarmungen von CDU- wie SPD-Senatskollegen, und kurz darauf steht auch
       Regierungschef Kai Wegner (CDU) neben ihm.
       
       Würde Chialo sein bisheriges Schweigen dazu in der Fragestunde später am
       Vormittag beenden? Eineinhalb Stunden geht es vorerst um die Lage bei Bus
       und Bahn. Grüne und Linkspartei sehen den Nahverkehr im Chaos versinken und
       die Stadt wegen schlechter Arbeitsbedingungen bald ohne Bus- und Bahnfahrer
       da stehen. Die Verkehrssenatorin sieht das ganz anders. „Krise? Welche
       Krise?“, fragt Ute Bonde (CDU).
       
       ## Kontroverse Sicht auf Lage bei der BVG
       
       Aus ihrer Sicht ist die BVG ein „hochattraktiver Arbeitgeber“. Die von der
       Opposition als bedrohlich hoch beschriebene Weggangsrate bei den
       Mitarbeitern liegt laut Bonde konkret bei 7,7 Prozent und damit deutlich
       unter einem 12-Prozent-Wert der oft zum Vergleich herangezogenen Hamburger
       Hochbahn.
       
       Noch bevor aber die Senatorin zu reden beginnt, läuft im Plenarsaal eine
       Meldung der Deutschen Presse-Agentur ein. Ihr hat Chialo eine Stellungnahme
       geschickt. Laut der waren die Scholz-Worte für ihn „herabwürdigend und
       verletzend“.
       
       Am Mikrofon aber geht es weiter um die aktuellen Gehaltsforderungen der
       BVG-Mitarbeiter, die dafür am Montag zum zweiten Mal binnen 14 Tagen
       streikten. Es geht aber auch um Einsparungen im Nachtragshaushalt, gerade
       bei der Beschleunigung des Nahverkehrs.
       
       „Wo sind die neuen Busspuren, wo sind die neuen Vorrangschaltungen?“,
       drängt Kristian Ronneburg, der verkehrspolitische Sprecher der
       Linksfraktion. Seine Kollegin von den Grünen, Antje Kapek, hält die CDU
       beim Blick auf die BVG für weltfremd: Draußen würden Tausende
       demonstrieren, „und Sie tun so, als gäbe es kein Problem“.
       
       ## Auch uneins über die S-Bahn-Ausschreibung
       
       Die CDU wiederum kritisiert, die Opposition rede die BVG schlecht. Kapek
       weist das weit von sich: „Wir reden nicht die BVG schlecht, sondern Ihre
       Politik, und das zu Recht.“ Die SPD hält sich bei den gegenseitigen
       Anwürfen eher zurück, mag aber auch nicht alles stehen lassen, was von
       Kapek zu hören ist. Die hat der schwarz-roten Regierung etwa vorgeworfen,
       erneut die Ausschreibung für die S-Bahn verschoben zu haben. „Die
       Ausschreibung hätte 2021 rausgehört“, sagt der SPD-Abgeordnete und
       Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz – in einem Jahr also, in dem die Grünen
       wie durchweg von 2016 bis 2023 die Verkehrssenatorin stellten.
       
       Chialo verfolgt das alles ruhig von seinem Platz aus und muss auch in der
       Fragestunde nichts beantworten – nachdem seine Stellungnahme zu Scholz
       öffentlich ist, bleibt eine Frage dazu aus. Für den Kultursenator kann es
       dennoch ein besonderer Tag sein. Wenn er bei der nächsten Sitzung, vier
       Tage nach der Bundestagswahl, auf seinem Platz sitzt, ist das vielleicht
       einer seiner letzten Auftritte dort. Denn Chialo, auch Mitglied des
       CDU-Bundesvorstands, gilt als möglicher neuer Kulturstaatsminister in einem
       CDU-geführten Kanzleramt.
       
       13 Feb 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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