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       # taz.de -- Redesign demokratischer Repräsentation: Wählen nicht mehr für die Tonne
       
       > Wahlurnen symbolisieren den Kern der Demokratie, aber sehen aus wie
       > Mülltonnen. Ein Projekt in Hamburg sucht neue Designs und will das Wählen
       > weiterentwickeln.
       
   IMG Bild: Eine Lageristin schiebt in Hamburg eine Wahltonne in die Halle einer Spedition
       
       Die meiste Zeit über setzen sie in den hintersten Ecken der Garagen und
       Keller der Bezirksämter Staub an – gebraucht werden sie ja nicht oft und
       nur kurz. [1][Am Wahlsonntag] stehen die Wahlurnen dann im Rampenlicht: In
       Hamburg sind es große, weiße 120-Liter-Plastiktonnen mit rotem Deckel mit
       Schlitz und Schloss, vorn drauf ein Zettel mit Stadtwappen und
       Wahllokalnummer. Auch woanders sehen die Urnen meist ähnlich aus: wie
       Mülltonnen. Einer der ersten Scherze, die Wähler:innen nach der Abgabe
       der Stimme in der Urne beim Wahlhelfenden daneben abgeben, geht deshalb so:
       „Dann ist meine Stimme ja jetzt im Müll, hihi.“
       
       Wer mal Wahlhelfer:in war, weiß: Beim Stimmzettel-Einwurf ist so ein
       Spruch für das Wahlteam ein ungeschriebenes Gesetz. Auf Platz zwei der
       launigen Varianten: „Habe ich jetzt eine Waschmaschine/Urlaubsreise
       gewonnen? Höhö.“
       
       Häufig sind aber auch ernste Varianten: „Nun habe ich also meiner
       Bürgerpflicht Genüge getan!“ Die unscheinbare Plastiktonne im Wahllokal ist
       schließlich ein mythischer Versammlungsort. Sie symbolisiert den Kern des
       demokratischen Prozesses und repräsentiert die Macht des Volkes. Sie wird
       zum Sammelpunkt, an dem der Wille der Bürger:innen in greifbare Form
       gebracht wird, ein Symbol dafür, dass jede Stimme zählt – und dass jede
       Stimme gehört werden sollte.
       
       Aber die Urne steht auch für die Fragilität dieses Prozesses, für das
       Vertrauen, das in die Integrität der Wahl und in die Fairness des Systems
       gesetzt werden muss, gerade in Zeiten, in denen demokratische Institutionen
       unter Druck stehen. Die häufigste Misstrauensbekundung beim
       Stimmzetteleinwurf dazu: „Nun wissen Sie ja, was ich gewählt habe!“ Dass
       dann wirklich später noch jemand kommt, um beim Leeren der Tonnen und beim
       Auszählen der Stimmzettel zuzusehen, ist wiederum selten.
       
       ## Urnen der Zukunft
       
       Genau diese Fragilität und das Misstrauen an der Wahltonne greift das
       Projekt „[2][Redesign Democratic Representation – Wählen neu gestalten]“
       auf. Die Frage: Drückt sich „dieser grundlegende demokratische Akt in der
       gestalterischen Erscheinung der Wahlurnen angemessen aus?“ Die Vermutung:
       „Sicherlich nicht, wenn … die Bürger*innen ihre Wahlzettel in eine
       umfunktionierte Mülltonne werfen.“
       
       Die Hamburger Hochschule für bildende Künste ruft deshalb gemeinsam mit der
       Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung anlässlich der
       Bundestagswahl am 23. Februar einen Wettbewerb für das Re-Design von
       Wahlurnen und den Prozess des Wählens aus.
       
       Wer Vorschläge hat, wie die Urnen der Zukunft aussehen könnten oder wie
       sich die performative Handlung „Wählen“ weiterentwickeln ließe, kann diese
       bis zum 14. April einreichen – ausdrücklich von disruptiven Visionen bis
       hin zu konkreten Produktideen. „Ziel ist, für den Akt der Wahl einen
       angemessenen und zeitgemäßen Rahmen zu finden – und so Demokratie zu
       stärken“, schreibt die Hochschule. Eine Jury bewertet die Vorschläge,
       insgesamt stehen 3.000 Euro Preisgeld zur Verfügung.
       
       1 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549
   DIR [2] https://www.hfbk-hamburg.de/de/projekte/redesign-democracy/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Matthies
       
       ## TAGS
       
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